Rente 2026: Das kann auf Rentner und Neurentner jetzt zukommen

Lesedauer 4 Minuten

Die Frage, ob bereits 2026 eine umfassende Rentenreform kommt, bewegt viele, die kurz vor dem Ruhestand stehen oder ihren รœbergang planen.

Ein jรผngst diskutiertes Papier von ร–konominnen und ร–konomen โ€“ in den Medien unter der Schlagzeile โ€žReiches Berater haben neue Rentenideenโ€œ aufgegriffen โ€“ bรผndelt sechs Vorschlรคge, die tief in die Mechanik der gesetzlichen Rente eingreifen wรผrden.

Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt ordnet die Vorschlรคge ein und benennt die mรถglichen Folgen. Dieser Beitrag fasst die Inhalte strukturiert zusammen, erlรคutert Hintergrรผnde und skizziert, worum es in der politischen Debatte 2025/2026 tatsรคchlich geht.

Demografischer Druck

Die Ausgangslage ist bekannt: Es zahlen weniger Erwerbstรคtige Beitrรคge ein, wรคhrend die Zahl der Rentnerinnen und Rentner steigt und die Menschen im Schnitt รคlter werden. Politik und Fachwelt suchen nach Wegen, Kaufkraft und Verlรคsslichkeit der Renten zu sichern, ohne die Beitragssรคtze ausufern zu lassen.

In diesem Konfliktfeld bewegen sich die sechs Vorschlรคge des Beraterkreises โ€“ teils technisch, teils hochproblematisch, stets mit spรผrbaren Verteilungswirkungen.

Vorschlag 1: Automatische Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung

Die Idee klingt nach nรผchterner Systematik: Steigt die Lebenserwartung, erhรถht sich automatisch das Renteneintrittsalter. Befรผrworter sehen darin einen Weg, die immer wieder aufflammende politische Auseinandersetzung รผber Anhebungen zu entpolitisieren.

Dagegen steht der Einwand, dass Lebenslรคufe und Belastungen hรถchst unterschiedlich sind. Wer jahrzehntelang kรถrperlich schwer gearbeitet hat โ€“ etwa auf dem Bau, in der Pflege, in Kitas oder im Schichtdienst โ€“ trifft ein pauschaler Automatismus hรคrter als Beschรคftigte mit รผberwiegend sitzender Tรคtigkeit.

Der Experte lehnt eine starre Kopplung ab und plรคdiert stattdessen “fรผr mehr Flexibilitรคt, die individuelle Erwerbsbiografien, Tรคtigkeitsprofile und gesundheitliche Lagen sichtbar macht.”

Vorschlag 2: Rentenanpassungen an die Inflation statt an die Lรถhne

Heute folgt die Rentenanpassung im Kern der Lohnentwicklung. Der Beraterkreis schlรคgt vor, kรผnftig die Inflation zum LeitmaรŸ zu machen. Das wรผrde die Kaufkraft stabilisieren, aber Rentnerinnen und Rentner von allgemeinen Wohlstandsgewinnen durch steigende Lรถhne entkoppeln.

Aus Sicht von Anhalt kรคme dies einer โ€žRentenverkรผrzung durch die Hintertรผrโ€œ gleich. Auch politรถkonomisch ist der Punkt sensibel: Inflationsorientierung wirkt in Phasen schwacher Lohnzuwรคchse schรผtzend, deckelt aber in Phasen breiter Lohnanstiege die Teilhabe am Wachstum.

Vorschlag 3: Neuer MaรŸstab fรผr den โ€žStandardrentnerโ€œ

Das Rentenniveau wird unter anderem am fiktiven โ€žStandardrentnerโ€œ gemessen: 45 Jahre Beitrรคge auf Durchschnittsverdienst. Kรผnftig soll sich die BezugsgrรถรŸe an 47 Versicherungsjahren orientieren, weil das gesetzliche Rentenalter auf 67 ansteigt.

Der Effekt wรคre mehr als kosmetisch. Hebt man nรคmlich die Messlatte an, sinkt โ€“ bei gegebenen Leistungen โ€“ rechnerisch das ausgewiesene Rentenniveau. Anhalt interpretiert das “als statistischen Mechanismus, der die reale Rentenentwicklung drรผckt, ohne echte Leistungsverbesserungen zu bewirken”.

Vorschlag 4: Rรผckkehr und Stรคrkung des Nachhaltigkeitsfaktors

Der Nachhaltigkeitsfaktor ist Bestandteil der Rentenformel und dรคmpft Rentensteigerungen, wenn das Verhรคltnis von Beitragszahlenden zu Rentenbeziehenden ungรผnstiger wird. Er war zeitweise politisch abgefedert, um das Sicherungsniveau zu stabilisieren.

Die Fachรถkonominnen und -รถkonomen wollen ihn nicht nur reaktivieren, sondern stรคrker gewichten. Technisch ist das konsistent mit demografischen Trends. In der Praxis bedeutet es jedoch, dass Rentenanpassungen hรคufiger hinter der Lohn- und Preisentwicklung zurรผckbleiben.

