Auch wer die Voraussetzungen fรผr eine Erwerbsminderungsrente erfรผllt verliert diesen Anspruch, wenn er die fรผr einen Hinzuverdienst gesetzte Grenze รผberschreitet. Viele Betroffene haben mit dieser Regelung kein Problem. Als angestellt Erwerbsbeschรคftigte werden sie die inzwischen recht hohen Grenzen des Hinzuverdienstes bei Teilzeitarbeit kaum รผberschreiten.
Anders sieht es bei Selbststรคndigen dann aus, wenn der Unternehmensgewinn bei der Einkommenssteuer dem Betroffenen zugerechnet wird โ unabhรคngig davon, ob der Erwerbsgeminderte รผberhaupt Arbeitsstunden geleistet hat. Hier entschied das Landessozialgericht Hessen, dass dem Betreiber einer Bรคckerei keine Rente zustand. (Az: L 2 R 70/16)
Keine Rente trotz voller Erwerbsminderung
Der Betroffene hatte laut Rentenversicherung Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Juni 2009. Trotzdem stehe ihm diese Rente nicht zu, da er die individuellen Hinzuverdientsgrenzen รผberschritten habe. Deshalb werde die Rente nicht ausgezahlt.
Widerspruch bleibt erfolglos
Der Erwerbsgeminderte legte Widerspruch bei der Rentenversicherung ein. Er argumentierte, er kรถnne seit mehreren Jahren aus gesundheitlichen Grรผnden nicht mehr richtig nachgehen, sondern maximal 45 Minuten pro Tag arbeiten. Der Gewinn der gewerblichen Tรคtigkeit sei nicht mit seiner Arbeitskraft erwirtschaftet.
Die Einkรผnfte seines Gewerbebetriebs seien seiner Frau und seinen Kindern zuzuschreiben. Sein Sohn habe als gelernter Bรคcker die Bรคckerei im Nebenberuf รผbernommen, wรคhrend seine Tochter ebenfalls im Nebenberuf zusammen mit seiner Frau die Waren verkaufe.
Die Rentenversicherung weis den Widerspruch zurรผck. Fรผr das Arbeitseinkommen sei der ermittelte Gewinn aus einer selbststรคndigen Tรคtigkeit maรgeblich. Unerheblich sei,, ob diese Tรคtigkeit tatsรคchlich ausgeรผbt werde.
Es reiche aus, dass die Einkommenssteuer die Einkรผnfte als Einkรผnfte aus dem Gewerbebetrieb bewerte. Deshalb bestehe wegen des รberschreitens sรคmtlicher Grenzen des Hinzuverdienstes keine zahlbarer Rentenanspruch.
Klage vor dem Sozialgericht
Der Bรคcker klagte vor dem Sozialgericht Darmstadt, um seinen Anspruch durchzusetzen und legte dafรผr Steuerbescheide von 2008 bis 2010 vor. Das Sozialgericht lehnte die Klage ab und verwies auf ein Urteil des Bundessozialgerichts.
Diesem zufolge seien Einnahmen aus selbstรคndiger Tรคtigkeit dann als anrechenbarer Hinzuverdienst bei der Gewรคhrung einer Rente wegen Erwerbsunfรคhigkeit zu bewerten, wenn diese steuerrechtlich als Einkรผnfte aus selbstรคndiger Tรคtigkeit behandelt worden seien. Bis 2012 sei das bei ihm der Fall gewesen.
Zum 30. Juni 2012 meldete der Betroffene sein Gewerbe ab, und die Rentenversicherung gewรคhrte ihm ab 1. Juli 2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Berufung vor dem Landessozialgericht
Der Betroffene forderte nach wie vor die Auszahlung der Rente fรผr die Zeit vor der Gewerbeabmeldung und legte vor dem Landessozialgericht Hessen Berufung ein. Seine Argumente blieben im groรen und ganzen die gleichen wie zuvor.
Die tatsรคchliche Tรคtigkeit ist nicht entscheidend
Das Landessozialgericht stรผtzte das Urteil der vorherigen Instanz und teilte den Standpunkt der Rentenversicherung. Maรgeblich fรผr eine Kรผrzen oder Streichen der Auszahlung einer Erwerbsminderungsrente sei die Hรถhe, in der der Zuverdienst รผberschritten werde.
Er habe in den entsprechenden Jahren den monatlichen Zuverdienst jeweils in einem Ausmaร รผberschritten, der zum vollen Verlust der Rente gefรผhrt hรคtte.
Die Einkรผnfte lieรen sich steuerrechtlich weder der Ehefrau noch den helfenden Familienmitgliedern zuordnen, sondern in der Einkommenssteuer wรคre der Gewinn ihm angerechnet worden. Dabei sei nicht entscheidend, ob er die selbststรคndige Tรคtigkeit auch tatsรคchlich ausgeรผbt hรคtte.
Klรคger war hauptverantwortlich fรผr den Betrieb
Nur der Erwerbsgeminderte kรคme als Unternehmer in Betracht. Denn weder die Ehefrau noch der Sohn oder die Tochter seien am Gewinn beteiligt gewesen noch hรคtten sie unternehmerische Entscheidungsbefugnisse gehabt. Der Klรคger sie hauptverantwortlich fรผr den von ihm angemeldeten Handwerksbetrieb gewesen. Die Einkommenssteuer hรคtte ihm von 2009 bis 2012 das in der Bรคckerei erwirtschaftete Einkommen zugerechnet.