Pflegegeld Reform 2026: Was passiert mit dem Pflegegrad 1? Diese Änderungen kommen

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Seit einigen Wochen flammt die Diskussion erneut auf, ob der Pflegegrad 1 abgeschafft werden soll. Im Raum stehen Sparargumente, Reformideen und der Anspruch, Pflege zukunftsfest zu organisieren. Einiges von dem ist bereits jetzt bekannt, wie die Pflegereform 2026 aussehen soll.

Welche Leistungen umfasst Pflegegrad 1 derzeit?

Im Unterschied zu den Pflegegraden 2 bis 5 eröffnet der Pflegegrad 1 keinen Anspruch auf Pflegegeld und keine unmittelbaren Pflegesachleistungen. Dennoch stehen eine Reihe von Unterstützungsangeboten zur Verfügung, die den Alltag stabilisieren und Entlastung schaffen.

Dazu zählen eine kostenfreie Pflegeberatung sowie Kurse für pflegende Angehörige, um Wissen, Sicherheit und Selbstorganisation zu stärken. Zentral ist der Entlastungsbetrag von monatlich 131 Euro, der für anerkannte Unterstützungsangebote im Alltag eingesetzt werden kann, etwa für Betreuungs- und Hilfsleistungen im Haushalt, für teilstationäre Tages- oder Nachtpflege, für Kurzzeitpflege oder für bestimmte ambulante Leistungen.

Nicht genutzte Beträge können über einen definierten Zeitraum angespart werden, sodass auch größere Bedarfe gebündelt finanzierbar bleiben.

Hinzu kommen Sachleistungen zur Bewältigung des Pflegealltags, etwa zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel in Höhe von bis zu 42 Euro monatlich. Diese Mittel decken zum Beispiel Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe oder Bettschutzeinlagen ab.

Für bauliche Anpassungen an der Wohnung, die die Selbstständigkeit sichern, kann ein Zuschuss von bis zu 4.180 Euro je Maßnahme gewährt werden, etwa für einen barrierearmen Badumbau oder einen Treppenlift.

Ebenfalls möglich ist ein Zuschuss von 25,50 Euro monatlich für einen Hausnotruf, der das Sicherheitsgefühl erhöht und im Ernstfall schnelle Hilfe organisiert.

Wer in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt oder eine solche gründet, kann eine einmalige Anschubfinanzierung in Höhe von 2.613 Euro sowie einen monatlichen Zuschlag von 224 Euro pro Bewohnerin bzw. Bewohner erhalten, sofern die Voraussetzungen vorliegen.

Perspektivisch sind digitale Pflegeanwendungen mit bis zu 53 Euro monatlich vorgesehen, die den Pflegealltag mittels Apps oder Programme strukturieren und entlasten sollen; die praktische Umsetzung steckt allerdings noch in den Anfängen.

Warum wird die Abschaffung überhaupt diskutiert?

Die soziale Pflegeversicherung steht angesichts des demografischen Wandels, steigender Leistungsansprüche und höherer Kosten seit Jahren unter Druck.

Trotz Beitragsanpassungen in den Jahren 2023 und 2025 wird für 2026 ein weiteres Defizit erwartet. Vor diesem Hintergrund untersucht eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, wie Versorgung und Finanzierung langfristig gesichert werden können.

In die Debatte eingespeist wurde die Idee, Pflegegrad 1 abzuschaffen, um Verwaltung zu vereinfachen und Mittel zu bündeln. Modellrechnungen beziffern das jährliche Einsparvolumen auf rund 1,8 Milliarden Euro. Diese Zahl hat der Diskussion Schub verliehen, auch wenn sie nur eine von mehreren Stellschrauben im komplexen System beschreibt.

Der aktuelle Stand: Weiterentwicklung statt Abschaffung

Ein aktueller Bericht der Bund-Länder-Gruppe vom 13. Oktober lehnt die Abschaffung von Pflegegrad 1 ab und skizziert stattdessen einen Kurs der Weiterentwicklung. Im Zentrum steht die Idee, Leistungen für Menschen mit geringem Unterstützungsbedarf stärker auf Prävention und Rehabilitation auszurichten.

Eine frühe, fachpflegerische, präventionsorientierte Begleitung soll Pflegebedürftigkeit verzögern, Selbstständigkeit erhalten und Folgekosten mindern. Geplant ist, regelmäßige Beratung, strukturierte Hausbesuche und digitale Hilfen systematisch zu verankern.

