Immer häufiger entscheiden sich Beschäftigte dafür, den Übergang in die Rente nicht als abrupten Schnitt, sondern als gleitenden Prozess zu gestalten. Gerade Menschen mit Schwerbehinderung profitieren von dieser Möglichkeit, weil sie ihren Anspruch auf Altersrente früher als andere geltend machen dürfen.
Das Beispiel eines 1963 geborenen Arbeitnehmers, der ab August 2025 zunächst nur die Hälfte seiner Altersrente bezieht und erst drei Jahre später die übrigen 50 Prozent ohne Abschläge nachholt, zeigt, worauf es bei dieser Strategie ankommt.
Dabei sind nicht nur die sozialrechtlichen Vorschriften wichtig, sondern auch aktuelle Änderungen wie die Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze.
Inhaltsverzeichnis
Was eine Teilrente heute bedeutet
Seit Einführung der sogenannten Flexirente 2017 können Altersrenten nahezu stufenlos zwischen 10 und 99,99 Prozent des errechneten Anspruchs in Anspruch genommen werden.
Die Idee dahinter ist, Vollzeitarbeit, Teilzeitarbeit und Rente beliebig miteinander zu kombinieren. Im Unterschied zu einem klassischen Vorruhestand fließt weiter Arbeitsentgelt, auf das regulär Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung anfallen – allerdings meist nur anteilig, je nach Arbeitsumfang.
Die Deutsche Rentenversicherung bezeichnet dies als „Teilrente“ und sieht darin ausdrücklich ein Gestaltungsinstrument, das auch Phasen längerer Erkrankung oder verringerter Leistungsfähigkeit abfedern kann.
Für Betroffene mit einer Schwerbehinderung besitzt das Modell eine besondere Relevanz, weil sie die Altersrente bis zu 36 Monate früher beziehen dürfen und danach durch Teilrenten ihre Erwerbstätigkeit schrittweise reduzieren können.
Rechtsrahmen für schwerbehinderte Versicherte des Jahrgangs 1963
Versicherte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent, die ihre Mindestwartezeit von 35 Jahren erfüllt haben, können ihre Altersrente regulär zwei Jahre vor ihrem gesetzlichen Regelpensionsalter ohne Abschlag beantragen.
Beim Geburtsjahrgang 1963 fällt die Regelaltersgrenze auf 66 Jahre und 10 Monate. Damit kann die abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen erstmals mit 64 Jahren und 10 Monaten beginnen.
Wer noch früher gehen möchte, darf maximal weitere 24 Monate vorziehen, was ein Einstiegsalter von 61 Jahren und 10 Monaten ermöglicht. Jeder Monat Vorverlegung kostet 0,3 Prozent des monatlichen Rentenanspruchs und wird lebenslang abgezogen.
Bei einer um 36 Monate verfrühten Inanspruchnahme ergibt sich somit ein Gesamtabschlag von 10,8 Prozent.
Der Zwei-Stufen-Plan: Vom halben zum vollen Bezug
Unser Beispielversicherter, im Folgenden Bernt genannt, nutzt genau dieses Zeitfenster. Er beantragt zum 1. August 2025 – im Alter von 61 Jahren und 10 Monaten – eine Teilrente in Höhe von 50 Prozent.
Damit sichert er sich sofort ein regelmäßiges Einkommen aus der Rentenkasse, nimmt aber den vollen Abschlag von 10,8 Prozent bewusst in Kauf.
Gleichzeitig bleibt er in Teilzeit erwerbstätig, sodass sein Gesamteinkommen vergleichsweise stabil bleibt. Gemäß § 42 SGB VI wird dieser Abschlag dauerhaft auf die bereits ausgezahlten 50 Prozent der Rente angewandt; spätere Veränderungen sind ausgeschlossen.
Nach exakt drei Jahren – am 1. August 2028 – hat Bernd das Alter von 64
Jahren und 10 Monaten erreicht und erfüllt damit die Bedingungen für eine abschlagsfreie Altersrente für Schwerbehinderte. Er stellt nun einen Änderungsantrag und lässt die weiterhin bestehende Teilrente auf 100 Prozent anheben.
Die bisher nicht ausgezahlte Hälfte seines Anspruchs wird ab diesem Zeitpunkt ohne Abzüge gezahlt.
Formal befindet er sich unverändert in derselben Rentenart; er wechselt lediglich das Teilrenten-Prozentsatz. Die Deutsche Rentenversicherung behandelt beide Rentenbestandteile getrennt: Der erste Teil bleibt gemindert, der zweite Teil fließt in voller Höhe.
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Warum die Abschläge nicht nachträglich entfallen
Immer wieder kommt die Frage auf, ob der Abschlag auf den zuerst bezogenen Teil nach Erreichen der abschlagsfreien Altersgrenze wegfällt.
Das Sozialrecht beantwortet sie eindeutig: Ein einmal wirksam gewordener Abschlag bleibt für die gesamte Bezugsdauer bestehen. Die dauerhafte Kürzung ist der Preis für den frühzeitigen Kapitalzugriff auf die Versichertengemeinschaft.
