Erwerbsgeminderte Rentnerinnen und Rentner können künftig deutlich entspannter hinzuverdienen. Ab dem Jahr 2026 greifen höhere, zudem dynamisierte Hinzuverdienstgrenzen.
Ziel der Neuregelungen ist klar: Erwerbsarbeit soll sich für Menschen mit voller oder teilweiser Erwerbsminderung stärker lohnen, ohne dass die laufende Rente vorschnell gekürzt wird.
Volle Erwerbsminderung: 20.763,75 Euro pro Jahr anrechnungsfrei
Für Bezieherinnen und Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gilt ab 2026 ein anrechnungsfreier Jahres-Hinzuverdienst von 20.763,75 Euro. Hergeleitet wird die Schwelle aus dem 14-fachen der monatlichen Bezugsgröße und einem Faktor von 0,375.
Bei einer monatlichen Bezugsgröße von 3.955 Euro ergibt sich: 14 × 3.955 Euro × 0,375 = 20.763,75 Euro. Bis zu diesem Bruttojahresverdienst bleibt die volle EM-Rente ungekürzt.
Wesentlich ist der Jahresbezug: Maßgeblich ist nicht, wie sich das Einkommen über die Monate verteilt, sondern was im Kalenderjahr insgesamt zufließt.
Eine „monatliche Hinzuverdienstgrenze“, die man aus dem Jahresbetrag ableiten könnte, gibt es nicht. Das eröffnet Flexibilität, etwa für projektförmige Tätigkeiten, saisonale Einsätze oder schwankende Arbeitszeiten.
Teilweise Erwerbsminderung: Mindestens 41.527,50 Euro anrechnungsfrei
Noch großzügiger fällt die Mindestgrenze bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung aus. Hier liegt der anrechnungsfreie Jahres-Hinzuverdienst ab 2026 bei mindestens 41.527,50 Euro.
Die Berechnung folgt demselben Schema, jedoch mit dem Faktor 0,75: 14 × 3.955 Euro × 0,75 = 41.527,50 Euro. Dieser Betrag bezieht sich auf den Bruttojahresverdienst.
Für viele Betroffene, die trotz teilweiser Erwerbsminderung in nennenswertem Umfang erwerbstätig sind, ist das ein spürbarer Spielraum. Er honoriert die oft bestehende Restleistungsfähigkeit und erleichtert das Halten eines Arbeitsplatzes – ohne sofortige rentenrechtliche Abzüge.
Individuelle Grenzen können deutlich höher liegen
Über die Mindestschwellen hinaus sind im Einzelfall höhere Hinzuverdienstgrenzen möglich. Maßgeblich sind dann insbesondere die in den letzten Jahren vor Rentenbeginn erworbenen Entgeltpunkte. Bei einem im Beispiel angenommenen Durchschnitt von 1,5 Entgeltpunkten in den 15 Jahren vor Rentenbeginn kann sich die individuelle Grenze für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf rund 57.676 Euro erhöhen.
Das zeigt, wie stark die persönliche Versicherungsbiografie die zulässige Hinzuverdienstspanne beeinflussen kann.
Wer seine eigenen Entgeltpunkte und deren Wirkung auf die individuelle Grenze einschätzen möchte, sollte die Renteninformationen und Versicherungsverläufe zur Hand nehmen oder eine qualifizierte Beratung nutzen. Die gesetzlichen Mindestgrenzen bieten Orientierung – die konkret zulässige Grenze kann aber darüber liegen.
Jahresgrenzen statt Monatsgrenzen: Was das praktisch bedeutet
Die Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a SGB VI sind Jahresgrenzen. Dieser Grundsatz ist für die Praxis entscheidend. Er bedeutet, dass eine Verteilung des Hinzuverdienstes über das Jahr frei gestaltet werden kann, solange der Jahresgesamtbetrag die zulässige Grenze nicht überschreitet. Ein „Monatsbudget“ existiert nicht.
