Bürgergeld-Eilantrag abgelehnt – Bareinzahlungen zerstören die Hilfebedürftigkeit

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Kernbotschaft vorweg: Wer im Eilverfahren Bürgergeld will, muss Hilfebedürftigkeit lückenlos belegen. Mehrere nicht erklärte Bareinzahlungen auf das eigene Konto sprechen gegen diesen Anspruch. So entschied das Landessozialgericht (LSG) Hessen im Februar 2025 (Az. L 6 AS 503/24 B ER). Der Senat verneinte einen Anordnungsgrund und stellte ernsthafte Zweifel am Erfolg in der Hauptsache fest. Der Antrag blieb damit ohne Erfolg.

Worum es im Fall ging

Der Antragsteller verlangte Bürgergeld im einstweiligen Rechtsschutz. Gleichzeitig zeigten seine Kontoauszüge über Monate zahlreiche Bareinzahlungen und interne Umbuchungen. Teilbeträge stammten laut Vortrag aus dem Familienkreis.

Die Herkunft blieb aber unklar. Ein schriftlicher, konkreter Nachweis fehlte. Eine eidesstattliche Versicherung legte der Antragsteller nicht vor. Das Gericht sah deshalb sowohl Hilfebedürftigkeit als auch Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Warum Bareinzahlungen der Hilfebedürftigkeit entgegenstehen

Bürgergeld setzt voraus, dass der Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln gesichert werden kann. Wer fortlaufend Bargeld einzahlt, zeigt damit, dass eigene Mittel verfügbar sind oder gewesen sein könnten. Ohne präzise Herkunftsnachweise behandelt die Rechtsprechung solche Zuflüsse regelmäßig als Einkommen oder als Indiz gegen Hilfebedürftigkeit.

Genau das passierte hier: Die Vielzahl der Einzahlungen, ihr Umfang und die fehlende Aufklärung zum Ursprung ließen nach Ansicht des LSG auf bestehende Eigenmittel schließen. Damit entfiel die Grundlage für eine vorläufige Leistungsgewährung.

Die wichtigsten Feststellungen des Gerichts

Der Senat verwies auf mehrere Bewegungen zwischen Konten und erhebliche Bargeldzuflüsse. Aus einem sogenannten F.-Konto flossen über 12.000 Euro. Anfang März 2024 sollen 7.000 Euro an den Vater zurückgeflossen sein. Ob es diese Rückzahlung gab, blieb offen. Auf dem Konto des Antragstellers verblieben laut Akte mehr als 5.000 Euro.

Noch im März 2024 überwies er wiederum einen Teil zurück auf das F.-Konto und transferierte im Juni 2024 fast 5.000 Euro auf das Girokonto. Zusätzlich dokumentierten die Kontoauszüge von Oktober 2024 bis Ende 2025 weitere Barzuflüsse im Umfang von 3.250 Euro. Der Antragsteller erklärte, das Geld sei verbraucht, unter anderem für Miete. Dem folgte der Senat nicht. Die Darstellung blieb pauschal und nicht belegt.

Eilverfahren: Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund – beides muss sitzen

Im einstweiligen Rechtsschutz zählen zwei Punkte.

Erstens: der Anordnungsanspruch. Er verlangt eine auf Tatsachen gestützte Wahrscheinlichkeit, dass Bürgergeld in der Hauptsache zusteht.

Zweitens: der Anordnungsgrund. Er verlangt eine gegenwärtige Notlage, die keinen Aufschub erlaubt, etwa drohende Wohnungslosigkeit trotz nachweislich fehlender Mittel.

Beides muss schlüssig und belegbar sein.

Im hessischen Fall verneinte das Gericht schon die Hilfebedürftigkeit. Damit fehlte nicht nur der Anordnungsgrund, sondern von vornherein die materielle Basis für vorläufige Leistungen.

