Bei welcher Kündigung gibt es eine Abfindung? Tabelle mit allen Abfindungsmöglichkeiten

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In Deutschland existiert – entgegen einem verbreiteten Missverständnis – kein allgemeiner Rechtsanspruch auf eine Abfindung.

Ob und wann eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes fließt, hängt von einigen klar umrissenen Gesetzesfällen, von Sozialplan-Regelungen in Betrieben und vor allem von Verhandlungen ab.

Gesetzliche Ansprüche: Die Ausnahmen von der Regel

“Ein zwingender Anspruch entsteht insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung im Kündigungsschreiben ausdrücklich eine Abfindung nach § 1a KSchG anbietet und die/der Gekündigte dafür auf eine Klage verzichtet”, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange aus Hannover.

Die gesetzliche Formel lautet ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Ohne ein solches Angebot gibt es aus § 1a KSchG keinen Anspruch.

Kommt es zum Kündigungsschutzprozess und stellt das Gericht fest, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, kann es das Arbeitsverhältnis gegen Abfindung auflösen, wenn einer Seite die Fortsetzung unzumutbar ist.

“Die einschlägigen Vorschriften (§§ 9, 10 KSchG) setzen Höchstgrenzen von regelmäßig bis zu 12 Monatsgehältern; bei langjähriger Betriebszugehörigkeit und höherem Alter steigen die Kappungsgrenzen auf bis zu 18 Monatsgehälter”, so Lange.

Für leitende Angestellte gilt eine Besonderheit: Auf ihren Status abgestimmt kann der Arbeitgeber sogar ohne Begründung die gerichtliche Auflösung gegen Abfindung beantragen (§ 14 Abs. 2 KSchG). Ob jemand leitend ist, beurteilt sich streng – etwa nach der Rechtsmacht, eigenständig einzustellen oder zu entlassen.

Sozialplan und Nachteilsausgleich: Abfindungen bei Betriebsänderungen

Findet eine Betriebsänderung statt, einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat häufig auf einen Sozialplan. Dessen Zweck ist, wirtschaftliche Nachteile der Beschäftigten auszugleichen; Abfindungen sind das zentrale Instrument. Kommt ein Interessenausgleich nicht zustande oder wird er missachtet, kann ein Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG fällig werden – faktisch ebenfalls eine Abfindung. Die konkrete Höhe ergibt sich aus dem Sozialplan, nicht aus dem Gesetz.

Tabelle: Wann kann eine Abfindung nach eine Kündigung durchgesetzt werden?

Situation Abfindung möglich, weil …
Betriebsbedingte Kündigung mit ausdrücklichem § 1a-KSchG-Angebot im Kündigungsschreiben der Arbeitgeber eine Abfindung zusagt, wenn keine Klage erhoben wird (Regel: 0,5 Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr).
Kündigungsschutzklage erfolgreich; gerichtliche Auflösung (§§ 9, 10 KSchG) das Gericht das Arbeitsverhältnis wegen Unzumutbarkeit auflöst und eine Abfindung festsetzt (innerhalb gesetzlicher Höchstgrenzen).
Vergleich im Kündigungsschutzprozess beide Seiten den Rechtsstreit durch Beendigung gegen Abfindung einvernehmlich beilegen.
Aufhebungsvertrag Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beendigung frei verhandeln und dabei eine Abfindung vereinbaren.
Sozialplan bei Betriebsänderung (BetrVG) Betriebsrat und Arbeitgeber Abfindungen zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile vorsehen.
Nachteilsausgleich (§ 113 BetrVG) der Arbeitgeber einen Interessenausgleich unterlässt oder davon abweicht und deshalb Ausgleichszahlungen fällig werden.
Leitende Angestellte: gerichtliche Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers (§ 14 Abs. 2 KSchG) das Gericht das Arbeitsverhältnis gegen Abfindung beendet, ohne dass ein Kündigungsschutzverstoß festgestellt werden muss.
Auflösungsantrag der Arbeitnehmerseite nach gewonnenem Prozess (§ 9 KSchG) trotz Unwirksamkeit der Kündigung die Fortsetzung unzumutbar ist und das Gericht eine Abfindung zuspricht.
Änderungskündigung, die im Verfahren durch Vergleich in Beendigung umgewandelt wird die Parteien statt Änderungsbedingungen eine Beendigung gegen Abfindung vereinbaren.
Betriebsschließung/Standortabbau mit Betriebsrat Abfindungen regelmäßig über Sozialplan oder Vergleiche vereinbart werden.
Kleinbetrieb ohne allgemeinen Kündigungsschutz kein Rechtsanspruch besteht, Abfindungen aber durch Aufhebungsvertrag oder Vergleich ausgehandelt werden können.
Unwirksame Befristung oder andere Beendigungsmängel die Prozessrisiken zu einer einvernehmlichen Abfindungslösung führen (Vergleich).

Die Praxisfälle: Abfindung durch Verhandlung

“Die meisten Abfindungen entstehen außerhalb eines gesetzlichen Automatismus, nämlich durch Verhandlungen – entweder im Rahmen eines Aufhebungsvertrags oder als Vergleich im Kündigungsschutzprozess” betont Lange.

Hintergrund ist das wechselseitige Prozess- und Kostenrisiko: Arbeitgeber „kaufen“ sich Rechtsfrieden, Arbeitnehmer verzichten auf den Arbeitsplatz.

