Krankengeld oder Arbeitslosengeld – was ist höher?

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Auf den ersten Blick klingt die Frage einfach: „Was ist höher – Krankengeld oder Arbeitslosengeld?“ In der Praxis hängt die Antwort aber von mehreren Faktoren ab: vom bisherigen Einkommen, von Kindern im Haushalt, vom Versicherungsstatus, von Beitragsbemessungsgrenzen und sogar von der Frage, ob jemand aus einem Arbeitsverhältnis heraus krank wird oder schon arbeitslos ist.

Trotzdem lässt sich eine Tendenz formulieren:
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aus einem sozialversicherungspflichtigen Job heraus länger krank werden, ist das Krankengeld in der Regel höher als das Arbeitslosengeld I, das sie später bei Arbeitslosigkeit erhalten würden.

Es gibt aber wichtige Ausnahmen – vor allem bei sehr hohen Einkommen und für Menschen, die bereits arbeitslos sind. Um das einzuordnen, lohnt ein genauer Blick auf beide Leistungen.

Krankengeld: Lohnersatz bei längerer Krankheit

Krankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Es greift, wenn die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers nach sechs Wochen endet und die Erkrankung weiterhin andauert.

Höhe des Krankengeldes

Die Berechnung folgt so:

  • Grundlage ist das regelmäßige beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
  • Das Krankengeld beträgt 70 Prozent des Bruttolohns, aber höchstens 90 Prozent des Nettoentgelts.
  • Außerdem gibt es einen gesetzlichen Höchstbetrag pro Tag: 2025 liegt dieser bei 128,63 Euro kalendertäglich.

Praktisch bedeutet das:
Wer ein eher geringes oder mittleres Einkommen hat, landet häufig bei der 90-Prozent-Netto-Grenze. Wer gut verdient, stößt eher an die tägliche Obergrenze. Wichtig ist außerdem:

Das, was umgangssprachlich als „Krankengeld“ bezeichnet wird, ist zunächst ein Bruttobetrag. Von diesem werden die Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung abgezogen; Beiträge zur Krankenversicherung fallen während des Krankengeld-bezugs nicht an.

In vielen Beispielen bleibt nach diesen Abzügen ein Betrag, der sich ungefähr im Bereich von rund 75 bis 80 Prozent des früheren Nettogehalts bewegt – je nach individueller Situation, Kinderzahl und Beitragssätzen. Das ist aber nur eine Faustregel, keine feste Quote.

Dauer des Anspruchs

Krankengeld wird für bis zu 78 Wochen innerhalb von drei Jahren wegen derselben Erkrankung gezahlt, einschließlich der Zeiten, in denen bereits Krankengeld oder andere Lohnersatzleistungen we-gen dieser Krankheit gezahlt wurden.

Dem geht in der Regel eine Phase von bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber voraus, in der das volle Gehalt weiterläuft.

Arbeitslosengeld I: Sicherung bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit

Das klassische „Arbeitslosengeld“ im Sinn einer Versicherungsleistung ist das Arbeitslosengeld I (ALG I). Rechtsgrundlage ist das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Anspruch hat, wer unter anderem arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat und in den letzten 30 Monaten mindestens zwölf Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat.

Wie wird das Arbeitslosengeld I berechnet?

Die Berechnung läuft in mehreren Schritten: Zunächst wird ein Bemessungsentgelt pro Tag ermittelt. Es ergibt sich aus dem durchschnittlichen sozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommen der letzten zwölf Monate (in besonderen Fällen 24 Monate), geteilt durch die Zahl der Tage im Bemessungszeitraum. Dieses Bemessungsentgelt ist nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Von diesem Tagesbrutto zieht die Agentur für Arbeit dann:

    • eine pauschale Sozialversicherung von 20 Prozent sowie
    • die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag (je nach Steuerklasse)

ab. Übrig bleibt das sogenannte Leistungsentgelt, also ein pauschaliertes Netto. Darauf wird ein Prozentsatz angewendet:

  • 60 Prozent des Leistungsentgelts für Arbeitslose ohne Kind
  • 67 Prozent, wenn mindestens ein Kind im Sinne des Einkommensteuerrechts im Haushalt be-rücksichtigt wird

Das Ergebnis ist das tägliche Arbeitslosengeld, das dann mit 30 multipliziert als Monatsbetrag ausgezahlt wird. In der Praxis liegt das ALG I damit meist bei rund 60 bis 67 Prozent des früheren Nettogehalts, wobei der Wert wegen des pauschalierten Rechenwegs etwas abweichen kann.

Sozialversicherung während ALG I

Wer Arbeitslosengeld I erhält, bleibt in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung pflichtversichert. Die Beiträge zahlt die Bundesagentur für Arbeit vollständig, also inklusive des sonst vom Arbeitgeber getragenen Anteils.

Für die Betroffenen bedeutet das: Das ALG I selbst wird nicht für Sozialversicherungsbeiträge gekürzt, und trotzdem laufen wichtige Versicherungszeiten (etwa für die Rente) weiter.

Bürgergeld: Wenn „Arbeitslosengeld“ eigentlich Grundsicherung meint

Im Alltag wird „Arbeitslosengeld“ häufig unscharf verwendet und meint manchmal nicht ALG I, sondern das frühere Arbeitslosengeld II („Hartz IV“), das seit 2023 Bürgergeld heißt.

Bürgergeld ist keine Versicherungsleistung, sondern eine steuerfinanzierte Grundsicherung für Men-schen, die bedürftig sind – unabhängig davon, ob sie vorher gearbeitet haben oder nicht.

2025 liegt der Regelsatz für alleinstehende Erwachsene bei 563 Euro pro Monat, für Paare bei 506 Euro je Partner.

Hinzu kommen in der Regel angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung, manche Mehrbedarfe (z. B. für Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung) sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Bürgergeld selbst unterliegt – anders als ALG I und Krankengeld – nicht dem steuerlichen Progressionsvorbehalt.

Zum Vergleich: Für Beschäftigte, die zuvor Vollzeit mit durchschnittlichem Einkommen tätig waren, liegt das Bürgergeld in aller Regel deutlich unter dem, was sie als Krankengeld oder ALG I bekommen würden.

Direkter Vergleich: Ist Krankengeld höher als Arbeitslosengeld?

Um die Ausgangsfrage zu beantworten, muss man die beiden Entgeltersatzleistungen nebeneinander-legen.
Grundprinzip: Prozentsätze im Vergleich
Krankengeld orientiert sich an:

    • 70 Prozent des Bruttolohns
    • bzw. maximal 90 Prozent des Nettolohns
    • abzüglich Sozialversicherungsbeiträge (Rente, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung)

Arbeitslosengeld I orientiert sich an:

  • einem pauschalierten Netto (Leistungsentgelt)
  • davon 60 Prozent ohne Kind
  • bzw. 67 Prozent mit Kind

Während beim Krankengeld die rechnerische Obergrenze beim Netto bei 90 Prozent liegt, ist der Satz beim ALG I auf 60 bis 67 Prozent begrenzt.

Hinzu kommt: Beim Krankengeld gehen noch eigene Sozialversicherungsbeiträge ab, beim ALG I übernimmt die Agentur für Arbeit die Beiträge vollständig, ohne das ALG zu kürzen.

In vielen typischen Fällen bleibt so unterm Strich:

    • Krankengeld: ungefähr drei Viertel bis vier Fünftel des früheren Nettolohns
    • Arbeitslosengeld I: ungefähr 60 bis 67 Prozent des früheren Nettolohns

Damit ist Krankengeld in der Praxis häufig spürbar höher als ALG I.

Rechenbeispiele: Was passiert bei typischen Einkommen?

