Im Eilverfahren sind bei unzureichender Angemessenheitsprüfung durch das Jobcenter regelmäßig vorläufig höhere Mietkosten anzuordnen
Keine pauschale Begrenzung der Unterkunftskosten auf die frühere Miete, wenn das Jobcenter keine tragfähige Angemessenheitsprüfung vorgenommen hat und die neue Miete sich innerhalb der WoGG -basierten Grenzwerte bewegt.
RA Niklas Sander kommentiert einen Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 23.09.2025 – S 55 AS 99/25 ER . Das Gericht führt aus:
Werden vom Jobcenter unrealistische KdU-Werte festgesetzt und wird dies im Eilverfahren glaubhaft gemacht, können auch im Eilverfahren höhere Angemessenheitswerte nach dem WoGG berücksichtigt werden.
Die Berechnung hat dann systematisch in der Reihenfolge „Tabellenwert + Klimakomponente + 10 % Sicherheitszuschlag“ zu erfolgen.
Leitsätze von Rechtsanwalt Niklas Sander :
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist auf die um die sogenannte „Klimakomponente“ erhöhten Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetz der sogenannte „Sicherheitszuschlag“ von zehn Prozent zu berechnen.
Ein Umzug ohne vorherige Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II schließt eine vorläufige Übernahme angemessener, erhöhter KdU nicht grundsätzlich aus, sofern der neue Bedarf sich innerhalb der zumutbaren Angemessenheitsgrenzen bewegt.
Eine pauschale Begrenzung der Unterkunftskosten auf die frühere Miete ist nicht zulässig, wenn der Leistungsträger keine tragfähige Angemessenheitsprüfung vorgenommen hat und die neue Miete sich innerhalb der WoGG-basierten Grenzwerte bewegt.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sind bei unzureichender Angemessenheitsprüfung durch den Leistungsträger regelmäßig vorläufig höhere KdU-Leistungen anzuordnen, um eine existenzielle Notlage zu vermeiden.
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Bescheid prüfenAus dem Beschluss- Zitat:
“Die zugrunde zu legenden Werte des § 12 Wohngeldgesetz sind dabei zur Überzeugung des erkennenden Gerichtes unter Berücksichtigung der sogenannten „Klimakomponente“ des § 12 Abs. 7 WoGG zu bestimmen.
Dies folgt aus dem Wortlaut der gesetzlichen Norm, wonach diese Beträge bei der Bestimmung der entsprechenden Werte zu berücksichtigen sind. Zum anderen bedingen auch die gesetzgeberischen Motive bezüglich der Regelung des Wohngeldgesetzes eine Erhöhung der Tabellenwerte (vgl. hierzu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.01.2024 – L 32 AS 1179/23 B ER ).
Der mit der Gewährung von Wohngeld als Sozialleistung verfolgte Zweck ist ein anderer als derjenige der Leistungen nach dem SGB II. Die Heranziehung von Werten aus dem Wohngeldgesetz ist nur dann möglich, wenn keinerlei andere Grundlage für die Leistungen der angemessenen Unterkunftskosten erkennbar ist. Inwieweit dies im Bereich des Antragsgegners der Fall ist, bedarf durch das Gericht im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Wie bereits ausgeführt, ist der Antrag der Antragsteller ausdrücklich auf die Gewährung von Leistungen unter Zugrundelegung der Wohngeldtabellenwerte erhöht um die Klimakomponente gerichtet. Diese ist einzubeziehen.
Die Klimakomponente dient pauschal dem Ziel, aufgrund von flächendeckender Gebäudesanierungen in energetischer Hinsicht zu erwartenden Preissteigerungen entgegenzuwirken. Daher sollen diese Werte pauschal die Höchstbeträge der Tabelle zu § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz erhöhen (vgl. hierzu detailliert Sozialgericht Oldenburg, Urteil vom 20.06.2024 – S 37 AS 506/23 zitiert nach juris).
Dieser Gesichtspunkt gilt im Rahmen der Beschränkung der Leistungen nach dem SGB II ebenfalls. Die zu erwartende Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt aufgrund von Sanierungsaufwendungen wirkt sich auf sämtliche Gruppen von geringverdienenden Bürgern aus, Wohngeldbezieher wie auch Bürgergeldempfänger (ebenso SG Landshut, Beschluss vom 16.07.2024 – S 7 AS 166/24 ER; vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.02.2025 – L 18 AS 78/25 B ER, jeweils zitiert nach juris).
Diesen zutreffenden Überlegungen der Instanzgerichtsbarkeit schließt sich das erkennende Gericht an.”
Anmerkung von Detlef Brock
Eilrechtsschutz gegen die Begrenzung der Kosten der Unterkunft auf die Werte nach § 12 WoGG
Der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende trägt die objektive Beweislast dafür, dass die dem Leistungsberechtigten tatsächlich entstehenden Kosten für Unterkunft und Heizung nicht angemessen sind ( SG Landshut, Beschluss v. 16.07.2024 – S 7 AS 166/24 ER – ).
Bürgergeld: Eilverfahren gegen die Begrenzung der Kosten der Unterkunft auf die Werte nach § 12 WoGG