Rückwirkend höhere Rente mit Schwerbehinderung

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Wer sich nur noch wenige Monate von der Rente entfernt sieht, möchte Planungssicherheit. Besonders groß ist deshalb das Dilemma, wenn parallel zum Rentenantrag noch das Feststellungsverfahren für einen Schwerbehindertenausweis läuft. Denn ob zum Stichtag tatsächlich ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 bestätigt wird, entscheidet darüber, welche Altersrente infrage kommt und wie hoch die lebenslangen Abschläge ausfallen.

Zwei Wege in die vorgezogene Altersrente – und weshalb die Weichen jetzt gestellt werden müssen

Grundsätzlich können Versicherte mit mindestens 35 Beitragsjahren zwischen zwei vorgezogenen Altersrenten wählen: der Altersrente für langjährig Versicherte und der Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Beide Rentenarten erlauben den Eintritt vor der individuellen Regelaltersgrenze; sie unterscheiden sich aber in Startalter und Abschlagshöhe.

Für den Jahrgang 1964 und jünger liegt das abschlagsfreie Rentenalter für langjährig Versicherte bei 67 Jahren. Wer diese Rente schon mit 63 Jahren beansprucht, akzeptiert einen Abschlag von 0,3 Prozent pro vorgezogenem Monat – maximal also 14,4 Prozent.
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Bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen verschiebt sich der Maßstab: Die volle Rente wird – nach der stufenweisen Anhebung – mit 65 Jahren gezahlt; der frühestmögliche Start liegt drei Jahre früher, mithin bei 62 Jahren. Auch hier reduziert jeder Monat den Zahlbetrag um 0,3 Prozent, sodass maximal 10,8 Prozent verloren gehen.

Unter dem Strich ist die Rente für schwerbehinderte Menschen damit häufig um 24 Monate weniger belastet als die Alternative für langjährig Versicherte. Das sorgt in der Praxis für einen durchschnittlichen Vorteil von etwa 7,2 Prozentpunkten beim Abschlag.

Warum der Schwerbehindertenausweis die Stellschraube ist

Ob jemand die günstigere Rentenart tatsächlich erhält, entscheidet allein das Datum, an dem das Versorgungsamt oder die zuständige Landesbehörde den GdB 50 feststellt. Erst mit diesem rechtskräftigen Bescheid entsteht der Status „schwerbehindert“ im Sinne des SGB IX.

Wer den Nachweis nicht rechtzeitig beibringt, fällt automatisch auf die Altersrente für langjährig Versicherte zurück – inklusive der höheren Kürzung. Eine nachträgliche Umwandlung ist ausgeschlossen, sobald der erste Rentenbescheid bestandskräftig geworden ist.

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Das Feststellungsverfahren: Fristen, Bearbeitungsdauer und Rechtsmittel

Die gesetzlichen Behörden sollen einen Erstantrag grundsätzlich binnen drei Monaten bearbeiten; für Widerspruchsverfahren gilt dieselbe Obergrenze. In der Praxis kann sich die Entscheidung jedoch bis zu sechs Monate hinziehen, insbesondere wenn medizinische Gutachten eingeholt werden.

Bleibt die Behörde untätig, kann eine sogenannte Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Druck ausüben.

Gegen einen GdB unter 50 steht Versicherten binnen eines Monats nach Zustellung der Bescheids der Widerspruch offen. Wird auch dieser abgelehnt, ist der Klageweg eröffnet. Sozialverbände wie der SoVD oder der VdK begleiten ihre Mitglieder durch die Verfahren und übernehmen häufig die juristische Vertretung.

So füllen Sie den Rentenantrag richtig aus

Wer den Rentenbeginn nicht verschieben will, sollte seinen Antrag fristgerecht stellen – jedoch mit einem klaren Vermerk: „Es läuft ein Feststellungs-/Widerspruchsverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht, Aktenzeichen …“.

Dadurch bleibt die Deutsche Rentenversicherung verpflichtet, bei positivem Ausgang automatisch auf die Altersrente für schwerbehinderte Menschen umzuschwenken. Ohne diesen Hinweis ergeht der Bescheid endgültig als Rente für langjährig Versicherte, selbst wenn der Ausweis wenige Wochen später bewilligt würde.

Die Rentenversicherung prüft in solchen Fällen die Aktenlage regelmäßig nach und passt den Bescheid an, sobald der GdB 50 nachgewiesen wird. Das funktioniert jedoch nur, wenn der Statuswechsel im ursprünglichen Antrag ausdrücklich vorbehalten wurde.

Folgen eines verpassten Statuswechsels

Geht der Antragsteller fälschlich mit der ungünstigeren Rentenart in den Ruhestand, zementiert er die höheren Abschläge bis ans Lebensende – und zugleich in jeder späteren Hinterbliebenenrente.

Ein monatlicher Zahlbetrag von beispielsweise 1 400 Euro würde bei einem Abschlag von 14,4 Prozent dauerhaft um gut 202 Euro sinken; bei 10,8 Prozent läge der Verlust bei rund 151 Euro. Die Differenz summiert sich über die Jahre schnell auf einen fünfstelligen Betrag.

Was tun, wenn der Bescheid erst nach Rentenbeginn eintrifft?

Kommt die Schwerbehindertenfeststellung verspätet, aber innerhalb der im Antrag gesetzten Frist, zählt das Ausstellungsdatum des Ausweises rückwirkend auch für das Rentenrecht.

Die günstigere Rentenart gilt dann ab dem ersten Rentenmonat, Nachzahlungen werden automatisch angewiesen. Nur wenn die Behörde den GdB unter 50 lässt und der Versicherte keinen Rechtsbehelf einlegt, bleibt es bei der höheren Kürzung.

Fazit: Abschläge minimieren, indem Sie Ihr Verfahren transparent machen

Gerade in den letzten Monaten vor dem Ruhestand entscheidet präzises Fristen- und Formulierungsmanagement über viele tausend Euro an künftiger Rente. Wer den Schwerbehindertenausweis noch nicht in Händen hält, sollte den Rentenantrag dennoch rechtzeitig stellen, dabei aber das laufende Verfahren sowie das eigene Aktenzeichen zwingend angeben.

So bleibt die Tür zur Altersrente für schwerbehinderte Menschen offen – und mit ihr der spürbar geringere lebenslange Abschlag.

Für Betroffene lohnt sich, die Bearbeitungsdauer beim Versorgungsamt aufmerksam zu verfolgen und nötigenfalls Widerspruch oder Untätigkeitsklage einzulegen. Denn am Ende zählt einzig ein fristgerechter Bescheid über mindestens GdB 50, damit sich jahrelange Beitragsleistung auch finanziell bestmöglich auszahlt.