Besonders relevant wird das beim Rentenbeginn unterjährig. Beginnt eine volle EM-Rente etwa am 1. Oktober 2025, kann der für 2025 geltende Jahres-Hinzuverdienst noch bis zum 31. Dezember 2025 vollständig ausgeschöpft werden.
Ab dem 1. Januar 2026 gilt dann die neue, höhere Jahresgrenze. Ein gestaffelter Jahreswechsel mit zwei getrennten Jahreskontingenten ist die Folge. Für Betroffene empfiehlt sich daher eine vorausschauende Planung der Erwerbstätigkeit im vierten Quartal und zum Jahreswechsel.
Automatische Anpassung mit der Lohnentwicklung
Die Ausgestaltung als dynamische Grenze verleiht dem System Stabilität und Fairness. Steigt die Bezugsgröße zum 1. Januar, steigen die Hinzuverdienstgrenzen automatisch nach.
Es braucht keine gesonderten Anträge, Beschlüsse oder Mitteilungen, um in den Genuss der höheren Schwelle zu kommen. Das schützt den realen Wert der anrechnungsfreien Beträge und verhindert, dass sie durch allgemeine Einkommensentwicklungen entwertet werden.
Für die Praxis bedeutet das: Wer seine Erwerbstätigkeit im Rahmen der geltenden Regeln organisiert, kann davon ausgehen, dass sich der zulässige Spielraum regelmäßig nach oben bewegt – immer vorausgesetzt, die Bezugsgröße steigt tatsächlich.
Auswirkungen für Beschäftigte, Arbeitgeber und Familien
Für erwerbsgeminderte Beschäftigte schafft die Anhebung Planungssicherheit und erkennbar mehr Luft, um am Arbeitsleben teilzuhaben. Viele, die bislang mit Blick auf mögliche Rentenkürzungen zögerten, können künftig zusätzliche Stunden übernehmen, befristete Projekte annehmen oder saisonal eingespannt werden, ohne sofort gegen Grenzen zu stoßen. Das betrifft nicht nur die finanzielle Seite, sondern auch soziale Teilhabe, berufliche Perspektiven und Stabilität im Lebensalltag.
Was Betroffene beachten sollten
Trotz aller Erleichterungen bleibt die korrekte Einordnung des Hinzuverdienstes entscheidend. Maßgeblich ist der Bruttojahresverdienst. Die Grenzen betreffen die Frage, ob und in welchem Umfang die Rente gekürzt würde – sie ersetzen keine steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Regeln, die für das jeweilige Beschäftigungsverhältnis separat gelten.
Wer nahe an die Grenze heranreicht oder von schwankenden Einkommen betroffen ist, sollte seine Einkünfte sorgfältig dokumentieren und die Entwicklung über das Kalenderjahr im Blick behalten.
Für Bezieherinnen und Bezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung lohnt sich zudem die Prüfung, ob die individuelle Grenze über der Mindestgrenze liegt. Die eigene Entgeltpunktzahl der maßgeblichen Jahre kann hier den Ausschlag geben.
Fazit: Mehr Spielraum, weniger Kürzungsrisiko
Ab 2026 verbessern sich die Perspektiven für erwerbsgeminderte Rentnerinnen und Rentner spürbar. Für die volle EM-Rente bleibt ein Jahres-Hinzuverdienst von 20.763,75 Euro anrechnungsfrei; bei teilweiser Erwerbsminderung liegt die Mindestgrenze bei 41.527,50 Euro, mit der Möglichkeit deutlich höherer individueller Grenzen.
Weil die Werte an die Bezugsgröße gekoppelt sind, steigen sie automatisch mit – ein Plus an Verlässlichkeit und Gerechtigkeit.
Wer erwerbstätig bleiben kann und möchte, gewinnt damit mehr finanziellen und organisatorischen Spielraum, ohne die Sicherheit der Rente zu riskieren.




