Krankengeld: 3 häufige Irrtümer die Schaden anrichten können

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Wer länger krank ist, landet schnell in einem Geflecht aus Regeln, Zuständigkeiten und Fristen. Gerade dann liegt es nahe, die eigene Krankenkasse als erste Anlaufstelle für alle Fragen zu nutzen.

In manchen Fällen funktioniert das gut, in anderen sind Betroffene jedoch besser beraten, wenn sie zusätzlich unabhängige Expertise einholen.  Viele Halbwahrheiten und Irrtümer ranken sich nämlich um das Krankengeld und können sogar dazu führen, Falschentscheidungen zu treffen.

Warum allgemeine Hinweise Grenzen haben

Viele Anfragen zum Krankengeld sind hoch individuell, weil sie vom konkreten Krankheitsverlauf, den Beschäftigungszeiten, Vorleistungen und sogar einzelnen Arztbescheinigungen abhängen. Seriöse Auskünfte setzen deshalb Aktenkenntnis voraus. Beratungsstellen – etwa Sozialberatungszentren von Verbänden – dürfen und können die Unterlagen prüfen, Fristen überwachen und mit Ihnen eine Strategie entwickeln.

Allgemeine Informationen bleiben wichtig, sie müssen jedoch durch persönliche Beratung ergänzt werden, sobald es um Ansprüche, Bescheide oder drohende Lücken bei der Existenzsicherung geht.

Was Krankengeld ist – und was nicht

Krankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung für Versicherte, die arbeitsunfähig krankgeschrieben sind oder stationär behandelt werden und deren Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber ausgelaufen ist.

Von der Entgeltfortzahlung unterscheidet sich das Krankengeld in zwei zentralen Punkten: Es wird nicht vom Betrieb, sondern von der Kasse gezahlt, und es fällt in der Regel niedriger aus als das bisherige Nettoeinkommen. Maßgeblich ist der gesetzliche Rahmen mit der Deckelung auf 70 Prozent des Bruttoeinkommens, jedoch höchstens 90 Prozent des Netto. Daraus resultiert in der Praxis häufig ein spürbarer Einkommensrückgang.

Irrtum 1: „Nach sechs Wochen merke ich keinen Unterschied“

Viele Beschäftigte erleben mit Ablauf der sechswöchigen Lohnfortzahlung die erste finanzielle Delle. Nur wenn der Arbeitgeber tariflich oder freiwillig aufstockt, bleibt das Netto nahezu stabil. Die Regel ist das nicht.

Wer keine Aufstockung erhält, sollte mit einer Einbuße von grob einem Fünftel rechnen, weil das Krankengeld die genannten Obergrenzen berücksichtigt und beispielsweise Zuschläge nicht immer vollständig abbildet.

Eine Ausnahme betrifft Personen, die zunächst Arbeitslosengeld I bezogen haben und währenddessen längerfristig erkranken: In dieser Konstellation orientiert sich das Krankengeld an der Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes.

Das ändert nichts daran, dass die Leistung ihren Charakter als Lohnersatz hat – es relativiert aber den typischen Sprung nach unten in genau dieser Situation.

Irrtum 2: „Nach eineinhalb Jahren führt der Weg automatisch in die Rente“

Die Maximaldauer des Krankengeldbezugs ist begrenzt und endet im Regelfall nach 78 Wochen innerhalb einer Blockfrist für dieselbe Erkrankung. Das „Wie geht es weiter?“ hat keine Einheitsantwort.

Manche Betroffene stellen aus dem Krankengeld heraus einen Reha-Antrag oder – wenn die gesundheitliche Lage es nahelegt – einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Nicht selten regt auch die Krankenkasse eine Reha an. Beides kann sinnvoll sein, ist aber keineswegs zwingend.

Häufig führt der Weg nach der sogenannten Aussteuerung zunächst zur Agentur für Arbeit. Dort kann ein Anspruch auf Leistungen bestehen, selbst wenn eine Rückkehr in den Job aktuell nicht realistisch ist.

Hintergrund ist, vereinfacht gesagt, der Gedanke, dass die Erwerbsfähigkeit noch ungeklärt ist und Übergangsschutz besteht, bis die Rentenversicherung entschieden oder eine Wiedereingliederung geklärt ist.

Für Betroffene heißt das, die nächsten Schritte frühzeitig vorzubereiten. Wer absehen kann, dass das Ende der Krankengeldzahlung naht, sollte die eigene Haus- und Fachärzteschaft einbinden, medizinische Unterlagen sammeln und sich zeitig zur persönlichen Lage beraten lassen.

