Wer bereits heute eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) bezieht, sammelt damit keine Monate für die 45-jährige Wartezeit der abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Ausschlaggebend bleiben ausschließlich echte Pflichtbeiträge, etwa aus Beschäftigung, Pflege oder Kindererziehung.
Zugleich verschiebt sich das frühestmögliche Eintrittsalter ohne Abschläge: Für den Jahrgang 1961 liegt es bei 64 Jahren und 6 Monaten, ab Jahrgang 1964 erst bei 65 Jahren. Frühzeitige Planung spart spürbare Rentenkürzungen.
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45-Jahre-Wartezeit: Diese Zeiten zählen 2025
Pflichtbeiträge aus sozialversicherungspflichtiger Arbeit, Aufstockungsbeiträge im Minijob, Kindererziehungszeiten sowie Pflege von Angehörigen fließen in die begehrte 45-Jahre-Bilanz ein. Auch Zeiten mit Lohnersatzleistungen – etwa Krankengeld oder Kurzarbeitergeld – werden angerechnet, sofern dabei Rentenbeiträge abgeführt wurden.
Zurechnungszeiten der EM-Rente fehlen dagegen. Wer also mehrere Jahre lediglich von der EM-Rente lebt, verpasst wertvolle Beitragsmonate und riskiert später Abschläge.
Warum Zurechnungszeiten außen vor bleiben
Der Gesetzgeber hat Zurechnungszeiten eingeführt, um die Höhe der EM-Rente zu verbessern. Die Deutsche Rentenversicherung rechnet dabei so, als hätte die versicherte Person bis zum 67. Geburtstag weitergearbeitet. Das Prinzip erhöht das monatliche EM-Rentenniveau, ändert jedoch nichts an der realen Beitragsgeschichte.
Für die 45-Jahre-Grenze zählen weiterhin nur Kalendermonate, in denen tatsächlich Pflichtbeiträge eingezahlt wurden. Die Diskrepanz führt dazu, dass selbst langjährig Versicherte den abschlagsfreien Ruhestand verpassen, wenn sie vorzeitig erwerbsgemindert werden.
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Altersgrenze wandert nach oben
Die landläufige Formel „Rente mit 63“ gilt seit Jahren nur noch für Menschen, die vor 1953 geboren wurden. Für alle jüngeren Geburtsjahrgänge klettert das abschlagsfreie Renteneintrittsalter schrittweise:
- Jahrgang 1961: 64 Jahre + 6 Monate
- Jahrgang 1962: 64 Jahre + 8 Monate
- Jahrgang 1963: 64 Jahre + 10 Monate
- Jahrgang 1964 und jünger: 65 Jahre
Die stufenweise Anhebung soll die Rentenkasse stabilisieren, trifft aber insbesondere Beschäftigte mit körperlich belastenden Berufen. Wer die 45-Jahre-Marke nicht knackt, kann zwar weiterhin früher aufhören, zahlt jedoch 0,3 Prozent Abschlag pro vorgezogenem Monat – lebenslang.
Erwerbsminderungsrente steigert nur das aktuelle Einkommen
Seit 2019 verlängert jede Reform die Zurechnungszeit um weitere Monate, inzwischen bis zur Regelaltersgrenze 67. Das verbessert die EM-Rente spürbar. Gleichzeitig blockieren längere EM-Phasen die Option „abschlagsfrei nach 45 Jahren“. Eine Reha- oder Teilhabemaßnahme kann helfen, wieder rentenpflichtige Arbeit aufzunehmen und so die Lücke zu schließen. Ohne zusätzliche Beiträge bleibt der Schritt in die Altersrente später teurer.
Praxisbeispiel: Sabine M. aus Hannover
Sabine ist 1962 geboren und hat nach 41 Pflichtbeitragsjahren einen Schlaganfall erlitten. Seit ihrem 62. Geburtstag erhält sie eine volle EM-Rente. Rein rechnerisch schreibt ihr Rentenkonto nun bis 67 weiter, doch für die 45-Jahre-Wartezeit fehlen tatsächlich vier Beitragsjahre.
Sabine dürfte zwar mit 64 Jahren und 8 Monaten in die Altersrente wechseln, müsste dann aber dauerhaft Abschläge hinnehmen. Erst wenn sie weitere 48 Pflichtbeitragsmonate sammelt, kann sie ohne Abzüge in Rente gehen.
Beitragslücken gezielt schließen
Die Flexirente-Reform von 2023 hat die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Renten aufgehoben. Wer gesundheitlich dazu in der Lage ist, kann deshalb neben der EM-Rente unbegrenzt arbeiten. Im Minijob gilt seit 1. Januar 2025 eine monatliche Verdienstgrenze von 556 Euro.
Wer die Rentenversicherungspflicht nicht abwählt, erwirbt pro Kalendermonat einen vollen Beitragsmonat und somit einen weiteren Baustein für die 45-Jahre-Bilanz.
Pflichtbeitrag aktivieren: Steht im Minijob die Rentenversicherungspflicht, zählt jeder Monat.
Freiwillige Beiträge nutzen: Selbstständige oder gesundheitlich stark eingeschränkte Personen können nach mindestens 18 Pflichtbeitragsjahren freiwillig einzahlen und so ihre Wartezeit auffüllen.
Der finanzielle Vorteil rechnet sich: Wer einen Bruttoverdienst von 500 Euro im Monat hat, zahlt selbst knapp 18 Euro Beitrag und erhält dafür nicht nur Rentenpunkte, sondern auch den wichtigen Pflichtbeitragsmonat.
Politischer Hintergrund
Frühverrentung ohne Abschläge erfreut sich wachsender Beliebtheit: 2024 entschieden sich rund 270 000 Versicherte für diesen Weg – ein Rekord. Die Rentenausgaben stiegen parallel auf 286 Milliarden Euro. Fachleute diskutieren daher, ob die 45-Jahre-Regel angesichts des demografischen Wandels noch zeitgemäß ist. Reformideen reichen von einer Reduzierung der Anrechnungszeiträume bis zu einer kompletten Abschaffung des Modells.