Der Sozialrechtsexperte wendet sich dagegen mit dem Argument, “heutige Rentnerinnen und Rentner dรผrften strukturelle demografische Lasten nicht einseitig tragen; vielmehr mรผsse das Sicherungsniveau perspektivisch steigen, zumal im Beitrag von einer durchschnittlichen Monatsrente โ€žum 1.000 Euroโ€œ die Rede ist.”

Vorschlag 5: Eingriffe bei Mรผtterrente und โ€žRente mit 63โ€œ

Besonders konflikttrรคchtig sind รœberlegungen, politisch beschlossene Leistungsverbesserungen zu streichen oder nicht auszuweiten. Genannt werden die Anhebung der Kindererziehungszeiten fรผr vor 1992 geborene Kinder auf drei Entgeltpunkte (โ€žMรผtterrenteโ€œ) sowie die in der รถffentlichen Debatte oft verkรผrzt als โ€žRente mit 63โ€œ bezeichneten vorgezogenen Altersrenten.

Unklar bleibt, ob der Vorschlag die abschlagsfreie Altersrente fรผr besonders langjรคhrig Versicherte, die abschlagsbehaftete Altersrente fรผr langjรคhrig Versicherte oder generell vorzeitige Zugรคnge betrifft.

Fรผr viele, die ihren Ruhestand mit Abschlรคgen bewusst vorziehen wollen oder auf die Langjรคhrig-Variante hinarbeiten, wรคre eine Einschrรคnkung ein tiefer Eingriff in Lebensplanung.

Anhalt positioniert sich klar dagegen und verweist “auf bereits bestehende Abschlรคge sowie die Bedeutung verlรคsslicher Regeln”.

Vorschlag 6: Verpflichtende private Vorsorge รผber ein Anlagekonto

Als sechstes Element sieht das Papier einen obligatorischen privaten Baustein vor, etwa รผber ein staatlich reguliertes Vorsorgekonto mit Anlage in Aktien und Anleihen. Das soll die kapitalgedeckte Sรคule stรคrken und langfristig entlasten.

Die soziale Fallhรถhe liegt in der Frage der Zumutbarkeit: Haushalte mit niedrigen Nettoeinkommen kรถnnen zusรคtzliche Sparbeitrรคge oft nicht schultern. Zudem stellt sich die Kostenfrage โ€“ wer profitiert von Produktgebรผhren stรคrker, Versicherte oder Anbieter?

Nach den Erfahrungen mit bisherigen Fรถrdermodellen mahnt Dr. Anhalt an, dass “die gesetzliche Rente nicht รผber ein verpflichtendes Privatprodukt kompensiert werden dรผrfe, das viele faktisch รผberfordert.”

Was in der Debatte fehlt: Erwerbstรคtigenversicherung und รœbergรคnge

รœber das Systemische sagt das Beraterpapier wenig. Der Experte bringt hier zwei Linien ein.

Erstens die Idee einer Erwerbstรคtigenversicherung, in die perspektivisch alle Berufsgruppen einzahlen โ€“ einschlieรŸlich Beamtinnen und Beamten sowie freier Professionen mit eigenen Versorgungswerken.

Zweitens differenzierte รœbergรคnge in den Ruhestand, die Belastungen, Berufe und Gesundheit stรคrker abbilden. Schon heute gibt es die Altersrente fรผr schwerbehinderte Menschen; denkbar wรคren weiterentwickelte Kriterien, die lange und kรถrperlich beanspruchende Erwerbsbiografien frรผheren Zugang ermรถglichen, ohne Automatismen auf alle zu รผbertragen.

Bewertung

Ob 2026 tatsรคchlich eine โ€žgroรŸeโ€œ Reform kommt, entscheidet die Politik im Spannungsfeld aus Finanzierbarkeit, Demografie und sozialer Balance. Die diskutierten Vorschlรคge zeigen eine klare StoรŸrichtung: automatische Stabilisatoren, gedรคmpfte Dynamik und stรคrkere private Vorsorge. In der Summe wรผrde das System planbarer, aber fรผr viele auch strenger und potenziell karger.

Fazit: Reform ja โ€“ aber mit AugenmaรŸ

Die Rente muss stabil und verlรคsslich bleiben, ohne Jรผngere zu รผberfordern. Automatikregeln kรถnnen helfen, dรผrfen aber nicht die Vielfalt von Erwerbsbiografien ignorieren.

Rentenanpassungen, die Kaufkraft sichern, sollten die Teilhabe am allgemeinen Wohlstand nicht dauerhaft kappen. Statistische Neudefinitionen ersetzen keine materiellen Verbesserungen.

Kapitalgedeckte Elemente kรถnnen ergรคnzen, sollten aber niemanden finanziell ausgrenzen und mรผssen effizient organisiert sein. Vor allem braucht es Transparenz, Verlรคsslichkeit und soziale Gerechtigkeit โ€“ damit die Reform von 2026, falls sie kommt, nicht nur rechnet, sondern trรคgt.