Wer Bürgergeld bezieht, lebt am gesetzlichen Existenzminimum. Diese Sozialleistung deckt nur das Nötigste für den Lebensunterhalt ab – mehr nicht. Gerät jemand in dieser Lage in Konflikt mit dem Strafrecht, kann eine Geldstrafe schnell existenzbedrohend wirken. Gerichte müssen deshalb abwägen: Strafe ja, aber ohne das Existenzminimum zu gefährden.
Wie Geldstrafen in Deutschland berechnet werden
Geldstrafen richten sich nach dem System der Tagessätze. Dabei ist zweierlei entscheidend:
- Die Anzahl der Tagessätze ergibt sich aus der Schwere der Tat.
- Die Höhe eines Tagessatzes hängt von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab.
Nach § 40 Strafgesetzbuch (StGB) darf ein Tagessatz mindestens 1 Euro und höchstens 30.000 Euro betragen. Damit soll sichergestellt werden, dass Strafen sowohl bei Wohlhabenden als auch bei Menschen mit geringen Mitteln wirksam und verhältnismäßig sind.
Fall aus Nürnberg: Steuerhinterziehung trotz Bürgergeld
Ein aufsehenerregendes Beispiel entschied 2024 das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 12 Kls 505 Js 503/22). Ein Mann, der Bürgergeld erhielt, hatte im großen Stil Steuern hinterzogen. Er verschob über PayPal-Konten und Freunde im Ausland rund zwei Millionen Euro und schuldete dem Finanzamt am Ende 732.925 Euro. Selbst die Pfändung seines geleasten Lamborghini reichte nicht, um die Summe auszugleichen.
Das Gericht verurteilte ihn wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Zusätzlich musste er 732.925 Euro in Raten von 100 Euro monatlich zurückzahlen und erhielt eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je fünf Euro.
Warum die Richter nur fünf Euro pro Tagessatz ansetzten
Die Richter begründeten die niedrige Höhe mit dem geringen Einkommen des Angeklagten. Bei Beziehern kleinerer Einkommen könne eine zu hohe Geldstrafe „eine erhebliche entsozialisierende Wirkung“ haben, weil laufende Belastungen nicht mehr bedient werden könnten.
Das Gericht setzte dabei zwei Signale:
Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.
Bescheid prüfen- Mit 360 Tagessätzen wurde das gesetzliche Maximum ausgeschöpft.
- Mit fünf Euro pro Tagessatz lag die Höhe sehr niedrig – aber noch über der gesetzlichen Mindestgrenze von einem Euro.
Bayerische Schutzschranke: 75 Prozent bleiben unantastbar
Besonders prägend ist ein Beschluss des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 06.11.2023 (Az. 204 StRR 470/23). Danach müssen Bürgergeld-Bezieher mindestens 75 Prozent ihres Regelsatzes behalten dürfen. Nur der verbleibende Anteil darf für die Berechnung eines Tagessatzes herangezogen werden.
Im Fall des Regelsatzes von 563 Euro bedeutet das:
- 422 Euro bleiben geschützt.
- 141 Euro können angerechnet werden.
- Geteilt durch 30 Tage ergibt das 4,70 Euro, aufgerundet fünf Euro.
Genau dieses Rechenmodell führte auch im Nürnberger Verfahren zur Festsetzung der fünf Euro. Zusätzlich gewährte das Gericht eine Zahlungserleichterung nach § 42 StGB: Der Angeklagte sollte monatlich nur 100 Euro zahlen, also weniger als die rechnerischen 150 Euro (30 × 5 Euro). So sollten unerwartete Ausgaben abgefedert werden.
Keine einheitliche Quote in Deutschland
Die bayerische 75-Prozent-Grenze gilt nur im Freistaat. Eine bundeseinheitliche Quote gibt es nicht. Dennoch orientieren sich andere Gerichte an ähnlichen Schutzgrenzen:
- Landgericht Frankfurt/Oder (2022): Reduzierte den Tagessatz eines Hartz-IV-Beziehers von 20 auf 10 Euro und ließ ihm damit rund 70 Prozent des Regelsatzes.
- Oberlandesgericht Braunschweig (2014): Setzte ebenfalls eine Schutzgrenze von 70 Prozent an und erklärte auch Tagessätze von unter zehn Euro für zulässig.
Strafe ja, aber ohne Existenzbedrohung
Die Urteile zeigen, dass Gerichte das Spannungsfeld zwischen Strafe und Existenzsicherung ernst nehmen. Auch bei schweren Delikten wie Steuerhinterziehung darf die Strafe nicht dazu führen, dass das Existenzminimum unterschritten wird.
Die Kombination aus maximaler Tagessatzzahl und sehr niedrigem Tagessatz ist dabei das Mittel, um Schuld und finanzielle Realität in Einklang zu bringen.