Lohnfortzahlung bei Krankheit: Nur das darf der Arbeitgeber wissen

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Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall โ€“ welche Gesundheitsdaten darf der Arbeitgeber sehen?

Arbeitgeber sind im Krankheitsfall verpflichtet, bis zu sechsโ€ฏWochen weiterhin den Lohn der erkrankten Beschรคftigten zu zahlen (ยงโ€ฏ3โ€ฏAbs.โ€ฏ1โ€ฏS.โ€ฏ1โ€ฏEFZG). Voraussetzung ist allerdings, dass das Arbeitsverhรคltnis zuvor mindestens vier Wochen ununterbrochen bestanden hat (ยงโ€ฏ3โ€ฏAbs.โ€ฏ3โ€ฏEFZG). Nach Ablauf der sechs Wochen springt die Krankenkasse ein und zahlt Krankengeld. Um zu prรผfen, ob (und in welcher Hรถhe) eine Entgeltfortzahlung geschuldet ist, benรถtigt der Arbeitgeber bestimmte Informationen โ€“ doch hier beginnt der Datenschutz der Arbeitnehmer\innen.

In Nordrheinโ€‘Westfalen hat der Landesbeauftragte fรผr Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) deshalb einen aktuellen Leitfaden verรถffentlicht, der prรคzisiert, bis zu welcher Grenze Gesundheitsdaten verarbeitet werden dรผrfen. Die folgenden Abschnitte fassen die wesentlichen Punkte zusammen und ergรคnzen den bisherigen รœberblick um wichtige Details.

Welche Erkrankungen sind relevant?

Die rechtliche Situation unterscheidet sich danach, ob die Arbeitsunfรคhigkeit

  • lรคnger als sechsโ€ฏWochen ununterbrochen andauert oder
  • mehrfach innerhalb eines Jahres โ€“ ggf. mit Unterbrechungen โ€“ wegen derselben Ursache auftritt.

Neues Krankheitsbild oder Fortsetzungserkrankung?

Nach den ersten sechs Wochen einer Erkrankung รผbernimmt die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld. Wird eine Arbeitnehmerin spรคter erneut wegen derselben Krankheit arbeitsunfรคhig, lรถst dies nicht automatisch einen neuen Sechsโ€‘Wochenโ€‘Anspruch aus. Vielmehr werden die Zeitrรคume zusammengezรคhlt (sog. Fortsetzungserkrankung).

Ein neuer Anspruch entsteht erst, wenn

  1. die\der Beschรคftigte mindestens sechs Monate am Stรผck nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfรคhig war oder
  2. zwรถlf Monate seit Beginn der ersten Arbeitsunfรคhigkeit vergangen sind (ยงโ€ฏ3โ€ฏAbs.โ€ฏ1โ€ฏS.โ€ฏ2โ€ฏEFZG).

Welche Daten bekommt der Arbeitgeber?

Seit dem 1.โ€ฏJanuarโ€ฏ2023 lรคuft die Arbeitsunfรคhigkeitsbescheinigung weitgehend papierlos รผber das elektronische AUโ€‘Verfahren (eAU). Der Arbeitgeber ruft die Daten bei der Krankenkasse ab (EELโ€‘Datensatzโ€ฏ1). Dabei erhรคlt er ausschlieรŸlich

  • Name und Geburtsdatum,
  • Beginn und Ende der AU,
  • Datum der รคrztlichen Feststellung.

Diagnosen enthรคlt der Datensatz ausdrรผcklich nicht. Will der Arbeitgeber klรคren, ob es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt, kann er eine Vorerkrankungsabfrage (EELโ€‘Datensatzโ€ฏ41) bei der Kasse durchfรผhren oder den Medizinischen Dienst (MD) einschalten. Eine Einsicht in Patientenakten ist nur in absolut notwendigen Ausnahmefรคllen zulรคssig.

Rechtsgrundlagen

Art.โ€ฏ9โ€ฏAbs.โ€ฏ2โ€ฏb DSGVO โ€“ Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zur Erfรผllung arbeitsrechtlicher Pflichten.
ยงโ€ฏ26โ€ฏAbs.โ€ฏ3โ€ฏBDSG โ€“ Datenverarbeitung zu Beschรคftigungszwecken.

Erforderlichkeits- und Datensparsamkeitsprinzip

Arbeitgeber dรผrfen Gesundheitsdaten nur verarbeiten, soweit dies tatsรคchlich erforderlich ist, um ihre Pflichten aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu erfรผllen. Ein bloรŸer Verdacht auf eine Fortsetzungserkrankung genรผgt nicht. Konkrete Anhaltspunkte kรถnnen sein:

  • enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den AUโ€‘Zeiten,
  • Gleichartigkeit der Erkrankungen (etwa jeweils ยปRรผckenยซ),
  • Kombination beider Faktoren.

Vor jeder Datenverarbeitung sind mildere Mittel zu prรผfen โ€“ etwa die Vorerkrankungsabfrage bei der Krankenkasse.

Freiwillige Einwilligung? Oft problematisch

Zusรคtzliche Gesundheitsdaten dรผrfen regelmรครŸig nur mit Einwilligung der Beschรคftigten verarbeitet werden. Diese Einwilligung muss freiwillig, informiert und jederzeit widerrufbar sein (ยงโ€ฏ26โ€ฏAbs.โ€ฏ2โ€ฏBDSG). Im Kontext der Lohnfortzahlung steht die Freiwilligkeit jedoch hรคufig in Frage, weil Arbeitnehmer\innen ihren Lohnanspruch gefรคhrdet sehen.

Datensicherheit, Aufbewahrung und Lรถschung

Gesundheitsdaten sind getrennt von der Personalakte und mittels angemessener technischer und organisatorischer MaรŸnahmen (ยงโ€ฏ32โ€ฏDSGVO) besonders zu schรผtzen. Sie dรผrfen nur so lange gespeichert werden, wie es zur Prรผfung oder Durchsetzung von Ansprรผchen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz notwendig ist. Danach sind sie zu lรถschen. MaรŸgeblich sind die gesetzlichen Verjรคhrungsfristen sowie tarifliche Ausschlussfristen.

Weitergabe an Dritte

Eine interne Weitergabe ist nur zulรคssig, wenn sie fรผr den genannten Zweck erforderlich ist (z.โ€ฏB. Lohnbuchhaltung, Personalabteilung). Extern kรถnnen Daten an Rechtsanwรคlt\innen oder Gerichte weitergegeben werden, wenn der Arbeitgeber sich gegen Ansprรผche verteidigt (Art.โ€ฏ9โ€ฏAbs.โ€ฏ2โ€ฏfโ€ฏDSGVO).

Umlageโ€ฏU1 fรผr kleine Betriebe

Kleine Unternehmen erhalten einen GroรŸteil ihrer Aufwendungen รผber die Umlageโ€ฏU1 nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) erstattet. Das reduziert zwar das finanzielle Risiko, รคndert aber nichts an den strengen Datenschutzanforderungen.

Fazit

Der Leitfaden des LDI NRW macht klar: Fรผr die Prรผfung der Entgeltfortzahlung gilt ein strenges Erforderlichkeitsprinzip. Arbeitgeber dรผrfen nur die absolut notwendigen Gesundheitsdaten verarbeiten und mรผssen Diagnosen grundsรคtzlich drauรŸen lassen. Die eAU erleichtert den Prozess, ohne den Datenschutz auszuhรถhlen โ€“ vorausgesetzt, Betriebe setzen die Vorgaben konsequent um.