Wichtig für Verhandlungsspielräume ist die Drei-Wochen-Frist: Wer die Wirksamkeit einer Kündigung angreifen will, muss binnen drei Wochen nach Zugang Kündigungsschutzklage erheben (§ 4 KSchG). Danach gilt die Kündigung grundsätzlich als wirksam.

Fälle mit eher seltenen Abfindungen – und Ausnahmen

In Kleinbetrieben mit in der Regel nicht mehr als zehn Beschäftigten greift das Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich nicht. Das schmälert die Chancen auf eine gerichtlich erstrittene Abfindung; vertragliche oder freiwillig ausgehandelte Zahlungen bleiben aber möglich.

Bei verhaltensbedingten Kündigungen werden Abfindungen seltener angeboten, weil Arbeitgeber sich im Recht wähnen; gleichwohl enden viele Streitfälle in Vergleichen.

Bei befristeten Verträgen, die schlicht auslaufen, gibt es im Normalfall keine Abfindung – es sei denn, Befristung oder Beendigung sind angreifbar. Diese Konstellationen beruhen nicht auf speziellen Abfindungsnormen, sondern auf Verhandlungslösungen; einen gesetzlichen Anspruch gibt es hier nicht.

Wie hoch fällt eine Abfindung aus?

Die häufig zitierte „halbe Monatsvergütung pro Jahr“ ist nur die Formel des § 1a KSchG und eine gängige Verhandlungsorientierung – kein allgemeinverbindlicher Satz.

In Gerichtsauflösungen setzt § 10 KSchG Obergrenzen (12/15/18 Monatsgehälter je nach Alter und Betriebszugehörigkeit). In Sozialplänen arbeiten die Parteien mit eigenen Formeln, etwa mit Faktoren für Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten; maßgeblich ist stets der konkrete Plan. Schauen Sie auch hier: Kündigung: So hoch muss die Abfindung mindestens sein – Abfindungstabelle für 2025

Steuern, Sozialversicherung, Arbeitsagentur: Was die Abfindung auslöst

Abfindungen sind steuerpflichtig. Zur Milderung der Progression kommt in der Einkommensteuerveranlagung regelmäßig die Fünftelregelung (§ 34 EStG) in Betracht. Seit 1. Januar 2025 gilt jedoch: Die Fünftelregelung wird beim Lohnsteuerabzug nicht mehr angewandt; die Begünstigung ist über die Steuererklärung zu realisieren.

Das hat vor allem Liquiditäts-, nicht aber materielle Nachteile. Wichtig bleibt die „Zusammenballung der Einkünfte“, also der Zufluss im Wesentlichen in einem Jahr.

Sozialversicherung. „Echte“ Abfindungen, die den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigen, sind nicht beitragspflichtig zur Sozialversicherung. Zahlungen, die verdientes Entgelt ersetzen oder Arbeitszeitveränderungen ausgleichen, können hingegen beitragspflichtig sein.

Zwei Dinge sind zu unterscheiden. Erstens kann das Arbeitslosengeld ruhen (§ 158 SGB III), wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist endet und hierfür eine Abfindung gezahlt wird; das verschiebt den Beginn der Zahlung, kürzt den Gesamtanspruch aber nicht.

Zweitens droht bei Aufhebungsverträgen regelmäßig eine Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen (§ 159 SGB III), die den Gesamtanspruch verkürzt – es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund vor (z. B. drohende betriebsbedingte Kündigung zu denselben Bedingungen). Offizielle Merkblätter und Weisungen der Bundesagentur erläutern die Details.

Aufhebungs- und Abwicklungsverträge: Chancen und Fallstricke

Wer einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, verhandelt die Abfindung frei – gleichzeitig tragen Beschäftigte das Sperrzeitrisiko und sollten auf die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist oder eine tragfähige Begründung achten, um Nachteile zu vermeiden.

Laufende Restansprüche (z. B. Urlaub, Überstunden) sind sauber zu regeln, ebenso der Zahlungszeitpunkt der Abfindung mit Blick auf Steuerfragen. Fachbeiträge zeigen, dass eine sorgfältige Gestaltung Sperrzeiten vermeiden kann, wenn objektive Gründe bestehen.

Was Betroffene jetzt konkret tun sollten

Nach Zugang einer Kündigung ist die Drei-Wochen-Frist wichtig, denn sonst kann nur noch in schwerwiegenden Fällen eine Abfindung erwirkt werden, warnt der Anwalt. Innerhalb dieses Fensters lässt sich die Situation rechtlich bewerten, die Prozesschancen einschätzen und – sofern sinnvoll – eine Abfindung verhandeln oder ein Gerichtsverfahren anstoßen, das häufig in einem Vergleich endet.

Wer ein Angebot nach § 1a KSchG erhält, sollte die Voraussetzungen im Kündigungsschreiben genau prüfen. Bei Betriebsänderungen lohnt der Blick in Interessenausgleich und Sozialplan. Steuern, Ruhens- und Sperrzeitfolgen gehören in die Gesamtstrategie.

Fazit

Eine Abfindung gibt es garantiert nur in eng umgrenzten gesetzlichen Konstellationen – vor allem bei § 1a-Angeboten, gerichtlicher Auflösung und bei Sozialplänen. In der Mehrzahl der Fälle ist sie das Ergebnis kluger Verhandlungen unter Beachtung kurzer Fristen und mit Blick auf Steuer- und Sozialrechtsfolgen. Wer diese Koordinaten kennt, kann realistisch einschätzen, wann sich eine Abfindung erreichen lässt – und wann nicht.