Schwerbehinderung: GdB-Neufeststellung bringt Steuervorteil – auch rückwirkend

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Viele Menschen mit Schwerbehinderung wissen nicht, dass eine Änderung des Grades der Behinderung (GdB) im Laufe eines Kalenderjahres steuerlich eine weitreichende Bedeutung hat. Wird der GdB beispielsweise von 50 auf 60 angehoben, dann kann der höhere Behinderten-Pauschbetrag nicht nur ab dem Zeitpunkt der Änderung genutzt werden, sondern für das gesamte Steuerjahr rückwirkend.

Dieser Effekt führt häufig zu einer spürbaren Entlastung – und wirft zugleich Fragen zur Gerechtigkeit und Transparenz auf.

Was bedeutet die Neufeststellung des GdB?

Der Grad der Behinderung wird durch die Versorgungsämter oder entsprechende Behörden festgestellt. Er orientiert sich an den gesundheitlichen Einschränkungen einer Person und wird in Zehnerschritten angegeben. Ab einem GdB von 50 liegt rechtlich eine Schwerbehinderung vor. Änderungen erfolgen, wenn sich die gesundheitliche Situation verschlechtert oder eine Neuantragstellung erfolgt.

Wird der GdB im laufenden Jahr erhöht – etwa von 50 auf 60 –, dann stellt die Behörde einen neuen Bescheid aus. Dieser Bescheid ist entscheidend für viele Bereiche: Nachteilsausgleiche, Merkzeichen, Kündigungsschutz im Arbeitsrecht – und eben auch für steuerliche Vergünstigungen.

Steuerrecht: Pauschbeträge für das gesamte Jahr

Menschen mit Behinderung können in der Steuererklärung einen Pauschbetrag geltend machen, der von der Höhe des GdB abhängt. Dieser Pauschbetrag ersetzt die Notwendigkeit, jede einzelne behinderungsbedingte Ausgabe nachweisen zu müssen.

Die Beträge liegen – je nach GdB – zwischen 384 Euro (GdB 20) und 2.840 Euro (GdB 100). Zusätzlich können in bestimmten Fällen weitere Freibeträge angesetzt werden, etwa für Pflegepersonen.

Das zentrale Detail: Erhöht sich der GdB im Laufe eines Jahres, gilt automatisch der höhere Pauschbetrag für das gesamte Kalenderjahr. Mit anderen Worten: Wer im Juli 2025 eine Erhöhung von 50 auf 60 erhält, profitiert bereits ab dem 1. Januar 2025 vom höheren Pauschbetrag. Diese steuerliche Rückwirkung ist ausdrücklich gesetzlich vorgesehen.

Rückwirkung auch für vergangene Jahre möglich

Besonders interessant ist die Frage, ob eine Neufeststellung auch in früheren Steuerjahren berücksichtigt werden kann. Hier kommt es auf den Bescheid an: Wird ein GdB rückwirkend festgestellt – etwa ab 2023 –, dann darf auch der höhere Pauschbetrag für dieses Jahr in Anspruch genommen werden.

Allerdings sind die Fristen zu beachten: Steuerbescheide können in der Regel bis zu vier Jahre rückwirkend geändert werden. Liegt bereits ein bestandskräftiger Bescheid vor, ist ein Änderungsantrag notwendig. Betroffene sollten hier genau prüfen, ob sich ein Einspruch oder eine sogenannte „schlichte Änderung“ lohnt.

Vorteile für Betroffene – aber auch komplizierte Verfahren

Für Menschen mit Behinderung ergibt sich aus dieser Regelung ein klarer Vorteil: Der erhöhte GdB wirkt sich steuerlich stärker aus, als viele Betroffene vermuten. Selbst wenn die Feststellung erst am Jahresende erfolgt, können die Steuerersparnisse für das gesamte Jahr geltend gemacht werden.

Gleichzeitig ist die Praxis nicht unproblematisch. Viele Betroffene wissen nichts von dieser Möglichkeit. Finanzämter weisen nicht automatisch auf den rückwirkenden Vorteil hin. Wer seinen Bescheid nicht prüft, verschenkt schnell mehrere Hundert Euro.