Darlehen von Angehörigen: So überzeugt der Nachweis – und so nicht

Barzuschüsse aus der Familie sind nicht automatisch Darlehen. Wer eine Rückzahlungsverpflichtung behauptet, muss diese konkret nachweisen. Das gelingt mit einem schriftlichen Darlehensvertrag, klaren Rückzahlungsmodalitäten, Angaben zu Zinssatz (notfalls null Prozent, aber festgehalten), zu Fälligkeit und Raten, sowie mit Zahlungsbelegen, die die tatsächliche Geldbewegung zeigen.

Entscheidend ist die chronologische Zuordnung: Wer, wann, welchen Betrag, auf welchem Weg. Fehlt diese Struktur, wertet das Gericht die Zuflüsse schnell als verfügbares Einkommen. Im vorliegenden Fall fehlten konkrete Belege und eine eidesstattliche Versicherung. Das genügte nicht, um die behauptete Darlehensnatur glaubhaft zu machen.

Was Betroffene jetzt praktisch tun sollten

Wer Bürgergeld beantragt und gleichzeitig Bargeld einzahlt oder Familientransfers nutzt, benötigt von Anfang an eine wasserdichte Dokumentation. Dazu gehören Kontoauszüge ohne Lücken, Überweisungsbelege, nachvollziehbare Bargeldquittungen, ein schriftlicher Darlehensvertrag bei Geld von Angehörigen und – falls es schnell gehen muss – eine eidesstattliche Versicherung, die die Geldflüsse präzise bezeichnet.

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Jede Angabe braucht Ort, Zeit, Betrag, Person. Die bloße Erklärung, das Geld sei „verbraucht“, reicht nicht. Es hilft, wesentliche Ausgaben mit Belegen zu hinterlegen, etwa Miete, Energie, Arznei, Versicherungen, Tilgungen. Je sauberer die Belegkette, desto eher erkennt das Gericht Hilfebedürftigkeit an.

Typische Fehler, die den Eilantrag scheitern lassen

Ein häufiger Fehler ist der pauschale Vortrag ohne Belege. Dazu zählt die fehlende eidesstattliche Versicherung, wenn Unterlagen (noch) nicht vollständig vorliegen. Ebenso problematisch sind Bargeldeinzahlungen ohne Herkunftsnachweis oder der bloße Hinweis auf „familiäre Hilfe“ ohne Vertrag, ohne Zahlungsfluss und ohne Rückzahlungsplan.

Wer Gelder zwischen eigenen Konten hin- und herbewegt, muss die Buchungen umso klarer erklären. Sonst entsteht der Eindruck, es stünden eigene Mittel zur Verfügung. Auch zeitliche Brüche schaden: Längere Phasen mit Einzahlungen, die zeitlich eng an den Antragszeitraum anschließen, schwächen den Vortrag der Bedürftigkeit.

Rechtlicher Rahmen in Kürze: Hilfebedürftigkeit ist Tatsachensache

Nach dem SGB II bekommt Bürgergeld, wer erwerbsfähig, hilfebedürftig und gewöhnlich in Deutschland ist. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen, Vermögen oder Unterstützung Dritter decken kann. Das ist keine abstrakte Rechtsfrage, sondern hängt von Fakten ab: Kontostände, Zuflüsse, Abflüsse, Verträge.

Wer Barmittel zuführt, ohne deren Herkunft zu belegen, trägt ein Risiko. Im Zweifel behandelt die Verwaltung solche Beträge als Einkommen. Das kann Leistungen mindern oder – wie hier – im Eilverfahren die Glaubhaftmachung scheitern lassen.

So bauen Sie eine tragfähige Beweisführung auf

Eine tragfähige Beweisführung beginnt mit vollständigen Kontoauszügen für alle relevanten Konten. Jede Bareinzahlung braucht eine Herkunftsangabe. Familientransfers sichern Sie mit Verträgen und Zahlungsnachweisen ab; Barübergaben dokumentieren Sie mit Empfangsbestätigungen. Anhand einer Zeitleiste ordnen Sie die Flüsse dem Bewilligungszeitraum zu.

Fügen Sie Mietkontoauszüge oder Quittungen bei, damit nachvollziehbar ist, wie das Geld verbraucht wurde. Stimmen die Summen, die Daten und die Empfänger, steigert das die Plausibilität. Ergänzen Sie – wenn nötig – eine eidesstattliche Versicherung, die jede Position kurz, aber exakt benennt.

