Die Initiative Sanktionsfrei e.V. hat eine Studie durchgeführt, um Einblick in die Realität des Lebens im Bürgergeld-Bezug zu erhalten, gemeinsam mit dem Umfrageinstitut Verian. Dazu wurden 1.014 Menschen befragt, die Bürgergeld beziehen.
Harte Fakten gegen Mythen
Statt über die Betroffenen zu sprechen, sprach Sanktionsfrei mit ihnen. Die Ergebnisse stehen im Gegensatz zu dem, was bestimmte Politiker ständig behaupten: Mit Bürgergeld lohne sich Arbeit nicht mehr, Bürgergeld bedeute ein schönes Leben auf Kosten des Steuerzahlers oder gar Leistungsberechtigte wären Sozialbetrüger.
Sanktionsfrei e.V. erklärt hingegen: “Die Befragung macht sichtbar, was Alltag mit Bürgergeld wirklich bedeutet: Verzicht, Unsicherheit, Ausgrenzung und strukturelle Hürden bei der Arbeitssuche.”
Aussagen der Leistungsberechtigten erschrecken
Die Aussagen der Leistungsberechtigen erschrecken. Sanktionsfrei e.V. schreibt in der Kurzfassung der Studie: “Der Regelsatz von monatlich 563 € reicht laut großer Mehrheit der Befragten (72 %) nicht aus, um ein würdevolles Leben zu führen. Selbst Grundbedürfnisse werden nicht ausreichend erfüllt:
Nur jeder Zweite gibt an, dass in ihrem Haushalt alle satt werden; insbesondere Eltern verzichten zugunsten ihrer Kinder auf Essen (54 %). Die überwältigende Mehrheit will arbeiten, hat aber kaum Hoffnungen darauf, eine existenzsichernde Arbeit zu finden. Scham und Angst prägen den Alltag: 42 % schämen sich, Bürgergeld zu beziehen, 72 % fürchten weitere Verschärfungen.”
Verein fordert: Verschärfung stoppen, Regelsatz erhöhen
Sanktionsfrei e.V. fordert, die in der “Neuen Grundsicherung” der Regierungskoalition geplanten Verschärfungen zu stoppen und den Regelsatz so zu erhöhen, dass er ein sozioökonomisches Existenzminimum ermöglicht. Die Bedürfnisse der Betroffenen müssten in den Mittelpunkt gestellt werden.
Der Regelsatz müsste bei 813,00 Euro liegen, und zwar ohne Sanktionen. Qualifizierung und Weiterbildung müssten Vorrang vor der Vermittlung haben.
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Bescheid prüfenLeistungsberechtigte müssen hungern
Die Studie zeigt sehr deutlich, dass ein abstrakt berechnetes und mit Tricks nach unten gedrücktes Existenzminimum in der täglichen Wirklichkeit Leid und Not bedeutet. So geben nur neun Prozent der Befragten an, dass mit dem Regelsatz eine gesunde Ernährung möglich sei.
Ein Drittel der Befragten verzichtet auf Essen, um andere Bedürfnisse erfüllen zu können. Mehr als die Hälfte der befragten Eltern (54 Prozent) lässt Mahlzeiten aus, damit wenigstens ihre Kinder etwas zu essen haben.
Jeder und jede Dritte unter den Befragten muss Schulden machen, um die Grundversorgung zu gewährleisten. Drei Viertel aller Befragten geben ab, dass ihre finanzielle Lage sie psychisch belastet.
Rund ein Drittel der Bürgergeldbezieher sind Kinder und Jugendliche. Eine alleinerziehende Person hat monatlich 563 Euro Regelsatz, Kleinkinder lediglich 357 Euro auskommen müssen.
Die Umfrage-Studie zeigte, dass dies oft nicht die Grundbedürfnisse deckt. „Über die Hälfte der Eltern muss regelmäßig auf Essen verzichten, damit ihre Kinder satt werden. Da läuft etwas grundlegend falsch“, erklärt Helena Steinhaus, die Gründerin von Sanktionsfrei.
Drei von vier wollen in Arbeit, nur einer von vier glaubt daran
Drei Viertel der Befragten wünschen, vom Bürgergeld unabhängig zu sein. Nur ein Viertel glaubt jedoch, eine Stelle zu finden, um so aus dem Leistungsbezug zu kommen. Mehr als die Hälfte hat körperliche Einschränkungen (59 Prozent) oder psychische Erkrankungen (57 Prozent), die ihre Jobsuche erschweren.
Befragte erleben Ausgrenzung
Die übergroße Mehrheit der Befragten erlebt Ausgrenzung. Nur zwölf Prozent fühlen sich als Teil der Gesellschaft. 42 Prozent schämen sich, Bürgergeld zu beziehen. Indessen sagen 82 Prozent, der Befragten, dass vielen Menschen nicht klar sei, wie schnell sie selbst ins Bürgergeld rutschen könnten.
72 Prozent aller Befragten fürchten weitere Verschärfungen bei der Grundsicherung. Vor allem den geplanten vollständigen Leistungsbezug sehen die Befragten als Bedrohung ihrer Existenz. (Link zur Studie)




