Arbeitslosengeld oft zu niedrig berechnet – Das sind die Gründe und das kannst Du tun

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Arbeitslosengeld wird oft falsch berechnet. Die Behörde berechnet das Arbeitslosengeld häufig auch dann auf Basis des letzten Gehalts, wenn dieses krankheitsbedingt deutlich niedriger ausfiel. Genau hier verlieren Betroffene oft mehrere Hundert Euro im Monat, obwohl ihnen rechtlich mehr zusteht. Doch das Gesetz eröffnet klare Regeln, die die Agentur für Arbeit oft nicht einhält.

Wie berechnet sich das Arbeitslosengeld grundsätzlich?

Das Arbeitslosengeld beträgt 60 Prozent Ihres letzten Nettoeinkommens, beziehungsweise 67 Prozent, wenn Sie Kinder haben. Die Grundlage ist das durchschnittliche Bruttoentgelt der letzten zwölf Monate.

Von diesem werden pauschal Steuern und Sozialabgaben abgezogen, um ein fiktives Nettoentgelt als Maßstab zu nehmen. Das erfolgt tagesgenau mit 30 Tagen pro Monat.

Dies kann zu erheblichen Einbußen führen, wenn die Agentur für Arbeit das Bruttoeinkommen zu niedrig ansetzt.

Krankheit darf Ihr Arbeitslosengeld nicht schmälern

Wenn Sie vor der Arbeitslosigkeit länger krank waren oder Krankengeld bezogen haben, darf die Behörde Sie nicht automatisch schlechter stellen. Das Sozialgesetzbuch sieht vor, dass ein früheres, höheres Einkommen zur Bemessung herangezogen wird, wenn das letzte Gehalt nicht die tatsächliche Leistungsfähigkeit widerspiegelt.

In der Praxis hält sich die Agentur für Arbeit aber oft nicht an diese gesetzliche Grundlage und berechnet Ihnen deshalb zu wenig Leistungen. Wer das nicht weiß, akzeptiert stillschweigend eine zu niedrige Zahlung des Arbeitslosengeldes.

Weitere häufige Gründe, warum das Arbeitslosengeld  falsch berechnet ist

  • Unvollständige/fehlerhafte Entgeltdaten: In der Arbeitsbescheinigung oder den Abrechnungen fehlen Monate, variable Bestandteile oder es wurden falsche Werte gemeldet (z. B. beitragspflichtiges Brutto nicht korrekt erfasst).
  • „Beitragspflichtig“ ist entscheidend: Nur sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt zählt. Steuerfreie/pauschale Zahlungen (je nach Art) erhöhen oft nicht das Bemessungsentgelt – dann ist das Ergebnis korrekt, aber überraschend niedrig.
  • Falscher Bemessungszeitraum / falscher Bemessungsrahmen: Es wurde nicht der passende Zeitraum herangezogen, oder Zeiten wurden falsch ein- bzw. ausgeklammert.
  • 2-Jahres-Regel nicht genutzt: Wenn Ihr Entgelt im zweiten Jahr vor Arbeitslosigkeit im Schnitt >10 % höher war als im letzten Jahr, kann das berücksichtigt werden – aber nur, wenn Sie das ausdrücklich verlangen.
  • Fiktive Bemessung: Wenn innerhalb des (ggf. auf zwei Jahre erweiterten) Rahmens kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden kann, wird mit einem fiktiven Arbeitsentgelt gerechnet – das fällt oft deutlich niedriger aus.
  • Falsche Lohnsteuerklasse/Faktor berücksichtigt: Die Höhe wird aus einem pauschalierten Netto abgeleitet; eine „ungünstigere“ Steuerklasse kann den Zahlbetrag senken. Maßgeblich sind dabei bestimmte Stichtags-/Regelungen, nicht zwingend „was aktuell auf der Lohnabrechnung steht“.
  • Kind nicht (richtig) berücksichtigt: Ohne zu berücksichtigendes Kind sind es 60 %, mit Kind 67 % des Leistungsentgelts – wenn das Kindmerkmal fehlt, ist der Zahlbetrag spürbar niedriger.
  • Nebeneinkommen angerechnet: Ein Nebenjob während ALG-Bezug kann den Zahlbetrag mindern (mit Freibetrag, typischerweise 165 € monatlich; darüber wird angerechnet).
  • Ruhen des Anspruchs: In bestimmten Fällen wird nicht „weniger pro Tag berechnet“, sondern der Anspruch ruht (z. B. bei Konstellationen rund um Abfindung/Entlassungsentschädigung und nicht eingehaltene Kündigungsfristen; ggf. verlängert durch Urlaubsabgeltung) – das kann wie „zu wenig“ wirken, weil anfangs weniger ausgezahlt wird.

