Immer wieder lehnen Jobcenter einen Antrag auf Bürgergeld ab und verweisen auf vorrangige Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag. Das ist rechtswidrig, wie der Hilfsverein Tacheles e.V. warnt.
Hilfebedürftige Familie stellte Bürgergeld-Antrag
Im konkreten Fall hatte eine Familie mit zu geringem Einkommen beim Jobcenter Landkreis Kassel einen Antrag auf Bürgergeld (Leistungen nach dem SGB II) gestellt. Das Jobcenter lehnte allerdings den Antrag mit Verweis auf vorrangige Leistungen ab. Das allerdings widerspricht der aktuellen Rechtslage.
Ablehnung mit Hinweis auf vorrangige Leistungen rechtswidrig
Die Leistungen des Bürgergeldes (früher Hartz IV) sind sogenannte Rechtsanspruchsleistungen. Sie müssen erbracht werden, wenn Hilfebedürftigkeit vorliegt. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Antragsteller selbst ausdrücklich darauf verzichtet.
So urteilte auch das Bundessozialgericht:
„Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist nur eine tatsächlich zugeflossene Einnahme als “bereites Mittel” geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken“ (AZ: B 14 AS 161/11 R).
Auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat in ihrer Weisung zu § 67 die Jobcenter angewiesen, auch bei Bezug von Wohngeld + Kinderzuschlag in Vorleistung zu gehen.
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So wie die Bundesagentur für Arbeit an:
„Sofern ein vorrangiger Anspruch auf Kinderzuschlag festgestellt wird, ist im Sinne einer zeitnahen Sicherstellung des Lebensunterhalts aber regelmäßig in Vorleistung zu gehen, d. h. die Leistungen nach dem SGB II sind zu bewilligen und es ist ein Erstattungsanspruch anzumelden. Dies gilt auch im Hinblick auf andere vorrangige Leistungen” (Weisung zu § 67).
Bürgergeld darf nicht abgelehnt werden bis vorrangige Leistungen gezahlt werden
Problematisch ist, dass es oft mehrere Monate dauert, bis Wohngeld bewilligt wird. Während dieser Wartezeit besteht aber Hilfebedürftigkeit, die zunächst durch das Jobcenter ausgeglichen werden muss.
“SGB II-Leistungen dürfen nicht wegen des Ausbleibens einer anderen Sozialleistung verweigert werden. Das heißt, das Verwaltungshandeln in Kassel ist schon aus diesem Grund grob rechtswidrig”, kritisiert daher auch die Beratungsstelle.
Zudem besteht für Bewilligungszeiträume, die bis zum 30. Juni 2023 beginnen, keine Verpflichtung, Wohngeld zu beantragen (§ 85 SGB II). Auch deshalb ist der Ablehnungsbescheid mit Hinweis auf vorrangige Leistungen rechtswidrig.
Jobcenter beachtete Rechtslage nicht
Das Jobcenter Landkreis Kassel hat somit die aktuelle Rechtslage nicht beachtet. Weder kommt die Behörde ihrer Beratungspflicht (§ 14 SGB I und § 14 Abs. 2 SGB II) nach, noch kann sie nachvollziehbare Berechnungen über vorrangige Leistungen liefern. “Zusammengefasst: eine glatte Sechs”, so das harte Urteil von Tacheles e.V..
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