Kündigung wegen langer Krankheit unwirksam – Abfindung

Lesedauer 3 Minuten

In einem viel beachteten Fall entschied das Arbeitsgericht Aachen über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung eines langzeiterkrankten Mitarbeiters. Der Kläger war über nahezu zwei Jahre arbeitsunfähig.

Da eine ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen war, versuchte der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit. Das Gericht erklärte sie für unwirksam. (2 Ca 3550/21)

Im Verfahren ging es unter anderem um Fragen der außerordentlichen Kündigung, des betrieblichen Eingliederungsmanagements und der leidensgerechten Beschäftigung. Besonders widmete sich das Gericht der Bedeutung einer negativen Prognose eines Erkrankten.

Wie begründete der Gekündigte seine Klage?

Der gekündigte Arbeitnehmer machte im Verfahren mehrere Punkte geltend:

1. Es habe leidensgerechte Arbeitsplätze gegeben, auf denen er – trotz dauerhafter Einschränkungen – hätte weiterbeschäftigt werden können. Diese Alternativen seien vom Arbeitgeber nicht ernsthaft geprüft worden.

2. Das BEM sei nicht abgeschlossen worden. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass gerade dieses Verfahren hätte klären können, auf welchem Arbeitsplatz eine Weiterbeschäftigung möglich wäre. Der Abbruch beziehungsweise Nichtabschluss des BEM stelle daher einen Verstoß gegen die Pflicht dar, mildere Mittel auszuschöpfen.

3. Eine außerordentliche Kündigung sei unverhältnismäßig. Selbst wenn er seine ursprüngliche Tätigkeit nicht mehr ausüben könne, bedeute dies nicht automatisch, dass das gesamte Arbeitsverhältnis unzumutbar geworden sei.

4. Die tarifliche Unkündbarkeit dürfe nicht durch eine fristlose Kündigung unterlaufen werden. Diese sei nur in extremen Ausnahmefällen zulässig, die in seinem Fall nicht vorgelegen hätten.

Mit diesen Argumenten vertrat der Arbeitnehmer die Auffassung, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam sei – und fand damit beim Gericht Gehör. Die Richter stellten sich auf seine Seite und gaben ihm grundsätzlich recht.

Kündigung ist unverhältnismäßig und unwirksam

Die Richter betonten insbesondere die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit. Sie stellten fest: Die negative Prognose sei zwar zutreffend. Dennoch hätten leidensgerechte Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden.

Das BEM sei zwar begonnen, aber nicht abgeschlossen worden – ein gravierender Fehler, da potenzielle Alternativen hätten ermittelt werden können. Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung seien nicht erfüllt, da dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung – etwa auf Schonarbeitsplätzen – zumutbar gewesen wäre.

Rechtliche Einordnung: Krankheitsbedingte Kündigung

In diesem Fall kündigte der Arbeitgeber dem Betroffenen nach langer Krankheit. Eine solche krankheitsbedingte Kündigung setzt drei Bedingungen voraus:

1. Negative Gesundheitsprognose
2. Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung
3. Interessenabwägung und Prüfung aller milderen Mittel

In diesem Fall scheiterte der Arbeitgeber mit seiner Kündigung daran, dass Alternativen zur Weiterbeschäftigung existierten und das BEM nicht abgeschlossen war. Eine Eingliederung zu ignorieren, macht eine Kündigung des Arbeitgebers unwirksam.

Entscheidungsgründe

Negative Gesundheitsprognose: gegeben
Leidensgerechte Arbeitsplätze: vorhanden
BEM: nicht abgeschlossen
→ Kündigung unverhältnismäßig und unwirksam

FAQ zur krankheitsbedingten Kündigung

1. Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung zulässig?
Wenn negative Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Beeinträchtigung und fehlende Alternativen zusammenkommen.

2. Was ist eine negative Gesundheitsprognose?
Eine medizinische Einschätzung, dass der Arbeitnehmer langfristig nicht arbeitsfähig sein wird.

3. Welche Alternativen muss der Arbeitgeber prüfen?
Arbeitsplatzanpassungen, leidensgerechte Arbeitsplätze, stufenweise Wiedereingliederung, BEM.

4. Welche Rolle spielt das BEM?
Es soll Wege für eine Weiterbeschäftigung aufzeigen. Ein fehlendes oder unvollständiges BEM schwächt jede krankheitsbedingte Kündigung.

5. Muss der Arbeitgeber neue Jobs schaffen?
Nein – aber er muss prüfen, ob vorhandene Arbeitsplätze passen oder angepasst werden können.

6. Was passiert bei unwirksamer Kündigung?
Das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen, inklusive Anspruch auf Weiterbeschäftigung und gegebenenfalls Nachzahlung des Entgelts. In den meisten Fällen bietet der Arbeitgeber eine Abfindung an, weil das Klima zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber “vergiftet” ist.

Fazit: Was bedeutet das Urteil für Betroffene?

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen zeigt: Eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit ist nur zulässig, wenn wirklich alle alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind und das BEM ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Für Arbeitnehmer stärkt das Urteil die Rechtsposition bei längeren Erkrankungen. Arbeitgeber müssen hingegen sorgfältig dokumentieren, prüfen und nachweisen, dass es tatsächlich keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung gibt. Mildere Mittel haben Vorrang – und genau daran scheiterte die Kündigung in diesem Fall.

Der Arbeitgeber muss nun eine Abfindung zahlen.