Wann muss die Agentur ein höheres Einkommen berechnen?

Klassisch gilt diese Regelung bei längerfristiger Erkrankung und dem Bezug von Krankengeld, bei Kurzarbeit oder einer Reduzierung der Arbeitsstunden. Diese gehen dem Ende des Arbeitsverhältnisses oft voraus, dürfen Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld aber nicht senken.

Was kann ich tun, um höheres Arbeitslosengeld zu erhalten?

Sie können aktiv Einfluss auf die Höhe Ihres Arbeitslosengeldes nehmen, wenn Sie frühzeitig handeln und Ihren Bescheid kritisch prüfen. Sobald Ihr letztes Gehalt durch Krankheit, Kurzarbeit oder Leistungsreduzierung gesunken ist, sollten Sie bei der Agentur für Arbeit ausdrücklich eine Überprüfung der Bemessungsgrundlage verlangen und auf frühere, höhere Einkommen hinweisen.

Wir kennen viele Beispiele aus der Praxis. Diese stellen wir modellhaft einmal vor.

Behörden rechnen – Betroffene zahlen

Roland arbeitete jahrelang in Vollzeit und gut bezahlt, bevor eine schwere Erkrankung ihn monatelang aus dem Job riss. Nach der Kündigung berechnete die Agentur sein Arbeitslosengeld auf Basis eines reduzierten Übergangslohns.

Sein reguläres Gehalt lag bei 2.200 Euro Netto. Der Übergangslohn in den letzten vier Monaten seiner Beschäftigung betrug nur 1.500 Euro.  Sein volles Gehalt hatte 26.400 Euro pro Jahr betragen.  Durch den Übergangslohn blieb nur noch ein Jahresverdienst von 23.600 Euro.

Da Roland keine Kinder hat, rechnete ihm die Agentur für Arbeit 60 Prozent des letzten Lohns an und kam auf 14.160 Euro. Durch zwölf geteilt sollte er 1.180 Euro Arbeitslosengeld pro Monat erhalten.

Mit seinem vorherigen höheren Einkommen lag er jedoch bei 15.840 Euro pro Jahr berechnetem Arbeitslosengeld, also bei 1.320 Euro pro Monat.

Erst nach einem Widerspruch setzte die Behörde sein früheres Einkommen an und erhöhte das Arbeitslosengeld um 140 Euro.

Was kann ich tun, um höheres Arbeitslosengeld zu erhalten?

Sie können aktiv Einfluss auf die Höhe Ihres Arbeitslosengeldes nehmen, wenn Sie frühzeitig handeln und Ihren Bescheid kritisch prüfen. Sobald Ihr letztes Gehalt durch Krankheit, Kurzarbeit oder Leistungsreduzierung gesunken ist, sollten Sie bei der Agentur für Arbeit ausdrücklich eine Überprüfung der Bemessungsgrundlage verlangen und auf frühere, höhere Einkommen hinweisen.

Alte Gehälter zählen mehr als viele glauben

Luisa fiel nach einer längeren Krankschreibung direkt in die Arbeitslosigkeit. Die Behörde ignorierte ihr früheres Vollzeitgehalt und setzte ein deutlich niedrigeres Bemessungsentgelt an.

Mit Unterstützung einer Beratungsstelle erzwang sie eine Neuberechnung. Die Agentur hatte Ihr über einen Zeitraum von zehn Monaten jeweils 160 Euro zu wenig ausgezahlt. Deshalb erhielt sie eine Nachzahlung von 1.300 Euro.

Widerspruch lohnt sich bei falscher Berechnung

Olaf akzeptierte zunächst den Bescheid, obwohl ihm die Summe merkwürdig niedrig vorkam. Erst Monate später erfuhr er, dass sein vorheriges Gehalt aus einem stabilen Beschäftigungszeitraum hätte zählen müssen. Der Widerspruch brachte nicht nur eine höhere laufende Zahlung, sondern auch eine rückwirkende Korrektur.

Auch kurze Krankheitsphasen sind relevant

Eliza war nur einige Monate krank, doch diese Zeit reichte aus, um ihr Arbeitslosengeld drastisch zu drücken. Die Agentur blendete ihre langjährige vorherige Beschäftigung komplett aus. Erst durch konsequentes Nachhaken erhielt sie die Leistung, die ihrer tatsächlichen Erwerbsbiografie entsprach.

