Schwerbehinderung: Neue Rechtsprechung zu mittelbaren und unmittelbaren Hilfsmitteln

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Schwerbehinderung: Mittelbare und unmittelbare Hilfsmittel
Welche Leistungen die Krankenkassen fรผr ein Hilfsmittel bei einer Behinderung รผbernehmen, hรคngt davon ab, ob es sich um eine unmittelbares oder ein mittelbares Hilfsmittel handelt. Was ist der Unterschied, und wir wirkt sich dieser auf die Leistungen aus?

Was sind unmittelbare Hilfsmittel?

Unmittelbare Hilfsmittel gleichen die Stรถrung oder den Verlust einer Kรถrperfunktion direkt aus. Dazu zรคhlen zum Beispiel Prothesen, die fehlende GliedmaรŸen ersetzen ebenso wie Hรถrgerรคte, Brillen oder Kontaktlinsen, die Stรถrungen des Hรถr- und Sehsinns ausgleichen. Genau so gehรถren dazu orthopรคdische Schuhe oder Rollstรผhle, und ebenso Trink- oder Esshilfen (bei Menschen, die ohne diese nicht essen oder trinken kรถnnen). Hier geht es also darum, die Einschrรคnkungen unmittelbar auszugleichen.

Es geht um den vollen Ausgleich der beeintrรคchtigten Funktion

Das Bundessozialgericht stellte klar: Ein unmittelbarer Behinderungsausgleich ist grundsรคtzlich auf den vollen Ausgleich der beeintrรคchtigten Funktion ausgerichtet. (B 3 KR 7/19 R)

So entschied diese oberste Instanz des Sozialgerichte bereits vier Jahre zuvor: โ€žEine Fingerendgliedprothese, die keine (wesentlichen) Gebrauchsvorteile bietet, keine Teilhabebeeintrรคchtigung ausgleicht, und deren Vorteile sich letztlich auf einen besseren Komfort und eine bessere Optik beschrรคnken, fรคllt auch dann nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn damit unmittelbar ein fehlendes Kรถrperteil ersetzt wird.โ€œ (B 3 KR 14/14 R).

Was รผbernimmt hier die Krankenkasse?

Bei unmittelbaren Hilfsmitteln รผbernimmt die Krankenkasse die Kosten. Grundlage ist es, das Funktionsdefizit zu beseitigen. Zwar gelten auch hier die Grundsรคtze der Wirtschaftlichkeit, doch zรคhlt hier in der Regel keine Kostengrenze โ€“ bis das Funktionsdefizit ausgeglichen ist- um die Versorgung auf dem neuesten Stand der Medizin und Technik zu gewรคhrleisten.

Mittelbare Hilfsmittel

Mittelbare Hilfsmittel gleichen die Einschrรคnkung nicht direkt aus. Sie dienen jedoch dazu, die Auswirkungen der Beeintrรคchtigung auf das alltรคgliche Leben zu mildern und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermรถglichen.

Treppenlifte und Duschhocker

Das Spektrum dieser Produkte ist groรŸ, es reicht von Hilfen zur Mobilitรคt wie Rollatoren oder Handbikes bis zu Hilfen bei der Kรถrperpflege wie zum Beispiel Duschhocker und Badewannenlifter รผber spezielle digitale Angebote fรผr Menschen mit Seh- oder Hรถrstรถrung. Hilfsmittel fรผr die Nahrungsaufnahme gehรถren ebenfalls dazu, wenn die Betroffenen ohne diese Hilfsmittel benachteiligt wรผrden.

Mehr Selbststรคndigkeit und Selbstbestimmung

Mittelbare Hilfsmittel gleichen also nicht unmittelbar die Behinderung aus, sondern sollen den betroffenen ein hรถheres MaรŸ an Selbststรคndigkeit und Selbstbestimmung verschaffen und somit ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern.

Wann bezahlt die Krankenkasse mittelbare Hilfsmittel

Im Unterschied zu unmittelbaren Hilfsmitteln bezahlt die Krankenkasse mittelbare Hilfsmittel nicht grundsรคtzlich. Die Gesetzliche Krankenversicherung รผbernimmt ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich nur unter bestimmten Umstรคnden.

Das Produkt muss die Auswirkungen der Behinderungen im gesamten tรคglichen Leben beseitigen oder mildern und damit ein allgemeines Grundbedรผrfnis des tรคglichen Lebens betreffen. Dafรผr muss es auรŸerdem ebenso erforderlich wie zweckmรครŸig sein. So definiert es der Paragraf 33 Absatz 1 im Sozialgesetzbuch V und auch der Paragraf 47 im Sozialgesetzbuch IX.

Oft entscheiden die Sozialgerichte

Ob ein mittelbares Hilfsmittel diesen Kriterien entspricht, entscheiden immer wieder erst die Sozialgerichte. So verweigerte es die Krankenkasse, eine GPS-Uhr mit Alarmfunktion als mittelbares Hilfsmittel zum Ausgleich einer geistigen Behinderung zu รผbernehmen.

Das Bundessozialgericht entschied hier gegen die Krankenkasse und verpflichtete diese, die Kosten zu รผbernehmen. Ausdrรผcklich ging es dabei um den konkreten Einzelfall. (B 3 KR 15/19 R)