Andernfalls könnte man die frühere Inanspruchnahme risikolos testen und später wieder kompensieren – ein Vorgehen, das das System destabilisieren würde. Somit muss jeder, der sich für eine Teilrente vor der abschlagsfreien Altersgrenze entscheidet, mit einer lebenslangen Kürzung des vorzeitig bezogenen Anteils leben.
Spielräume bei Hinzuverdienst und Beitragsrecht
Für Teilrentner lag bis Ende 2022 eine jährliche Hinzuverdienstgrenze, deren Überschreitung zu einer gekürzten oder gar ruhenden Rente führte. Diese Begrenzung wurde 2023 gestrichen.
Seitdem dürfen Altersrentenbezieher beliebig viel hinzuverdienen, ohne dass ihre Rente gekürzt wird. Allerdings unterliegt das Arbeitsentgelt weiterhin der Sozialversicherungspflicht, sofern das Beschäftigungsverhältnis nicht als geringfügig eingestuft wird.
Zahlt Bernd also nach seinem Renteneintritt weiterhin Beiträge in die Rentenkasse, erhöhen sich seine persönlichen Entgeltpunkte und damit die Rente, sobald die jährliche Neuberechnung erfolgt.
Aus steuerlicher Sicht ist zu beachten, dass Rentenleistungen und Erwerbseinkommen addiert werden und der individuelle Steuersatz steigen kann.
Dieser Effekt sollte bei jedem Teilrentenmodell in die Planung einbezogen werden, vor allem wenn der Verdienst auf einem relativ hohen Niveau bleibt. Zudem kann das Zusammenspiel von Krankenkassenbeitrag, Zusatzbeitrag und möglichem Arbeitgeberzuschuss zu spürbaren Verschiebungen im Netto führen.
Möglichkeiten des Ausgleichszahlungs-Paragrafen
Wer die Abzüge teilweise oder vollständig kompensieren möchte, dem eröffnet § 187a Abs. 3 SGB VI die Option zusätzlicher Beitragszahlungen. Bereits ab dem 50. Lebensjahr kann jeder Versicherte freiwillig Beiträge leisten, um Rentenabschläge ganz oder teilweise auszugleichen.
Der Ausgleichsbetrag wird auf Grundlage der voraussichtlichen Minderung ermittelt und kann in einer Summe oder in Raten gezahlt werden. Ob sich das finanziell lohnt, hängt von Steuereffekten, Lebenserwartung und persönlicher Liquidität ab.
In der Praxis nutzen Schwerbehinderte die Ausgleichszahlung eher selten, weil sie aufgrund ihrer früheren Erwerbsmöglichkeit ohnehin von einem längeren Rentenbezug profitieren.
Strategische Überlegungen vor dem Antrag
Die Gestaltung mit Teilrenten verlangt einen präzisen Blick auf Versicherungsbiografie, Arbeitsmarkt und Gesundheit. Wer einen Schwerbehindertenausweis erst nach Rentenbeginn erhält, kann die Rentenart nicht mehr wechseln und damit keine neuen Vorteile erschließen.
Gleichzeitig sollte geprüft werden, ob eine zeitweise Reduktion der Arbeitsstunden nicht auch ohne Rentenbezug denkbar ist, etwa über Altersteilzeitmodelle oder tarifliche Vorruhestandsregelungen.
Zudem beeinflussen Pflichteinschränkungen, wie die Mindestreserve von 500 Euro Monatsrente in der gesetzlichen Krankenversicherung, den Spielraum.
Auch der Übergang in die gesetzliche Krankenversicherung der Rentner (KVdR) will bedacht sein. Teilrentner bleiben zunächst regulär versichert oder freiwillig versichert; ein Übergang in die KVdR erfolgt erst bei Vollrentenbezug und wenn die Vorversicherungszeiten erfüllt sind.
Sowohl Beitragssatz als auch Beitragspflicht variieren je nach Status, sodass eine vorzeitige Vollrente manchmal allein deshalb sinnvoll sein kann, weil der Krankenkassenbeitrag sinkt.
Fazit
Das Szenario unseres Beispiels zeigt eindrucksvoll, wie stark eine frühe Weichenstellung die spätere Rentenhöhe beeinflusst. Bernt profitiert davon, dass er die Altersrente für Schwerbehinderte in ihrer Logik vollständig ausnutzt: erst die Teilrente mit maximalem Vorziehrahmen, dann die abschlagsfreie Aufstockung auf die volle Rente. Weil er bei beantragter Teilrente in derselben Rentenart verbleibt, bleibt der Weg zur späteren Aufstockung offen.
Allerdings gilt: Jede vorzeitige Inanspruchnahme ist unwiderruflich mit dauerhaften Abschlägen auf den früh bezogenen Anteil verbunden. Deshalb lohnt sich im Vorfeld eine sorgfältige Beratung – sei es bei der Deutschen Rentenversicherung, bei Sozialverbänden oder spezialisierten Rentenberatern.
Wer seine Handlungsoptionen kennt und die relevanten Fristen einhält, kann mit einer Teilrente nicht nur gesundheitliche Belastungen senken, sondern auch die persönliche Lebensplanung nachhaltig optimieren.