Von der Leyen will Eltern von Schulschwänzern mit Bußgeldern bestrafen: Eine typische Sommerloch-Debatte ohne Substanz aber viel PR
19.08.2012
Die Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) will Eltern mit Geldbußen belegen, wenn ihre Kinder die Schule schwänzen. Rede man über Hartz IV, sei Schulschwänzen oft der Anfang, so die Ministerin gegenüber der „Berliner Morgenpost“. Nach Meinung von der Leyen würden angeblich rund 50 Prozent der „Langzeitarbeitslosen über keinen Schul- oder Berufsabschluss verfügen“. Daher sollte man „den Anfängen wehren und Eltern die gegen das Schulgesetz verstießen, mit Bußgeldern belegen“. Doch schauen wir uns die Behauptungen der Ministerin etwas genauer an.
Die Ministerin nutzt mal wieder das politische Sommerloch, um sich ins Gespräch zu bringen, auch wenn sie für das Ressort „Bildung und Familie“ überhaupt nicht zuständig ist. Denn niemand anderes wird gerade so massiv innerparteilich als künftige „Nachfolgerin“ der Bundeskanzlerin Angela Merkel gehandelt, als die Superministerin selbst.
Bußgelder aufgrund von Schwänzen längst Bestandteil der Landesschulgesetze
Der aufgeklärte Leser fragt sich nun, was soll der Vorschlag eigentlich soll? Denn Bußgelder für Schulschwänzen sind bereits seit Jahrzehnten in allen Landesschulgesetzen als Ordnungswidrigkeit verankert. Demnach fordert von der Leyen eine Gesetzesänderung, die bereits längst umgesetzt ist. Bei Kindern, die jünger als 14 Jahre als sind, wird eine Ordnungswidrigkeitsanzeige gegen die Eltern gestellt. Sind die Kinder zwischen 14 und 18 Jahre alt, so können die Erziehungsberechtigten aber auch die Schüler selbst belangt werden. Die Folgen: Sozialdienste und Bußgelder.
Offensichtliche Falschaussagen der Ministerin
Nicht verkneifen konnte sich von der Leyen die Anmerkung, dass jeder zweite Langzeitarbeitslose angeblich über keine Schulausbildung verfügt. Doch das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. stellte in einer Untersuchung fest, dass „jeder fünfte über keinen Hauptschulabschluss“ verfügt. Zwar ist „jeder Fünfte“ auch zu viel, allerdings kann demnach die Aussage von der Bundesarbeitsministerin als Unwahr bezeichnet werden.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine DGB-Studie. Diese zeigte zum Beispiel, dass bundesweit jeder sechste bis siebte Erwerbslose über ein Abitur und eine Hochschulreife verfügt. Besonders hoch ist der Anteil der Erwerbslosen in der Altersgruppe der 25- bis 34- Jährigen (jede/r Fünfte bis Sechste). „Dies weist auf die Eingliederungsschwierigkeiten auch von jungen Erwachsenen mit guten Schulabschlüssen hin.“ Demnach zeigen die Zahlen auch, dass zwar Berufs- und Schulbildung mit Sicherheit auch ein Problem darstellen, aber bei weitem nicht das alleinige Problem sind, wie Frau von der Leyen aber zu suggerieren versucht.
Keine differenzierte Sicht auf das Problem
Frau von der Leyen merkte zudem an, dass Eltern in Fällen von Schulschwänzen Hartz IV Zahlungen nicht gekürzt werden können, denn schließlich weiß auch sie, dass eine solche Regelung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. So sagte die Arbeitsministerin in dem Interview: „Geld, das wegen Arbeitslosigkeit gewährt wird, kann nicht genommen werden, um den Eltern eine Lektion in Kindererziehung zu erteilen.“ Allerdings betonte sie, dass das Problem vom Grundansatz über Bußgelder zu regeln sei. Statt nach den individuellen Gründen der Schulverweigerung zu forschen, gelten Strafen als „wirksames Mittel“, ganz so, wie es auch bei Hartz IV praktiziert wird.
Vielfältige Ursachen von Schulverweigerung
Sozialforscher und Psychotherapeuten wissen es jedoch besser. Die Ursachen für Schulschwänzen sind sehr verschieden und haben oft überhaupt nichts mit einer sogenannten „Null-Bock-Mentalität“ zu tun. Vielmals leiden die betroffenen Schüler nämlich unter Sozialphobien, Mobbing, Schulstress oder Hänseleien. Doch Therapieangebote und spezielle Schulprogramme sind Mangelware. Teilweise müssen Kinder auf einen Therapieplatz 12 Monate und länger warten. Doch genau hier könnte ein wichtiger (Teil-)Ansatz liegen, um das Problem, dass im Übrigen seit Jahren rückläufig ist, zu wirksam begegnen. Das würde wieder Geld kosten, dass die schwarz-gelbe Bundesregierumg derzeit lieber für die Banken im Zeichen der Euro-Rettung ausgibt. (sb)
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