Jobcenter können von Hartz-IV-Beziehern den Verkauf oder die Beleihung ihres Miteigentumsanteils an einer Wohnung nur verlangen, wenn dies auch tatsächlich und rechtlich möglich ist. Vermögen ist dagegen nicht tatsächlich verwertbar, wenn dieses nicht marktgängig oder über den Marktwert hinaus belastet ist und sich in absehbarer Zeit kein Käufer findet, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem am 31. Juli 2021, veröffentlichten Urteil (Az.: L 2 AS 491/20).
Gebe es auf einen Vermögensgegenstand Verfügungsbeschränkungen, „deren Aufhebung der Inhaber nicht erreichen kann”, sei dieser rechtlich nicht verwertbar, so die Stuttgarter Richter.
Jobcenter verlangte Verkauf des Eigentums
Im konkreten Fall teilt sich der klagende Hartz-IV-Bezieher mit seiner seit 1999 dauerhaft getrennt lebenden, schwerbehinderten Ehefrau das Eigentum an einer Wohnung. Die Frau lebt mit den zwei gemeinsamen Töchtern in dem Wohneigentum, während der Mann zur Miete wohnt.
Das Jobcenter ermittelte 2014 den Verkehrswert der Eigentumswohnung. Danach sei diese 60.000 Euro Wert. Die Behörde forderte den Arbeitslosen auf, seinen Miteigentumsanteil zu verkaufen oder zu beleihen. Sein Vermögen übersteige seine Freibeträge, so dass dieses zur Deckung seines Lebensunterhaltes eingesetzt werden müsse. Bis zur Verwertung der Wohnung könne er ein Darlehen erhalten.
Der Hartz-IV-Bezieher verwies darauf, dass er nach mehreren Bemühungen keinen Käufer gefunden habe, der den hälftigen Miteigentumsanteil übernehmen wolle. Da seine getrennt lebende und dialysepflichtige Frau in der Wohnung bleiben wolle und sie zur Hälfte Eigentümerin sei, hätten Makler eine Vermittlung abgelehnt. Die Wohnung sei so nicht „marktgängig”. Eine Beleihung bei Banken sei ebenfalls erfolglos geblieben.
Hartz-IV-Bezieher muss Wohneigentum tatsächlich verkaufen können
Das LSG sprach dem Hartz-IV-Bezieher mit Urteil vom 24. März 2021 Arbeitslosengeld II als Zuschuss zu. Grundsätzlich müssten verwertbare Vermögensgegenstände beim Arbeitslosengeld II aber mindernd berücksichtigt werden. Dabei gelte Vermögen als verwertbar, wenn es verbraucht, übertragen oder belastet werden könne.
Hier liege der Wert des hälftigen Eigentumsanteils an der Wohnung auch über den beim Kläger zu berücksichtigenden Freibetrag von 9.150 Euro. Dennoch könne von ihm die Verwertung der hälftigen Wohnung nicht verlangt werden, so das LSG. Der Kläger habe sich umfangreich und über einen längeren Zeitraum bemüht, seinen Wohnungsanteil mithilfe von Maklern zu verkaufen oder von Banken ein Darlehen zu bekommen. Dies sei erfolglos gewesen, da die Ehefrau noch als Miteigentümerin in der Wohnung lebt.
Diese habe auch erklärt, weiter dort wohnen und ihren Eigentumsanteil nicht verkaufen zu wollen. Auch eine Teilungsversteigerung werde sie nicht zustimmen, da sie dann wohl ausziehen müsste. Damit sei die Wohnung nicht verwertbar, so dass die Hartz-IV-Leistungen als Zuschuss und nicht als Darlehen gewährt werden müssen, so das LSG. fle
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