Legen Sie Widerspruch ein

Legen Sie fristgerecht Widerspruch gegen den Bescheid ein und reichen Sie Gehaltsabrechnungen aus stabilen Beschäftigungszeiten nach. Bestehen Sie konsequent auf einer Neuberechnung, denn in der Praxis zeigt sich immer wieder, dass nur entschlossenes Vorgehen zu einem spürbar höheren Arbeitslosengeld führt.

Ein Widerspruch kann, jeweils mit dem Grund des Widerspruches, zum Beispiel so aussehen:

Betreff: Widerspruch gegen den Bescheid über Arbeitslosengeld vom [Datum des Bescheids] – Aktenzeichen/Kundennummer [ … ]
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege ich fristgerecht Widerspruch gegen Ihren Bescheid über Arbeitslosengeld vom [Datum] ein, da das Arbeitslosengeld aus meiner Sicht zu niedrig bemessen wurde. Bitte prüfen und korrigieren Sie die Berechnung insbesondere anhand des Bemessungsentgelts/Bemessungszeitraums und übersenden Sie mir den vollständigen Berechnungsbogen.
Begründung (bitte Zutreffendes ergänzen/ankreuzen):

In der Berechnung wurden Entgeltbestandteile nicht oder nicht vollständig berücksichtigt (z. B. Sonderzahlungen wie Urlaubs-/Weihnachtsgeld, Prämien, Zuschläge).

– Es wurden falsche oder unvollständige Entgeltdaten aus der Arbeitsbescheinigung/Abrechnungen zugrunde gelegt.

– Der Bemessungszeitraum wurde aus meiner Sicht nicht korrekt bestimmt (z. B. Zeiten mit Krankheit/Elternzeit/Arbeitsausfall falsch behandelt).

– Es wurden falsche Lohnsteuerabzugsmerkmale berücksichtigt (Steuerklasse/Kinderfreibeträge).

– Es wurden Versicherungszeiten/Beschäftigungszeiten nicht vollständig berücksichtigt.

– Sonstiges: [kurze Beschreibung, was genau falsch ist – z. B. „Monat [MM/JJJJ] fehlt“, „Steuerklasse I statt III“, „Sonderzahlung vom [Datum] nicht enthalten“].

Ich bitte um Neuberechnung und Erlass eines korrigierten Bescheids sowie um Mitteilung, welche Daten/Unterlagen Ihrer Berechnung zugrunde liegen.
Anlagen (Kopien):

Bescheid vom [Datum]

Lohnabrechnungen (insb. Bemessungszeitraum)
Arbeitsbescheinigung (falls vorhanden)
Nachweise zu Steuerklasse/Kindermerkmalen (falls relevant)
Sonstige Nachweise: [ … ]Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift] [Name]

Hinweis: Den Widerspruch am besten nachweisbar einreichen (z. B. persönliche Abgabe gegen Empfangsbestätigung). Alternativ kann er auch zur Niederschrift bei der Agentur für Arbeit erklärt werden.

FAQ: Häufige Fragen zur Bemessung des Arbeitslosengeldes

Kann ein früheres Gehalt für das Arbeitslosengeld zählen?
Ja, wenn das letzte Einkommen wegen Krankheit oder außergewöhnlicher Umstände niedriger war, darf die Agentur ein früheres Bemessungsentgelt heranziehen.

Muss ich aktiv einen Antrag stellen?
Ja, ohne Hinweis oder Widerspruch bleibt es meist bei der ungünstigen Berechnung durch die Behörde.

Gibt es eine Frist für den Widerspruch?
Sie haben in der Regel einen Monat nach Zugang des Bescheids Zeit, um Widerspruch einzulegen.

Bekomme ich Geld rückwirkend ausgezahlt?
Ja, wenn der Bescheid fehlerhaft war, zahlt die Agentur die Differenz rückwirkend nach.

Brauche ich dafür einen Anwalt?
Ein Anwalt ist nicht zwingend nötig, erhöht aber die Erfolgschancen deutlich, vor allem bei komplexen Krankheitsverläufen.

Wissen schützt Ihr Einkommen

Die Bemessung des Arbeitslosengeldes folgt klaren Regeln, doch die Agentur wendet sie nicht immer korrekt an. Wer krankheitsbedingte Gehaltseinbußen einfach hinnimmt, verliert bares Geld. Prüfen Sie Ihren Bescheid genau, handeln Sie entschlossen und setzen Sie Ihr Recht auf eine faire Berechnung durch.