Die konkreten Beträge hängen von Steuerklasse, Beiträgen und Familienstand ab. Trotzdem lassen sich vereinfachte Muster erkennen.

Beispiel 1: Mittleres Einkommen ohne Kind
Angenommen, jemand verdient:

  • Bruttolohn: 3.000 Euro
  • Nettolohn (vereinfacht): 2.000 Euro

Krankengeld-Basis wären 70 Prozent von 3.000 Euro = 2.100 Euro. Da das nicht mehr als 90 Prozent des Nettos (1.800 Euro) sein darf, wird auf 1.800 Euro begrenzt.

Von diesen 1.800 Euro gehen noch die Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflege-versicherung ab. In realistischen Beispielen liegen diese zusammengenommen in einer Größenord-nung von rund 12 bis 13 Prozent des Krankengeldes.
Das bedeutet: Es bleiben ungefähr 1.550 bis 1.600 Euro ausgezahltes Krankengeld.

Beim ALG I auf Basis desselben früheren Nettoeinkommens von 2.000 Euro ergibt sich – stark vereinfacht –:

  • ohne Kind: rund 60 Prozent = etwa 1.200 Euro
  • mit Kind: rund 67 Prozent = etwa 1.340 Euro
  • In diesem Szenario ist das Krankengeld also klar höher als das Arbeitslosengeld I.

Beispiel 2: Geringeres Einkommen
Bei einem Bruttolohn von 2.000 Euro und einem Nettolohn von 1.400 Euro ergibt sich:

  • 70 Prozent Brutto = 1.400 Euro
  • 90 Prozent Netto = 1.260 Euro

Maßgeblich wären hier also 1.260 Euro Krankengeld vor Sozialabgaben. Nach Abzug der Beiträge bleiben etwa 1.100 Euro netto.
Das ALG I läge bei rund:

  • 840 Euro ohne Kind
  • 940 Euro mit Kind

Auch hier ist das Krankengeld höher.

Was heißt „in der Regel“?

Diese Beispiele sind bewusst vereinfacht und ersetzen keine individuelle Berechnung. Aber sie zeigen die Richtung:

  • Unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze und bei typischen Arbeitnehmerbiografien ist das Krankengeld meist höher als das ALG I, und zwar sowohl absolut als auch relativ zum bisherigen Nettoeinkommen.
  • Je niedriger das Einkommen, desto deutlicher ist der Abstand.
  • Bei sehr hohen Einkommen relativiert sich der Unterschied, weil beide Leistungen durch Bei-tragsbemessungsgrenzen und Höchstbeträge gedeckelt sind.

Sonderfall: Schon arbeitslos – dann ist Krankengeld nicht höher

Ein wichtiger Punkt, der oft übersehen wird: Wer bereits Arbeitslosengeld I bezieht und dann krank wird, erhält Krankengeld grundsätzlich in Höhe des bisherigen Arbeitslosengeldes – nicht nach den 70/90-Prozent-Regeln des letzten Arbeitsentgelts. Für diese Betroffenen gilt daher:

  • Krankengeld = ALG I (was die Höhe betrifft)
  • Es gibt keinen finanziellen Vorteil, „krank“ statt „arbeitslos“ zu sein.

Das ändert nur den zuständigen Leistungsträger (Agentur für Arbeit vs. Krankenkasse) und einige sozialversicherungsrechtliche Details, nicht aber die Größenordnung des Geldbetrags.

Steuerliche Effekte: Progressionsvorbehalt bei beiden Leistungen
Sowohl Krankengeld als auch Arbeitslosengeld I sind steuerfrei, unterliegen aber dem Progressionsvorbehalt.
Das bedeutet:

  • Auf das Krankengeld oder ALG I selbst wird keine Einkommensteuer erhoben.
  • Die Beträge erhöhen aber den Steuersatz, mit dem andere steuerpflichtige Einkünfte (zum Bei-spiel Lohn in Monaten ohne Krankheit oder Arbeitslosigkeit, Vermietung, Kapitalerträge) versteuert werden.