Was der Beschluss für die Praxis bedeutet

Der hessische Beschluss sendet ein klares Signal an Antragsteller und Jobcenter.

  • Signal eins: Wer Bareinzahlungen tätigt, muss mit Nachfragen rechnen.
  • Signal zwei: Im Eilverfahren zählt Beweisnähe. Wer die Vorgänge kennt, muss sie auch aufklären.
  • Signal drei: Ohne belastbare Unterlagen kippt die Waage. Das Gericht prüft nicht nur Notlagen, sondern auch, ob eigene Mittel verfügbar waren. Fehlt der Nachweis, verneint es die Hilfebedürftigkeit – und damit den Anordnungsgrund.

Konkreter Handlungsfahrplan für Betroffene

Sichten Sie zuerst die Kontoauszüge der letzten Monate. Markieren Sie alle Bargeldzugänge. Halten Sie für jeden Zugang eine Herkunft fest. Bei Familienhilfe erstellen Sie sofort einen Darlehensvertrag, datiert, unterschrieben, mit Rückzahlungsplan. Sammeln Sie Quittungen für wesentliche Ausgaben und legen Sie eine Kurzübersicht an, die Einnahmen und Ausgaben zeitlich ordnet.

Ergänzen Sie eine eidesstattliche Versicherung, wenn sich einzelne Belege nicht kurzfristig beibringen lassen, und benennen Sie dort Beträge, Daten, Personen und Wege. Reichen Sie diese Unterlagen frühzeitig ein – am besten bereits mit dem Antrag, spätestens aber mit dem Eilantrag.

Einordnung der weiteren Rechtsprechung: Beweislast ernst nehmen

Die jüngere Landessozialgerichtsbarkeit verlangt von Leistungsberechtigten einen aktiven Nachweis der Hilfebedürftigkeit. Das betrifft besonders Bareinzahlungen und familiäre Unterstützungen. Die Gerichte betonen, dass Zweifel zu Lasten der Antragsteller gehen können, wenn die Belege fehlen.

Das gilt auch dann, wenn in einem späteren Hauptsacheverfahren noch nachermittelt wird. Wer früh klar und vollständig vorträgt, verhindert Nachteile und signalisiert Mitwirkung. Genau daran scheiterte der hessische Fall: Der Vortrag blieb ungenau, die Beleglage dünn, die Erklärungen pauschal.

Rechtstipp zum Bürgergeld bei Bareinzahlungen

  1. Lassen sich die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf Bürgergeld nicht ermitteln, trägt derjenige, der den Antrag gestellt hat, die Folgen eines fehlenden Nachweises (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil von 29.05.2024 – L 9 AS 975/22 – zu Bareinzahlungen als anrechenbares Einkommen.
  2. LSG Sachsen, Urt. v. 11.02.2025 – L 4 AS 677/19 – Auch im Verfahren über die abschließende Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II hat der Leistungsberechtigte nachzuweisen, dass er im fraglichen Bewilligungszeitraum tatsächlich hilfebedürftig war. Etwaige Zweifel daran gehen zu seinen Lasten ).
  3. Ein Bürgergeldempfänger muss beweisen, dass er 14.000 Euro Bargeld seinem Vater übergeben hat ( LSG BW, Urt. v. 05.03.2024 – L 2 AS 2270/23 – u. L 2 AS 2269/23 – )

Grundsätzlich trägt die objektive Beweislast für die Rechtswidrigkeit des zurückzunehmenden Verwaltungsaktes das Jobcenter (vgl. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 15. Februar 2018 – L 3 AS 4874/16 – ). Eine Beweislastumkehr lässt sich aber bei einer besonderen Nähe eines Beteiligten zum Beweis begründen.

Denn das ist anzunehmen, wenn in dessen persönlicher Sphäre oder in dessen Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind und die zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung bei der ​Sachverhaltsaufklärung erschwert oder verhindert wird (vgl. BSG Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4AS 41/15 R – ).