Wer heute eine Wohnung mieten, einen Kredit aufnehmen oder schlicht einen Onlinekauf auf Rechnung tรคtigen mรถchte, stolpert oft รผber eine Zahl: den sogenannten โScoreโ. Maรgeblich dafรผr ist die Bonitรคtsauskunft der Schufa, der grรถรten Wirtschaftsauskunftei Deutschlands.
Doch wie lange dรผrfen negative Eintrรคge โ insbesondere erledigte Zahlungsstรถrungen โ dort รผberhaupt stehen? Und entspricht das dem Datenschutz?
Statusโฏquo: Drei Jahre โ mit Ausnahmen
Formal ist die Lage nicht klar gesetzlich geregelt. Es existiert keine eindeutige bundeseinheitliche gesetzliche Frist, die genau vorgibt, wie lange die Schufa Eintrรคge zu erledigten Forderungen speichern darf. Stattdessen gilt folgendes System:
| Art des Eintrags | Regelfrist nach dem โCode of Conductโ |
| Erledigte Zahlungsยญstรถrung | grundsรคtzlich 3 Jahre nach Ausgleich. |
| Einmalige Stรถrung, schnell beglichen | Mรถglichkeit der Verkรผrzung auf 18 Monate, wenn Bedingungen erfรผllt sind. |
Der โCode of Conductโ ist eine Vereinbarung zwischen Auskunfteien und Datenschรผtzern (โVerhaltensregel fรผr Prรผfโ und Lรถschfristenโ) vom Mai 2024.
Das heiรt im Klartext: Wer eine Forderung beglichen hat, sieht sich grundsรคtzlich mit drei Jahren Speicherfrist bei der Schufa konfrontiert โ es sei denn, er erfรผllt bestimmte Sonderbedingungen fรผr eine Verkรผrzung.
Worin liegt das Problem?
Die Frist von drei Jahren ist kein harmloser Zeitraum: In dieser Zeit kann ein negativer Eintrag bei der Schufa erhebliche Auswirkungen haben โ etwa bei der Wohnungssuche, beim Autokredit oder beim Handyvertrag.
Wenn eine Forderung lรคngst ยญbeglichen ist, erscheint es vielen Betroffenen als unverhรคltnismรครig, dass trotzdem jahrelang negative Daten vorgehalten werden.
Ein konkretes Beispiel: In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Kรถln hatte die Schufa Daten mehrere Jahre nach Begleichung gespeichert โ das Gericht sah dies als Verstoร gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) an und sprach Schadenersatz zu.
Zudem steht im Raum: Wenn Privatunternehmen dieselben Daten erheblich lรคnger speichern als รถffentliche Verzeichnisse (z. B. Schuldnerverzeichnisse), dann kรถnnte die private Speicherung sachlich nicht mehr gerechtfertigt sein.
In ยงโฏ882e ZPO heiรt es etwa, dass Eintrรคge im รถffentlichen Schuldnerverzeichnis gelรถscht werden mรผssen, sobald die Forderung befriedigt wurde.
Damit stellt sich die Frage: Bleibt die Speicherung รผber drei Jahre angesichts des Datenschutzes und der Informationspflichten noch verhรคltnismรครig?
Was sagt die Schufa & Wirtschaft?
Die Schufa verteidigt die dreijรคhrige Frist aus ihrer Sicht mit Blick auf das Risikoยญbewertungsverfahren: Menschen, die bereits eine Zahlungsstรถrung beglichen haben, hรคtten nach eigenen Angaben statistisch ein erhรถhtes Risiko, erneut in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten โ etwa das zehnfache Risiko im Vergleich zu zuverlรคssig Zahlenden.
Banken und Hรคndler argumentieren รคhnlich: Ohne diese Daten kรถnnten Auskunfteien und Kreditgeber das Risiko von Zahlungsausfรคllen nicht mehr so prรคzise einschรคtzen. Fรผr sie stรผnde damit eine elementare Datenbasis auf dem Spiel.
Rechtslage: Entscheidung des Bundesgerichtshof offen
Der Fall hat inzwischen den Bundesgerichtshof (BGH) erreicht: Unter dem Aktenzeichen IโฏZRโฏ97/25 verhandelte der Erste Zivilsenat รผber die Klage eines Mannes gegen die Schufa. Er verlangte Schadenersatz, weil Eintrรคge nach bereits bezahlten Forderungen weiter gespeichert wurden.
Gegenstand der Verhandlung: Muss eine Forderung nach vollstรคndiger Begleichung sofort gelรถscht werden โ oder darf der dreiยญjรคhrige Zeitraum gelten?
Wenn der BGH sich gegen die gรคngige Praxis entscheidet, kรถnnte das massive Auswirkungen haben: Nach Schรคtzungen der Schufa wรคren etwa 564.000 Personen von einer vorzeitigen Lรถschung betroffen.
Bewertung: Interessenkonflikt zwischen Datenschutz und Kreditwirtschaft
Das Thema lรคsst sich wie folgt zusammenfassen:
Datenschutzperspektive: Wenn eine Forderung beglichen ist, verliert der ursprรผngliche Negativยญeintrag viel von seiner sachlichen Relevanz. Die Speicherung รผber drei Jahre mag im Einzelfall unverhรคltnismรครig sein โ insbesondere dann, wenn keine weiteren Zahlungsstรถrungen vorliegen.
Dass eine Privatfirma Daten lรคnger vorhรคlt als das รถffentliche Register erscheint fragwรผrdig.
Wirtschaftliche Perspektive: Die Schufa und ihre Vertragspartner argumentieren, dass gerade auch erledigte negative Eintrรคge wichtige Signale fรผr zukรผnftige Risiken liefern. Dass das Instrumentarium der Kreditvergabe auf dieser Risikoeinschรคtzung basiert, ist nachvollziehbar.
Spannung: Hier prallen zwei legitime Interessen aufeinander โ das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einerseits, das wirtschaftliche Interesse an Risikovorsorge andererseits. Entscheidend wird sein, wie der BGH das โberechtigte Interesseโ im Sinne von Art.โฏ6 DSGVO im Verhรคltnis zur Verhรคltnismรครigkeit bewertet.
Ausblick: Kommt der BGH zu dem Schluss, dass Eintrรคge nach vollstรคndiger Begleichung sofort gelรถscht werden mรผssen, kรถnnten sich die Geschรคftsmodelle von Auskunfteien und Kreditgebern รคndern โ etwa hรถhere Risikoprรคmien oder verschรคrfte Bedingungen. Gleichwohl wรคre dies ein starker Fortschritt im Verbraucherschutz.
Fazit
Ja โ die Schufa darf Daten รผber erledigte Zahlungsstรถrungen derzeit grundsรคtzlich bis zu drei Jahre speichern (in Sonderfรคllen auf 18โฏMonate). Der Beleg dieser Praxis: Der Code of Conduct der Wirtschaftsauskunfteien. Aber:
Ob diese Frist im Einklang mit der DSGVO steht, wird aktuell vom BGH geprรผft. Fรผr Betroffene kann dieses Verfahren entscheidend sein โ wer eine Forderung beglichen hat, sollte prรผfen, ob nicht eine vorzeitige Lรถschung mรถglich ist.
Die Entscheidung kรถnnte nicht nur Einzelne betreffen, sondern das gesamte Bonitรคtswesen in Deutschland nachhaltig verรคndern.