Sozialverbände kritisieren daher seit Jahren, dass das System zu intransparent ist. Gerade Menschen mit Behinderung, die ohnehin mit bürokratischen Hürden kämpfen, müssen sich durch ein kompliziertes Antragsverfahren arbeiten, um ihr Recht einzufordern.

Konkretes Beispiel: Von GdB 50 auf 60

Nehmen wir den Fall einer Arbeitnehmerin, die im Mai 2025 von 50 auf 60 hochgestuft wird. Für GdB 50 beträgt der Pauschbetrag 1.140 Euro, für GdB 60 dagegen 1.440 Euro. Der Unterschied liegt bei 300 Euro. Obwohl die Erhöhung erst im Mai erfolgt, kann die Arbeitnehmerin für die Steuererklärung 2025 bereits den höheren Betrag von 1.440 Euro geltend machen. Dieser Freibetrag reduziert das zu versteuernde Einkommen, was je nach Steuersatz eine Steuerersparnis von rund 100 bis 150 Euro bedeutet.

Noch deutlicher wird der Effekt, wenn eine Erhöhung in einen höheren GdB-Bereich fällt – etwa von 70 auf 90. Hier steigt der Pauschbetrag um 600 Euro, die Steuerersparnis kann mehrere Hundert Euro betragen.

Kritische Bewertung: Fair oder ungleich?

Auf den ersten Blick scheint die Regelung sehr vorteilhaft für Betroffene zu sein. Doch es gibt auch kritische Stimmen: Warum sollte eine Person, deren Behinderung erst im Dezember festgestellt wird, für das gesamte Jahr denselben Vorteil genießen wie jemand, der bereits seit Januar mit Einschränkungen lebt?

Der Gesetzgeber rechtfertigt diese Regelung mit dem Argument der Verwaltungsvereinfachung: Ein unterjähriger Wechsel würde zu komplizierten Berechnungen führen. Stattdessen gilt das Prinzip „alles oder nichts“ für das jeweilige Jahr. Aus Sicht der Betroffenen ist diese Praxis natürlich positiv – sie gleicht zum Teil auch die langen Wartezeiten bei den Versorgungsämtern aus, die oft Monate brauchen, um Anträge zu bearbeiten.

Was Betroffene jetzt tun sollten

  1. Bescheid prüfen: Achten Sie darauf, ob der GdB im laufenden Jahr geändert wurde und ab wann der Bescheid gilt.
  2. Steuererklärung anpassen: Geben Sie in der Anlage „außergewöhnliche Belastungen“ immer den höchsten Pauschbetrag des Jahres an.
  3. Fristen beachten: Wenn ein Steuerbescheid bereits ergangen ist, stellen Sie einen Änderungsantrag. Möglich ist das meist bis zu vier Jahre rückwirkend.
  4. Unterstützung suchen: Steuerberatungsstellen oder Sozialverbände können helfen, die richtigen Anträge zu formulieren.

Fazit

Die rückwirkende Anwendung des höheren Pauschbetrags bei einer Neufeststellung des GdB ist ein wichtiger, aber wenig bekannter Vorteil für Menschen mit Behinderung. Wer im Laufe eines Jahres eine Höherstufung erhält, kann für das gesamte Jahr profitieren – selbst dann, wenn die Entscheidung erst spät im Jahr fällt.

Für Betroffene bedeutet dies bares Geld. Gleichzeitig zeigt der Vorgang aber auch, wie komplex und bürokratisch das System ist. Nur wer sich aktiv informiert und fristgerecht Anträge stellt, kann den vollen Vorteil nutzen. Transparenter wäre es, wenn Finanzämter von sich aus die höheren Pauschbeträge automatisch berücksichtigen würden. Bis dahin bleibt es an den Betroffenen, ihre Rechte einzufordern – und das Steuerrecht genau im Blick zu behalten.

 

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