Gutverdienende Kinder müssen zuerst den Pflegeaufenthalt ihrer Eltern finanzieren, bevor sie eigene Altersrücklagen aufstocken. Das BGH-Urteil von 2015 macht klar: Zusätzliche Vorsorgesparpläne sind einsetzbar, sobald der Selbstbehalt gedeckt ist.
Inhaltsverzeichnis
Elternunterhalt schlägt Altersvorsorge – warum das Gesetz Prioritäten setzt
Pflege kostet. Reichen Rente und Vermögen der Eltern nicht, springt das Sozialamt ein. Anschließend verlangt es Erstattung von den Kindern (§ 94 SGB XII). Seit 2020 greift die 100.000€Grenze – liegt das persönliche Jahresbrutto darunter, endet jede Haftung. Wer darüber liegt, gerät in eine klare Rangfolge: Elternunterhalt vor zusätzlicher Altersvorsorge.
Rechtsrahmen 2025: Wo steht das Prinzip im Gesetz?
§ 1601 BGB verpflichtet Kinder zu Unterhalt.
§ 94 Abs. 1a SGB XII schützt Einkommen bis 100 000 € brutto.
BGH, XII ZB 236/14 (2015) legt die Rechenlogik fest: Schonvermögen bleibt tabu, aber Übersparbeträge fließen zuerst in den Elternunterhalt.
Diese Normen zementieren, dass sich individuelles Wohlergehen dem Pflegebedürfnis der Eltern unterordnet.
BGH 2015: So ordnet das Gericht Altersrücklagen ein
Die Richter prüften eine Tochter ohne Einkommen, aber mit eigenem Haus und Lebensversicherungen. Ergebnis:
Der Wohnvorteil zählt als Einkommen.
Die Versicherungen überschritten die angemessene Altersvorsorge.
Damit steht fest: Nur Vorsorge, die nach Alter, Beruf und Rentenlücke „angemessen“ ist, bleibt geschützt. Jeder Betrag darüber landet beim Sozialamt.
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Was gilt als geschützte Altersvorsorge?
1. Gesetzliche und betriebliche Rentenanwartschaften.
2. Klassische Riester oder Rürup Verträge in marktüblicher Höhe.
3. Ein Notgroschen für unvorhersehbare Ausgaben (bei Durchschnittsverdienern etwa 10 000 €).
Nicht geschützt: Fondssparpläne, Zweitimmobilien oder das fünfte ETF-Depot, falls der Basisbedarf im Alter bereits gesichert ist. Die Abgrenzung trifft das Amt anhand individueller Zahlen, nicht anhand pauschaler Tabellen.
Praxisbeispiel: Wenn 200 € Sparrate plötzlich frei werden
Sabine verdient 115 000 € brutto, zahlt 200 € monatlich in einen ETF-Plan ein und besitzt ein abbezahltes Einfamilienhaus. Ihr Vater kommt ins Heim; das Sozialamt trägt zunächst 2 400 € monatlich. Nach Abzug von Steuern, Pflichtvorsorge und Selbstbehalt bleiben Sabine 350 € „freie Spitzen“. Das Amt setzt die 200 € ETF Rate und zusätzlich 150 € aus dem Wohnvorteil an. Ergebnis: 350 € Elternunterhalt monatlich. Ihr privater Vermögensaufbau wird damit ausgebremst, obwohl er langfristig sinnvoll wäre.
Fünf Strategien, um trotz Vorrangregelung fürs Alter zu sichern
1. Beitragsfreie Phasen nutzen. Riester kann pausiert werden, wenn das Amt zahlt. Danach können Sie nachzahlen und die Grundzulage behalten.
2. Versicherte Anlageformen wählen. Betriebliche Direktversicherungen gelten oft umfassender als Schonvermögen.
3. Nebenkosten dokumentieren. Hohe Instandhaltung reduziert den Wohnvorteil und damit den Unterhalt.
4. Steuerliche Abzüge maximieren. Sonderausgaben mindern das anrechenbare Einkommen sofort.
5. Frühzeitig beraten lassen. Fachanwälte kalkulieren, welche Beträge als „angemessen“ durchgehen und wo sich Umschichtungen lohnen.
Politische Diskussion 2025–2027: Bleibt das Vorrangprinzip?
Verbände fordern, die Altersvorsorge stärker zu schützen, um die private Pflegevorsorge nicht zu entmutigen. Das Bundesfamilienministerium prüft eine dynamische Anhebung des Selbstbehalts und einen prozentualen Freibetrag für zusätzliche Vorsorge. Beschlüsse liegen noch nicht vor, Beobachter erwarten jedoch keine Abkehr vom Grundsatz „Pflege vor Rente“.