Insbesondere bei längeren Krankheits- oder Arbeitslosigkeitsphasen und gleichzeitigem Teilzeiterwerb oder Partnereinkommen kann das dazu führen, dass am Ende des Jahres eine Steuernachzahlung fällig wird. Bürgergeld dagegen unterliegt dem Progressionsvorbehalt nicht und beeinflusst den Steuersatz nicht.

Praktische Einordnung: Welche Leistung „fühlt sich höher an“?

Wenn Betroffene berichten, „mit Krankengeld bin ich besser gefahren als später mit Arbeitslosen-geld“, spiegelt das meist genau die beschriebenen Mechanismen wider:

Krankengeld knüpft häufig nahe an das bisherige Nettoeinkommen an, insbesondere bei nied-rigen und mittleren Löhnen, und liegt nach Abzug der Beiträge trotzdem deutlich über dem Niveau des ALG I.

Beim Wechsel von Krankheit in Arbeitslosigkeit ist der finanzielle Sprung spürbar: Nach Ende des Krankengeldes fällt das Einkommen oft auf das ALG-I-Niveau zurück.

Fällt nach Ablauf des ALG I auch noch der Anspruch auf Arbeitslosengeld weg und es bleibt nur Bürgergeld, entsteht ein weiterer deutlicher Einkommensverlust, weil die Regelsätze als Existenzminimum konzipiert sind und sich nicht am früheren Einkommen orientieren.

Genauso wichtig ist aber der Hinweis: Niemand kann sich „frei aussuchen“, ob er lieber Krankengeld oder Arbeitslosengeld bezieht. Entscheidend ist der tatsächliche Status: arbeitsunfähig oder arbeitslos, arbeitsvertraglich gebunden oder nicht. Ärztliche Bescheinigungen sind keine Gestaltungsmittel der Finanzplanung, sondern müssen den medizinischen Tatsachen entsprechen. Falsche Angaben können sozial- und strafrechtliche Folgen haben.

Fazit: Wann ist Krankengeld höher, wann Arbeitslosengeld?

Die Ausgangsfrage lässt sich am Ende so zusammenfassen: Für Beschäftigte, die aus einem sozialversicherungspflichtigen Job heraus länger krank wer-den, ist das Krankengeld im Regelfall höher als ein späteres Arbeitslosengeld I.

Der Grund: Es wird bis zu 90 Prozent des bisherigen Nettolohns (vor Abzug eigener Sozialversicherungsbeiträge) gezahlt, während das ALG I bei 60 beziehungsweise 67 Prozent des pauschalierten Nettoeinkommens gedeckelt ist.

Wer bereits ALG I bezieht und dann krank wird, erhält Krankengeld in derselben Höhe wie das bisherige Arbeitslosengeld. Ein „Plus“ entsteht hier nicht.

Das Bürgergeld als Grundsicherung liegt in aller Regel deutlich unter beiden Leistungen und orientiert sich nicht am früheren Einkommen, sondern am gesetzlich definierten Existenzminimum.

Wer wissen möchte, wie es im eigenen Fall konkret aussieht, kommt um eine individuelle Berechnung nicht herum – etwa mit den offiziellen Online-Rechnern der Krankenkasse und der Bundesagentur für Arbeit oder mit Unterstützung durch Lohnsteuerhilfevereine, Sozialberatungsstellen oder Fachanwälte für Sozialrecht.

Dabei geht es nicht nur um die Tabellenwerte, sondern auch um Übergänge zwischen Krankheit, Arbeitslosigkeit und möglicher Erwerbsminderungsrente sowie um steuerliche Folgen.

Aber als Daumenregel gilt:
Solange Sie aus einem regulären Arbeitsverhältnis heraus erkranken, ist Krankengeld in Deutschland meist die „stärkere“ Entgeltersatzleistung – sowohl gegenüber Arbeitslosengeld I als auch erst recht gegenüber dem Bürgergeld.