Die Debatte über die Rente nimmt Fahrt auf. Ein von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche berufener Ökonomen-Beraterkreis hat ein Impulspapier vorgelegt. Die Autorinnen und Autoren skizzieren sechs Eingriffe, die das System dauerhaft entlasten sollen. Das könnte in Zukunft bedeuten:
Mehr Rentenalter-Dynamik, gedämpfte Rentensteigerungen und ein Pflicht-Vorsorgekonto stehen zur Diskussion. Gesetzt ist das nicht – aber es setzt den politischen Rahmen für 2026 und danach.
Inhaltsverzeichnis
Rentenalter an Lebenserwartung koppeln
Der Vorschlag ist klar: Steigt die fernere Lebenserwartung, steigt automatisch das Rentenalter. Zwei Drittel der gewonnenen Lebensjahre gehen in Arbeit, ein Drittel in den Ruhestand. Ab 2031 würde das Rentenalter etwa alle zehn Jahre um ein halbes Jahr steigen. Die Marke von 69 Jahren läge demnach in den frühen 2070er Jahren. Ziel ist Planbarkeit ohne jährliche Grundsatzdebatten. Politisch beschlossen ist das nicht.
Rentenerhöhungen: Preise statt Löhne
Heute orientieren sich Bestandsrenten an der Lohnentwicklung. So partizipieren Renten an Produktivitätszuwächsen. Der Beraterkreis schlägt vor, Bestandsrenten künftig nur an die Inflation anzupassen. Die Kaufkraft bliebe gesichert, die Rentenkassen würden aber weniger belastet. Für Neurentner gälte weiter die Rentenformel, Änderungen wären politisch zu regeln.
Standardrentner neu definieren: 47 statt 45 Jahre
Die Haltelinie von 48 Prozent basiert auf einem Standardrentner mit 45 Beitragsjahren. Da die Regelaltersgrenze auf 67 steigt, soll der Standard künftig 47 Beitragsjahre ansetzen. Das dämpft die finanziellen Wirkungen der Haltelinie. Auch das ist ein Vorschlag, kein Beschluss.
Nachhaltigkeitsfaktor zurück in die Formel
Der Nachhaltigkeitsfaktor koppelt Rentenanpassungen an das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern. In Alterungsphasen wirkt er bremsend. Die Autorinnen und Autoren fordern seine Wiedereinsetzung, gegebenenfalls mit stärkerem Gewicht. Begründung: automatische Stabilisierung und weniger Ad-hoc-Politik.
Rente mit 63 beschneiden, Mütterrente nicht ausweiten
Frühverrentung soll es nur noch über enge Härtefallregeln geben. Die „Rente mit 63“ in heutiger Form soll entfallen. Vorzeitige Zugänge sollen zudem versicherungsmathematisch „korrekt“ bepreist werden, also mit höheren Abschlägen. Zugleich soll die Mütterrente nicht weiter ausgedehnt werden. Diese Linie richtet sich gegen Pläne, Leistungen auszuweiten.
Pflicht-Vorsorgekonto für alle Erwerbstätigen
Der Kreis empfiehlt ein verpflichtendes Altersvorsorgekonto für alle Erwerbstätigen. Einzahlungen fließen in staatlich zertifizierte, breit gestreute Fonds. Ein Opt-out in private Angebote soll möglich sein. Die Einbeziehung weiterer Gruppen in die gesetzliche Rente lehnen die Autoren ab; die Kapitaldeckung soll die Umlage ergänzen.
Was bedeutet das konkret für Sie?
Zunächst: Es handelt sich um ein Impulspapier, keine Gesetzesvorlage. Die Vorschläge setzen die Agenda. Über Inhalte entscheidet der Gesetzgeber. In der Koalition gibt es Widerspruch gegen ein höheres Rentenalter. Kurzfristige Änderungen zum 1. Januar 2026 sind möglich, aber offen. Rechnen Sie mit zügigen Verhandlungen.
Wenn Sie einen früheren Rentenbeginn planen, prüfen Sie Ihren Versicherungsverlauf. Wichtig sind Wartezeiten und Lücken. Frühere Zugänge könnten teurer werden. Wer die 45-Jahre-Wartezeit anpeilt, sollte Zeitpunkte genau kalkulieren. Härtefall-Türen bleiben nach den Vorschlägen zwar offen. Der Zugang würde aber enger und stärker belegt.
Wenn Sie bereits Rente beziehen, betreffen Sie primär die Anpassungsregeln. Eine reine Preisbindung schützt Ihre Kaufkraft. Sie nimmt Ihnen aber die Beteiligung an künftigen Lohnsteigerungen. Prüfen Sie deshalb zusätzliches Einkommen und Freibeträge, etwa aus Minijob und Hinzuverdienst. Das senkt die Abhängigkeit von der jährlichen Rentenanpassung.
Wenn Sie ein mittleres Einkommen haben, kann das Pflicht-Vorsorgekonto Ihre Sparquote vorgeben. Das mindert Gestaltungsspielräume im Budget. Dafür wächst ein kapitalgedeckter Baustein. Wer schon privat spart, müsste die neue Struktur in das eigene Portfolio einpassen.
Was jetzt wichtig wird
Behalten Sie die politische Reaktion im Blick. Das Papier stammt aus dem Umfeld des Wirtschaftsministeriums. Es legt Tempo nahe und nennt internationale Beispiele wie Dänemark und Schweden. Arbeits- und Sozialressorts werden eigene Linien setzen. Kompromisse sind wahrscheinlich: dynamisches Rentenalter mit sozialer Flankierung, vorsichtige Rückkehr des Nachhaltigkeitsfaktors, begrenzte Kapitaldeckung. Konkrete Paragrafen fehlen noch.
Ihre nächsten Schritte
Sichern Sie Ihren Versicherungsverlauf bei der Deutschen Rentenversicherung. Fordern Sie eine Kontenklärung an. Halten Sie Nachweise für Kindererziehungszeiten, Pflegezeiten und Zeiten mit Teilzeit bereit. Wer den vorzeitigen Ruhestand plant, sollte Alternativen prüfen: längerer Verbleib mit Teilrente, Zuverdienst, Stufenmodell im Job. Lassen Sie sich Beratungsfristen geben und holen Sie Rentenauskünfte schriftlich ein.