Ob Reha, Stufenweise Wiedereingliederung, Arbeitsvermittlung unter gesundheitlichen Einschränkungen oder die Klärung möglicher Rentenansprüche – der richtige Pfad hängt von Befunden, Leistungsbild und den Anforderungen des bisherigen oder eines möglichen neuen Arbeitsplatzes ab.

Entscheidend ist, die Anschlussleistung ohne Lücke zu sichern und die eigene Mitwirkung so zu gestalten, dass sie medizinisch stimmig und sozialrechtlich belastbar ist.

Irrtum 3: „Die beste Beratung gibt es immer bei der Krankenkasse“

Krankenkassen sind leistungsgewährende Stellen – sie entscheiden über Zahlungen und prüfen Anspruchsvoraussetzungen. Das kann zu Rollenkonflikten führen, wenn es um Optionen geht, die nicht im unmittelbaren Verantwortungsbereich der Kassen liegen, etwa arbeitsrechtliche Fragen oder die strategische Wahl zwischen Reha, Arbeitsplatzanpassung und anderen Trägerleistungen.

In der Praxis berichten Betroffene von Fällen, in denen Versicherte sogar zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gedrängt worden sein sollen. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage, und eine vorschnelle Eigenkündigung kann gravierende Nachteile nach sich ziehen, etwa Sperrzeiten oder den Verlust von Kündigungsschutz.

Wer das Gefühl hat, nicht im eigenen Interesse informiert zu werden, sollte zügig unabhängige Unterstützung suchen. Dazu zählen sozialrechtliche Beratungsstellen, Gewerkschaften, anerkannte Behindertenbeauftragte oder spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Unabhängige Beratung sorgt dafür, dass Optionen vollständig abgewogen, Fristen eingehalten und Rechte gegenüber allen beteiligten Trägern gewahrt werden.

Der kritische Übergang: Vom Krankengeld zur nächsten Leistung

Besonders störanfällig ist der Moment, in dem das Krankengeld endet und die nächste Leistung beginnen muss. Kommt es hier zu Verzögerungen, entstehen schnell finanzielle Lücken.

Deshalb ist es sinnvoll, den eigenen Kalender gegen die absehbare Aussteuerung zu legen, das weitere Vorgehen mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten zu besprechen und rechtzeitig Termine bei Beratungsstellen oder der Agentur für Arbeit zu vereinbaren.

In vielen Fällen ist es hilfreich, die medizinische Situation schriftlich zu konsolidieren, Befundberichte beizufügen und auf klare, konsistente Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu achten, damit keine unnötigen Zweifel an der Leistungsberechtigung entstehen.

Wer eine Reha in Betracht zieht, sollte wissen, dass deren Ergebnis maßgeblich für den weiteren Verlauf sein kann, weil es Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit enthält.

Das gilt auch dann, wenn Reha-Maßnahmen nicht unmittelbar zur Rückkehr in den bisherigen Job führen, sondern zunächst der Stabilisierung dienen. Umgekehrt ist die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente erst dann sinnvoll, wenn die medizinische Lage hinreichend gesichert ist und realistische Alternativen geprüft wurden.

Eine gut begründete Antragstellung vermeidet langwierige Nachforderungen und verbessert die Chancen auf eine zügige Entscheidung.

Wenn das Verhalten der Krankenkasse „spanisch“ wirkt

In belastenden Situationen fällt es schwer, gegenüber Institutionen selbstbewusst aufzutreten. Gleichwohl ist es wichtig, fragwürdige Hinweise oder mündliche Aufforderungen kritisch zu hinterfragen. Seriöse Stellen dokumentieren ihre Position schriftlich, begründen Entscheidungen und verweisen auf Rechtsgrundlagen.

Wer mit Aussagen konfrontiert wird, die wie Druck wirken oder in eine bestimmte Richtung drängen sollen, sollte um schriftliche Bestätigung bitten und mit dieser Unterlage eine unabhängige Stelle aufsuchen. Je früher das geschieht, desto größer die Chance, Weichen rechtzeitig zu korrigieren.

Ein letztes Wort zur zweiten Krankengeld-Runde

Das Thema „zweites Mal Krankengeld“ sorgt regelmäßig für Hoffnung und Unsicherheit zugleich. Grundsätzlich gibt es Konstellationen, in denen nach Ablauf der Blockfrist oder bei neuen, unabhängigen Erkrankungen erneut ein Anspruch entstehen kann.

In der Praxis ist das komplex und hängt an engen Voraussetzungen. Wer diese Möglichkeit für sich prüfen möchte, kommt um eine detaillierte Einzelfallprüfung nicht herum. Entscheidend ist, die zeitlichen und medizinischen Zusammenhänge sauber zu dokumentieren und sich beraten zu lassen, bevor Erwartungen an einen erneuten Anspruch aufgebaut werden.