Job schmeißen, um Bürgergeld zu beziehen? Zehn Gründe, warum das riskant ist

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Die Diskussion darüber, ob Bürgergeld „attraktiver“ sei als ein regulärer Job, wird derzeit hitzig und oft verzerrt geführt. Zwischen Fehlinformationen und fragwürdigen Vergleichsrechnungen verlieren viele den Blick für die Realität.

Gefährlich wird es, wenn Sie populistischen Märchen Glauben schenken und erwägen, Ihre Beschäftigung zu beenden, um “bequem von Bürgergeld zu leben”. Wer nämlich ernsthaft darüber nachdenkt, seinen Job zu kündigen, um Bürgergeld zu beziehen, tappt in eine Falle und setzt viel mehr aufs Spiel, als es auf den ersten Blick scheint.

1. Sperrzeit beim Arbeitslosengeld: Drei Monate ohne Einkommen

Wer ohne wichtigen Grund kündigt, verliert für zwölf Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld – eine Zeitspanne, die für viele existenziell ist. Ein Callcenter-Mitarbeiter, der nach einem Streit mit dem Teamleiter impulsiv kündigte, stand plötzlich drei Monate ohne jede Zahlung da. Seine Rücklagen waren nach sechs Wochen vollständig aufgebraucht.

2. Jobcenter-Sanktionen: Bürgergeld kann drastisch gekürzt werden

Zusätzlich zur Sperrzeit drohen beim Bürgergeld Kürzungen von bis zu 30 Prozent. Das trifft besonders hart, weil Bürgergeld ohnehin nur das Existenzminimum abdeckt. Ein Beispiel aus der Praxis: Eine alleinerziehende Mutter verlor nach Eigenkündigung 150 Euro monatlich durch Sanktionen – ein Betrag, der ihr Budget sofort sprengte.

3. Ersatzanspruch nach § 34 SGB II: Der Schuldenberg wächst Monat für Monat

Das Jobcenter kann alle Leistungen zurückfordern, wenn die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich herbeigeführt wurde. Das betrifft Geldleistungen, Krankenversicherungsbeiträge und sogar Sachleistungen – und zwar theoretisch zeitlich unbegrenzt. Eine Frau aus Dortmund erhielt nach zwei Jahren Bürgergeldbezug eine Rückforderung über mehr als 20.000 Euro, weil sie ihre Kündigung nicht plausibel begründen konnte.

4. Bürgergeld ist deutlich weniger als Einkommen aus Arbeit

Trotz kursierender Mythen bringt selbst ein bescheidenes Gehalt mehr Netto ein als Bürgergeld. Viele Berechnungen im Internet ignorieren Stromkosten, Versicherungen, Mobilität und Rücklagen. Ein Lagerarbeiter mit 1.700 Euro Netto verdiente nach Abzug aller Fixkosten immer noch rund 400 Euro mehr als eine vergleichbare Bürgergeld-Berechnung suggerierte.

5. Statt Freiheit: strenge Pflichten und permanente Kontrolle

Der Bürgergeldbezug ist an zahlreiche Verpflichtungen geknüpft, die nichts mit „Ruhe haben“ zu tun haben. Bewerbungen müssen nachgewiesen, Maßnahmen angenommen und jede Veränderung sofort gemeldet werden. Ein 28-Jähriger aus Köln berichtete, dass er innerhalb eines Monats zu vier Terminen erscheinen musste – darunter ein Bewerbungstraining, das acht Stunden täglich dauerte.

6. Keine Rentenpunkte: Die Altersvorsorge rutscht in den Keller

Während jedes Beschäftigungsjahr Rentenpunkte bringt, bleibt das Rentenkonto im Bürgergeldbezug praktisch leer. Wer heute kündigt, verzichtet auf seine spätere Sicherheit. Ein 40-jähriger Verkäufer stellte schockiert fest, dass schon ein Jahr ohne Rentenbeiträge seine spätere Rente um fast 80 Euro monatlich verringern würde – dauerhaft.

7. Rückkehr in den Job: Lücken im Lebenslauf bremsen die Karriere

Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto schwerer wird der Wiedereinstieg. Qualifikationen veralten und Netzwerke schrumpfen. Ein gelernter Elektriker, der „nur ein paar Monate Pause“ machen wollte, fand später keine Stelle mehr, weil neuere Sicherheitsstandards in seinem Bereich inzwischen Pflicht waren.

8. Psychische Belastungen: Arbeitslosigkeit macht nachweislich krank

Ohne Tagesstruktur, Aufgaben und soziale Kontakte sinkt das Wohlbefinden rapide. Viele Betroffene berichten von Verlust des Selbstwertgefühls. Eine 32-Jährige, die nach Kündigung sechs Monate arbeitslos war, entwickelte Depressionen, weil ihr Alltag auseinanderfiel und sie sich zunehmend nutzlos fühlte.

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9. Vertragsnachteile: Bonuszahlungen und Leistungen gehen verloren

Eigenkündigungen haben oft versteckte finanzielle Folgen. Weihnachtsgeld, Boni oder betriebliche Zuschüsse entfallen bei vielen Arbeitsverträgen automatisch. Ein Logistikmitarbeiter verlor durch seine Eigenkündigung einen Jahresbonus von 1.500 Euro, der eigentlich schon in der Firma eingeplant war.

10. Steigende Lebenshaltungskosten: Bürgergeld verliert an Kaufkraft

Inflation und Preissteigerungen treffen Menschen am Existenzminimum am härtesten. Bürgergeld steigt nicht automatisch im gleichen Tempo wie die Kosten für Energie, Lebensmittel und Miete. Eine Bürgergeldbezieherin aus Leipzig berichtete, dass allein ihre monatliche Stromnachzahlung 40 Euro betrug – ein Betrag, den sie kaum mehr aufbringen konnte.

FAQ: Fünf häufig gestellte Fragen zum Thema Bürgergeld und Kündigung

Kann ich Bürgergeld bekommen, wenn ich freiwillig kündige?
Ja, aber es drohen Sperrzeiten, Sanktionen und möglicherweise Rückforderungen. Eine Eigenkündigung führt fast immer zu finanziellen Nachteilen.

Ist Bürgergeld wirklich fast so hoch wie ein Arbeitseinkommen?
Nein. Bürgergeld deckt nur das Existenzminimum. Selbst einfache Vollzeitjobs bringen spürbar mehr Geld ein.

Muss ich beim Bürgergeld Bewerbungen schreiben und Maßnahmen besuchen?
Ja. Wer die Mitwirkungspflichten ignoriert, riskiert empfindliche Kürzungen, die die finanzielle Lage weiter verschärfen.

Kann das Jobcenter tatsächlich alles zurückfordern?
Wenn die Hilfebedürftigkeit selbst verschuldet ist, ja. Der Ersatzanspruch kann existenzbedrohende Summen erreichen.

Was kann ich tun, wenn mein aktueller Job mich psychisch belastet?
Es gibt sichere Alternativen: Krankschreibung, Gespräche mit dem Arbeitgeber, Reha-Maßnahmen, innerbetriebliche Wechsel oder Beratungsstellen wie der Sozialdienst oder die Gewerkschaft.

Fazit

Die Vorstellung, mit Bürgergeld ein sorgenfreieres Leben führen zu können, hält der Realität nicht stand. Das Gegenteil ist der Fall: Finanzielle Verluste, Kontrollmechanismen, psychische Risiken und langfristige Nachteile überwiegen deutlich.

Wer über eine Kündigung nachdenkt, sollte daher unbedingt Alternativen prüfen – und sich bewusst machen, wie tiefgreifend die Folgen eines solchen Schrittes sein können.