Um dies zu finanzieren, wird diskutiert, den bestehenden Entlastungsbetrag ganz oder teilweise umzuwidmen, ohne die Finanzierung alltagsnaher Unterstützungsangebote aus dem Blick zu verlieren.

Die Arbeitsgruppe betont zugleich, dass die bisherigen Leistungen in Pflegegrad 1 die gesteckten Präventionsziele nicht ausreichend erreichen. Parallel soll das Begutachtungsinstrument überprüft werden.

Der Medizinische Dienst ist aufgefordert, Kriterien und Schwellenwerte der Einstufung auf Wirksamkeit und Passgenauigkeit zu prüfen und Anpassungsvorschläge vorzulegen. Ziel ist, den Zugang zu Leistungen konsistenter mit den intendierten präventiven Effekten zu verzahnen.

Tabelle: Was soll sich mit der Pflegereform ändern?

Thema Geplante Änderung / Neuausrichtung
Aktueller Stand Abschaffung von Pflegegrad 1 abgelehnt; stattdessen Weiterentwicklung vorgesehen.
Strategische Zielrichtung Stärkerer Fokus auf Prävention und Rehabilitation, um Pflegebedürftigkeit zu verzögern und Selbstständigkeit zu erhalten.
Frühe fachpflegerische Begleitung Einführung bzw. Ausbau einer frühen, präventionsorientierten, fachpflegerischen Begleitung für Menschen mit geringem Unterstützungsbedarf.
Regelmäßige Beratung & Hausbesuche Verbindliche, wiederkehrende Beratungsangebote sowie strukturierte Hausbesuche als fester Bestandteil der Versorgung.
Digitale Unterstützung Systematischer Einsatz digitaler Hilfen zur Begleitung und Stabilisierung im Alltag; digitale Komponenten als Teil der präventiven Betreuung.
Entlastungsbetrag Teilweise oder vollständige Umwidmung zur Finanzierung der präventiven Begleitung; alltagsnahe Unterstützungsangebote (z. B. Haushalt, Betreuung) bleiben weiterhin darüber finanzierbar.
Begutachtungsinstrument Überprüfung der Einstufungskriterien durch den Medizinischen Dienst; mögliche Anpassungen der Schwellenwerte und Anforderungen.
Verzahnung ambulanter und stationärer Budgets Bessere Verknüpfung der Finanzierungsströme, um Mittel je nach individuellem Bedarf flexibler einsetzen zu können; der „gemeinsame Jahresbetrag“ gilt als erster Schritt.
Absicherung pflegender Angehöriger Aufbau regionaler Pflegenotrufstrukturen und Schaffung von Notfallpflegeplätzen in der Kurzzeitpflege.
Grundprinzipien der Finanzierung Fortführung der Pflegeversicherung als Umlage- und Teilleistungssystem; Begrenzung der Eigenanteile; Dämpfung weiterer Kostenanstiege ohne Leistungskürzungen.
Pflegevorsorge (Sondervermögen) Weiterentwicklung des staatlich verwalteten Sondervermögens zur langfristigen Stabilisierung der Pflegeversicherung.

Hürden in der Praxis: Wenn Leistungen nicht ankommen

Ein zentraler Befund aus Studien und Verbandsberichten lautet, dass ein erheblicher Teil der Anspruchsberechtigten vorhandene Leistungen gar nicht abruft. So zeigte ein Abschlussbericht des Sozialverbands VdK im Februar 2023, dass fast 80 Prozent der Befragten den Entlastungsbetrag nicht genutzt haben.

Gründe reichen von mangelnder Information über komplizierte Abrechnungswege bis hin zu fehlenden anerkannten Anbietern vor Ort. Eine flexiblere, niedrigschwellige Verwendung des Entlastungsbetrags – gerade bei Pflegegrad 1 – könnte demnach die Versorgung sichtbar verbessern. Wo der Betrag schneller, unbürokratischer und individueller einsetzbar ist, steigen Nutzungsquote und Wirkung.

Neben der Neujustierung von Pflegegrad 1 richtet die Bund-Länder-Gruppe den Blick auf die Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Budgets sollen künftig besser miteinander verknüpft werden, um Mittel je nach individuellem Bedarf flexibler einzusetzen.

