Fataler Gerichtsentscheid: Kleine Lücke kann Krankengeld stoppen

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Für Krankengeld-Bezieher entscheidet die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) darüber, ob ein Anspruch auf Krankengeld fortbesteht. Das Sozialgericht Detmold hat in einer Entscheidung deutlich gemacht, dass es dabei nicht allein auf den Gesundheitszustand ankommt, sondern auch auf die rechtzeitige ärztliche Feststellung. Fehlt zwischen zwei Bescheinigungen auch nur ein kurzer Zeitraum, kann das den Anspruch beenden.

Der konkrete Fall: Brückentag und geschlossene Praxis

Geklagt hatte ein Versicherter, der zuvor arbeitslos war und über längere Zeit hinweg wiederholt befristet arbeitsunfähig geschrieben wurde. Die letzte Bescheinigung lief an einem Freitag aus, der als Brückentag zwischen Feiertag und Wochenende lag.

Der Versicherte wollte an diesem Tag zur Ärztin, um die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Unerwartet war die Praxis jedoch geschlossen. Erst am darauffolgenden Montag stellte die Ärztin eine neue Arbeitsunfähigkeit fest. Die Krankenkasse beendete daraufhin die Krankengeldzahlung mit Hinweis darauf, dass die Feststellung nicht nahtlos erfolgt sei.

Warum das Gericht die Krankenkasse bestätigte

Das Gericht stellte auf die gesetzliche Konstruktion des Krankengeldanspruchs ab. Entscheidend sei nicht nur, ob jemand tatsächlich arbeitsunfähig ist, sondern ob diese Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig ärztlich festgestellt wird und damit nach außen belegbar bleibt.

Wird die Arbeitsunfähigkeit jeweils nur für kurze Zeiträume bescheinigt, muss sich der Versicherte spätestens am letzten Tag der laufenden Bescheinigung erneut ärztlich vorstellen, damit ohne Unterbrechung eine weitere Feststellung erfolgt. Erfolgt die erneute Feststellung erst nach Ablauf, entsteht eine Lücke, die den Anspruch abbrechen kann.

Das Gericht betonte zudem, dass der Anspruch nach der damals maßgeblichen Regelung nicht schon am Tag der ärztlichen Feststellung begann, sondern erst am Folgetag. Das macht deutlich, warum die zeitliche Taktung bei Folgebescheinigungen so streng beurteilt wurde: Die Mitgliedschafts- und Leistungsgrundlage kann in bestimmten Konstellationen davon abhängen, dass ohne Unterbrechung ein Anspruch mit Krankengeldbezug fortläuft.

Hinweis- und Risikofrage: Wer trägt die Verantwortung?

Im Hintergrund steht eine klare Verteilung der Verantwortung. Das Risiko, dass der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos gelingt, soll nicht vollständig bei der Krankenkasse liegen. Würde man nachträglich allein auf das „objektive“ Kranksein abstellen, müsste die Kasse Zeiträume ohne zeitnahe Dokumentation rekonstruieren.

Gerade bei längeren Unterbrechungen wird das immer schwieriger. In dem vom Sozialgericht entschiedenen Sachverhalt kam hinzu, dass der Versicherte nach den Feststellungen im Verfahren bereits zu Beginn des Krankengeldbezugs auf die Wichtigkeit lückenloser Feststellungen hingewiesen worden war.

Ausnahmen: Wann eine starre Betrachtung nicht passt

Das Gericht deutete zugleich an, dass die Bewertung anders ausfallen kann, wenn aus der ärztlichen Einschätzung bereits hervorgeht, dass eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit zu erwarten ist.

Damit ist gemeint: Wenn die ärztliche Prognose die Dauer der Erkrankung so beschreibt, dass eine kurzfristige Folgefeststellung nicht das passende Instrument ist, kann eine strikte Anwendung der „Tag-für-Tag“-Logik im Einzelfall problematisch werden. Diese Linie bleibt allerdings eng und setzt voraus, dass sich das aus der ärztlichen Beurteilung nachvollziehbar ergibt.

Einordnung in die Rechtsprechung: Formale Feststellung zählt

Die Entscheidung reiht sich in eine Rechtsprechung ein, die den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nicht als reine Förmelei behandelt, sondern als Voraussetzung, die den Leistungsanspruch steuert. Gerade beim Krankengeld, das an fortlaufende Zeiträume anknüpft, spielt die ärztliche Feststellung eine tragende Rolle. Die Gerichte begründen das regelmäßig mit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Nachprüfbarkeit.

Was sich später geändert hat und warum die Grundbotschaft bleibt

Seit der Entscheidung sind gesetzliche Regeln rund um die Entstehung und Fortführung von Krankengeldansprüchen verändert worden. Heute gibt es Konstellationen, in denen spätere Feststellungen weniger drastische Folgen haben können, etwa weil Anschluss- und Werktagsregelungen greifen oder weil bei rechtzeitigem Tätigwerden des Versicherten Ausnahmen anerkannt werden, wenn die Verzögerung im Verantwortungsbereich der Praxis liegt. Auch die elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten hat Abläufe verändert.

Trotzdem bleibt die Lehre aus dem Detmolder Fall bestehen: Wer Krankengeld bezieht, sollte Folgebescheinigungen nicht erst „irgendwann“ organisieren, sondern so, dass eine ärztliche Feststellung rechtzeitig erfolgt. Brückentage, Praxisurlaub, Feiertage und volle Wartezimmer sind Alltag, ändern aber nichts daran, dass im Streitfall vor allem zählt, was dokumentiert ist und wann es dokumentiert wurde.

Quellen

Sozialgericht Detmold, Urteil zum Wegfall des Krankengeldanspruchs bei Lücke in der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung (Az. S 5 KR 518/12).
Bundessozialgericht, Urteil vom 21.09.2023 (Az. B 3 KR 11/22 R) zur Anspruchswahrung bei rechtzeitigem Aufsuchen der Arztpraxis trotz späterer Folgefeststellung. § 46 Sozialgesetzbuch V (SGB V) in der jeweils geltenden Fassung.