Angst vor dem Jobcenter provoziert Wohnungslosigkeit

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Eine Studie aus Göttingen zeigt, dass teure Mieten und die Mauern der Bürokratie die Not der Betroffenen verschlimmern oder sogar herbeiführen. Viele Betroffene haben schlichtweg Angst vorm Jobcenter.

Trauma und Armut

Der Soziologie-Professor Timo Weishaupt und sein Team interviewten 59 Fachleute sowie 31 Wohnungslose aus Göttingen, Kassel und Paderborn und werteten deren Aussagen aus. Das Fazit lautet: Traumatisierungen sind ein wesentlicher Grund, die Wohnung zu verlieren. Die Betroffenen leiden unter extremer Armut.

Besonders zu schaffen macht den Bedürftigen die Bürokratie der Sozialbehörden.

Wohnungslose sind nicht schuld an ihrer Situation

Weishaupt stellt klar, dass Wohnungslose nicht, wie oft behauptet, selbst schuld an ihrer Situation seien. Er erwähnt vor allem drei Faktoren, die die Betroffenen in das Elend treiben: Ihre belastenden Biografien, nicht vorhandenen Wohnraum / teure Mieten, und die Hürden des Sozialstaats.

Die Bürokratie der Sozialbehörden schreckt ab

Endeutig stellte sich, laut Weishaupt, heraus: Wohnungslose haben Angst vor Behördengängen und fühten sich überfordert, auch nur Kontakt “zum Amt” zu suchen.

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Überfordert im Formular-Labyrinth

Laut Weishaupt sind die Wohnungslosen oft nicht in der Lage, Behördenformulare ohne Hilfe von Sozialarbeitern auszufüllen. Er sagt: “Wenn man sich mal so einen Antrag auf Bürgergeld anschaut, sind es mehrere Seiten, die da auszufüllen sind mit vielen Nachweisen, die zu erbringen sind.”

Aus den Gesprächen mit den Betroffenen geht, laut dem Professor, klar hervor, dass Behördengänge eine große Hürde sind.

Aus Überforderung wird “fehlende Mitwirkung”

Melanie Bornemann von der Diakonischen Gesellschaft Wohnen und Beraten in Göttingen leitet eine Einrichtung, in der Wohnungslose unterkommen, die den Spießrutenlauf durch die Behörden hinter sich haben.

Sie sagt: “Die Leute, die hier sind, die haben soziale Schwierigkeiten und die kennen sich mit den Ämtern und Wegen gar nicht so gut aus.”

Die Behörden bestrafen die Überforderten, so Bornemann: “Sie können nicht gut ausdrücken, was sie möchten und wenn Unterlagen fehlen, werden die Bürgergeld-Leistungen schlussendlich auch verweigert aufgrund von fehlender Mitwirkung.”

Nicht jeder Wohnungslose ist obdachlos

Wer direkt auf der Straße lebt, wird öffentlich sichtbar. Die Grenze ist indessen fließend zwischen Menschen, die unter Brücken schlafen, denen, die zeitweise Unterschlupf bei Bekannten finden, in einer Gartenhütte leben oder in einer Unterkunft für Wohnungslose unterkommen.

Genehmigung oder Obdachlosigkeit

Christian Henf zum Beispiel lebte auf der Straße und seit einigen Monaten in einer Einrichtung für Wohnungslose in Göttingen. Den Platz in der Einrichtung muss er immer wieder neu beantragen. Läuft die Genehmigung der Behörde aus, dann landet er wieder auf der Straße.

“Bürokratische Behörden abbauen”

Professor Weishaupt fordert ein Hilfesystem, das bürokratische Hürden abbaut und auf die Betroffenen zugeht. Viele wohnungslose Frauen gingen nicht zum Amt, weil sie sich schämten. Er sagt: “Einfach ein bisschen mehr Empathie zu zeigen wäre vielleicht ein großer, richtiger Schritt.”

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