Der sogenannte gemeinsame Jahresbetrag, der bereits in diesem Jahr erprobt wurde, gilt als Schritt in diese Richtung. Solche Modelle könnten helfen, Versorgungslücken zu schließen, bedarfsgerechte Kombinationen zu ermöglichen und Mehraufwand durch Zuständigkeitswechsel zu vermeiden.

Mehr Sicherheit für pflegende Angehörige

Pflegende Angehörige tragen einen Großteil der Versorgung in Deutschland. Geplant ist daher auch eine bessere Absicherung dieser Personengruppe, etwa durch regionale Pflegenotrufstrukturen oder die Schaffung von Notfallpflegeplätzen in der Kurzzeitpflege.

Solche Vorkehrungen geben Familien Handlungssicherheit, wenn sich Pflegesituationen plötzlich verändern, und entlasten in Krisen. Konkrete Umsetzungsbeschlüsse stehen noch aus, doch die Stoßrichtung ist klar: Unterstützung soll verlässlicher und im Ernstfall schneller verfügbar werden.

Eigenanteile sollen begrenzt, Kostenanstiege gedämpft werden

Politisch besteht bisher Einigkeit darüber, die Pflegeversicherung als Umlage- und Teilleistungssystem fortzuführen. Eigenanteile sollen begrenzt, Kostenanstiege gedämpft und Leistungen nicht gekürzt werden.

Zur langfristigen Stabilisierung wird zudem die seit 2015 bestehende Pflegevorsorge – ein staatlich verwaltetes Sondervermögen – als Baustein weiterentwickelt. Der Ansatz verbindet kurzfristige Handlungsfähigkeit mit einer vorausschauenden Reservepolitik, um dem demografischen Druck nicht allein mit Beitragssprüngen zu begegnen.

Was bedeutet das alles für Betroffene?

Für Menschen mit Pflegegrad 1 ändert sich aktuell nichts am Leistungsanspruch. Die Debatte hat jedoch eine klare Richtung: Weg von rein kompensatorischen Hilfen hin zu einem stärkeren Fokus auf Prävention, früher Beratung und gezielten Interventionen im häuslichen Umfeld.

Wer Anspruch auf Pflegegrad 1 hat, sollte die bestehenden Beratungsangebote aktiv nutzen, den Entlastungsbetrag planvoll einsetzen und bei Umbaubedarfen frühzeitig klären, welche Förderungen möglich sind.

Wo Leistungen bisher schwer zugänglich erscheinen, lohnt sich beharrliches Nachfragen bei der Pflegekasse, der kommunalen Beratungsstelle oder anerkannten Diensten; häufig lassen sich Hürden durch praktische Hinweise oder Verweisberatung überwinden.

Exkurs: Was bedeutet eigentlich Pflegegrad 1?

Mit der bisherigen Pflegereform wurden die bisherigen Pflegestufen in fünf Pflegegrade überführt. Pflegegrad 1 ist die niedrigste Stufe und richtet sich an Menschen mit geringem Unterstützungsbedarf. Die Einstufung erfolgt nach Antragstellung durch den Medizinischen Dienst anhand eines Begutachtungsinstruments, das Einschränkungen der Selbstständigkeit in sechs Lebensbereichen bewertet.

Ende 2024 waren rund 860.000 Menschen dem Pflegegrad 1 zugeordnet – eine Gruppe, die häufig noch weitgehend selbstständig lebt, jedoch punktuelle Hilfen benötigt, um den Alltag zu bewältigen oder um Überforderung von Angehörigen vorzubeugen.

Ausblick

Die Diskussion über Pflegegrad 1 ist ein Prüfstein für die grundsätzliche Ausrichtung der Pflege: Sollen Mittel vor allem dort eingesetzt werden, wo Pflegebedürftigkeit bereits manifest ist, oder früher, um Abhängigkeiten zu verhindern und die Selbstständigkeit zu verlängern?

Die Bund-Länder-Gruppe tendiert klar zur zweiten Variante. Ob daraus eine spürbare Entlastung für Betroffene wird, entscheidet sich an der konkreten Ausgestaltung: an verständlichen Regeln, unbürokratischen Zugängen und ausreichender Finanzierung. Bis dahin gilt: Leistungen prüfen, Beratung nutzen, Ansprüche sichern – und die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen.