Schwerbehinderung: Kostenloses Konto mit Schwerbehindertenausweis?

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Die Behauptung, Inhaberinnen und Inhaber eines Schwerbehindertenausweises seien automatisch von Kontofรผhrungsgebรผhren befreit, kursiert seit Monaten in sozialen Netzwerken, Foren und Messenger-Chats. Auslรถser sind meist reiรŸerische รœberschriften auf Ratgeber- oder Klickportalen, die eine offizielle Privilegierung suggerieren, die es so gar nicht gibt.

Wer den dazugehรถrigen Text aufmerksam liest โ€“ oder seriรถse Quellen liest โ€“ erkennt rasch, dass kein Paragraf im Bรผrgerlichen Gesetzbuch, im Zahlungskontengesetz oder in den einschlรคgigen Finanzmarktregeln eine solche Befreiung vorsieht.

Die Rechtslage: Keine gesetzliche Befreiung

Rechtlich sind Banken und Sparkassen in ihrer Preisgestaltung weitgehend frei. Sie dรผrfen Gebรผhren erheben, solange diese transparent ausgewiesen und sachlich gerechtfertigt sind. Eine Verpflichtung, Kundinnen und Kunden mit Schwerbehindertenausweis grundsรคtzlich von den Kosten auszunehmen, existiert nicht. Das bestรคtigen Juristinnen, Verbraucherzentralen und auch Sprecher mehrerer groรŸer Kreditinstitute unisono.

Zwar hat der Gesetzgeber mit dem sogenannten โ€žBasiskontoโ€œ einen niedrigschwelligen Zugang zu Zahlungsdiensten geschaffen, doch selbst dieses Konto darf ein โ€žangemessenes Entgeltโ€œ kosten. Der Schwerbehindertenausweis รคndert daran nichts.

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Was Banken freiwillig anbieten

Einige Institute werben gleichwohl mit Sonderkonditionen fรผr Menschen mit Behinderung. Das reicht von reduzierten Kontogebรผhren bis hin zu kostenlosen Girokonten, wenn zugleich der Bezug einer Rente oder Sozialleistung รผber das betreffende Konto nachgewiesen wird.

Solche Modelle sind allerdings freiwillige, marktpolitische Entscheidungen einzelner Hรคuser; sie kรถnnen jederzeit angepasst oder gestrichen werden. Wer profitieren will, muss selbst aktiv werden, Angebote vergleichen und die jeweilige Bank gezielt ansprechen.

Online-Konten als gebรผhrenfreie Alternative

Fรผr alle Kundengruppen โ€“ unabhรคngig von Behinderungsgrad oder Ausweis โ€“ sind inzwischen vor allem Direkt- und Neobanken interessant.

Diese Institute verzichten hรคufig komplett auf monatliche Kontofรผhrungsgebรผhren, finanzieren sich รผber Karteneinsatz, Dispozinsen oder Zusatzleistungen und unterhalten keine teuren Filialnetze. Wer auf persรถnliche Beratung in der Geschรคftsstelle verzichten kann und mit digitaler Selbstbedienung vertraut ist, findet dort heute problemlos kostenlose Girokonten.

Warum sich Falschmeldungen so schnell verbreiten

Dass sich das Mรคrchen von der Gebรผhrenerstattung hartnรคckig hรคlt, liegt an mehreren Mechanismen. รœberschriften werden oft als Beweis missverstanden, wรคhrend der Kleingedruckte relativierende Absatz ignoriert wird. Hinzu kommt der verstรคndliche Wunsch vieler Menschen, reale finanzielle Nachteile durch eine offizielle Bescheinigung wenigstens zum Teil kompensiert zu bekommen.

Enttรคuschung รผber hohe Bankentgelte trifft auf Hoffnung โ€“ ein ideales Umfeld fรผr Missinformation.

Ukrainische Geflรผchtete und die Rentenfrage โ€“ ein zweites Beispiel

ร„hnlich verhรคlt es sich mit der Erzรคhlung, ukrainische Kriegsflรผchtlinge erhielten angeblich schon nach kurzer Zeit oder gar ohne Beitragszahlungen eine vorgezogene deutsche Rente. Auch dieses Narrativ hรคlt keiner Prรผfung stand.

Fรผr Bรผrgerinnen und Bรผrger der Ukraine gelten dieselben Voraussetzungen wie fรผr Deutsche: mindestens fรผnf Versicherungsjahre und ein bestimmtes Renteneintrittsalter. Ein Sonderrecht existiert nicht; entsprechende Behauptungen wurden bereits mehrfach faktengecheckt und als falsch eingestuft.

Tipps fรผr den Faktencheck im Alltag

Wer Aussagen zur Sozial- oder Finanzgesetzgebung รผberprรผfen will, sollte einige Grundregeln beherzigen. Erstens lohnt sich ein Blick in die Primรคrquelle: Gesetzestexte, amtliche Leitfรคden oder offizielle FAQ-Seiten sind frei zugรคnglich.

Zweitens hilft das Vier-Augen-Prinzip: Aussagen mit einer zweiten, unabhรคngigen Quelle gegenprรผfen โ€“ idealerweise eine Behรถrde oder etablierte Fachredaktion.

Drittens kรถnnen Verbraucherzentralen, Verbรคnde und Ombudsstellen eine schnelle Einschรคtzung geben. Solche Stellen sehen tรคglich, welche Mythen gerade Konjunktur haben, und liefern verlรคssliche Einordnungen.

Fazit

Kontofรผhrungsgebรผhren entfallen fรผr Menschen mit Schwerbehindertenausweis nicht kraft Gesetzes. Befreiungen sind ausschlieรŸlich freiwillige Serviceangebote einzelner Institute, die individuell beantragt werden mรผssen.

Wer Gebรผhren sparen mรถchte, ist gut beraten, marktweit zu vergleichen und gegebenenfalls auf ein gรผnstiges Online-Konto auszuweichen.