Eine jährliche Sonderzahlung laut Tarifvertrag gilt auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit – wenn sie sich nicht auf die Arbeitsleistung bezieht. So entscheid das Arbeitsgericht Würzburg gegen einen Arbeitgeber, der einem im Werttransport Beschäftigten diese Zahlung verweigern wollte (6 CA 61/23).
Kein Entgelt und keine Jahressonderzahlung
Der Betroffene erkrankte langfristig im Januar 2022. Im Oktober desselben Jahres erhielt er kein Entgelt und auch keine Entgeltfortzahlung. Der Arbeitgeber behielt auch die Jahressonderzhalung ein, es handelte sich um eine Summe von über 1.000 Euro.
Es geht vor das Arbeitsgericht
Zusammen mit dem DGB-Rechtsschutz klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Würzburg. Der Arbeitgeber argumentierte, die Sonderzahlung folge dem Entgeltanspruch, und da der Betroffene zu der entsprechenden Zeit kein Krankengeld erhalten habe, entfalle auch die Sonderzahlung.
Wie ist die Rechtsgrundlage?
Im Manteltarifvertrag für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland steht für die Tarifregion Bayern:
1. Die Arbeitnehmer erhalten
a) nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren 20 %
b) nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von acht Jahren 30%
c) nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von zehn Jahren 40%
des tariflichen Monatsgrundlohns als Jahressonderzahlung mit der Oktoberrechnung.
(…) Berechnungsbasis ist der tarifliche Grundlohn für den Kalendermonat Oktober. Dies gilt auch dann, wenn für den Arbeitnehmer z. B. wegen Erkrankung kein tatsächlicher Lohnanspruch bestand.
2. Maßgebend für die prozentuale Höhe der Jahressonderzahlung ist die Vollendung der Betriebszugehörigkeit am Stichtag 31.10. eines Kalenderjahres.
Arbeitsgericht legt den Tarifvertrag aus
Das Arbeitsgericht konzentrierte sich jetzt darauf, wie die entsprechenden Formulierungen zu Sonderzahlungen im Manteltarifvertrag zu verstehen seien. Die Richter stellten folgendes fest: Bei der Vereinbarung im Tarifvertrag ging es bei der Sonderzahlung nicht um eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit, sondern um die Betriebstreue und das ungekündigte Bestehen eines Arbeitsverhältnisses.
Damit sei die Jahressonderzahlung nicht mit dem Entgeltanspruch gleichzusetzen und entfalle deshalb auch nicht, wenn in einem Jahr kein Entgeltanspruch bestehe.
Willkür statt Gleichbehandlung
Zudem gelte die Gleichbehandlung der Tarifunterworfenen, während es sich bei der Entscheidung des Arbeitgebers um Willkür handle. Diese zeige sich auch daran, dass der Anspruch, laut Tarifvertrag, gerade nicht an die Arbeitsleistung anknüpfe.
Das Arbeitsgericht verurteilte den Arbeitgeber also dazu, die Sonderzahlung zu leisten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und eine Berufung vor dem Landesarbeitsgericht ist möglich.
Lässt sich das Urteil verallgemeinern?
Die Richter betonten, dass wichtig ist, was genau im Tarifvertrag steht und nach welchen Kriterien eine Sonderzahlung ausgezahlt wird.
Gesetzt den Fall, dass eine jährliche Sonderzahlung ausdrücklich als zusätzliches Entgelt für die Arbeitsleistung vorgesehen ist. Dann wäre es vermutlich legitim, wenn der Arbeitgeber diese nicht auszahlt, weil die Arbeitsleistung in diesem Jahr ausgeblieben ist.
Im vorliegenden Fall und in zahlreichen ähnlichen Tarifverträgen ist die Sonderzahlung aber nicht durch die Arbeitsleistung begründet, sondern durch das bestehende Arbeitsverhältnis und die Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Dann kann trotz Arbeitsunfähigkeit und Krankengeld ein Anspruch auf entsprechende Sonderzahlungen bestehen.