Hartz-IV führt zu Suizid
Jeder fünfte Suizid weltweit ist eine Folge von Arbeitslosigkeit. Das fand das Team um Dr. phil. Carlos Nordt heraus. Nordt arbeitet an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (KPPP) und der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Die Zahl der Selbsttötungen, die seit 2008 direkt oder indirekt aus der Arbeitslosigkeit stammten, ist , laut Nordts Studie, neunmal so hoch wie vermutet. Die Forscher der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich untersuchten vier Weltreligionen in der Zeit von 2000 bis 2011. Sie analysierten Daten aus 63 Ländern in Nord- und Süd-Amerika, Nord- und West-Europa, „Nicht-Amerika und Nicht-Europa“.
Selbsttöttung wegen Arbeitslosigkeit neun mal höher als vermutet
Carlos Nordt schreibt: „Trotz länderspezifischer Besonderheiten fanden wir in allen vier Weltregionen einen ähnlich starken Zusammenhang zwischen Arbeitslosen- und Suizidrate. Dieser Effekt unterscheidet sich weder nach Geschlecht noch nach Altersgruppe.“
Er schreibt über die Finanzkrise seit 2008: „Nach dem Krisenjahr 2008 stieg die Zahl der Suizide kurzfristig um 5000 Fälle an.“ Insgesamt seien 2008 46.000 Suizide mit der Arbeitslosenrate verbunden gewesen. Er schließt: „Damit war die Zahl der Suizide mit diesem Hintergrund neunmal größer als der bisher bekannte Anstieg.“
Je höher die Arbeitslosigkeit, umso mehr Suizide
Außerdem war in Ländern mit höherer Arbeitslosigkeit die Verbindung zwischen Suizid und Erwerbslosigkeit stärker. Die Forschergruppe fordert deshalb, in solchen Ländern in Programme zu investieren, die Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren und ein gesundes Arbeitsklima fördern.
Der Suizid geht der Arbeitslosigkeit voraus
Die Studie belegte, dass die Suizidrate der Arbeitslosenrate bis zu einem halben Jahr vorausging. Nordts Mitforscher, der Psychiater Wolfram Kawohl erklärt: „Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wurde offensichtlich antizipiert und bereits die Verunsicherung über die Entwicklung der ökonomischen Situation scheint negative Konsequenzen zu haben.“
Druck am Arbeitsplatz
Er nennt als Auslöser für die Selbsttötungen Druck am Arbeitsplatz, zum Beispiel durch Restrukturierungen und schließt: „Es bedarf einer Schulung von Fachpersonal, etwa in den Personalabteilungen, damit dieses erhöhte Suizidrisiken bei betroffenen erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Personen besser erkennt und beim Umgang mit der Problematik helfen kann.“
Auswirkungen auf das Umfeld
Die Probleme aus der Arbeitslosigkeit betreffen, Kawohl zufolge, nicht nur die Arbeitslosen selbst, sondern auch ihr soziales Umfeld. Kawohl fordert darum, „bereits Befürchtungen in der Bevölkerung vor wirtschaftlichen Veränderungen ernst zu nehmen und geeignete suizidpräventive Massnahmen zu entwickeln und voranzutreiben.“
Es geht um Leben und Tod
Die Konsequenz der Studie kann nur lauten, Arbeitslose und Menschen, die von Arbeitslosigkeit gefährdet sind, sozial aufzufangen, und sie psychisch wie praktisch zu unterstützen. Die Studie belegt nüchtern: Es geht um Leben und Tod.
Das Hartz-IV-System bedeutet für die Betroffenen aber das Gegenteil. Statt Erwerbslose psychisch, sozial und praktisch zu unterstützen, ihnen zu zeigen, dass sie nach wie vor anerkannte Mitglieder der Gesellschaft sind, beraubt es die leidenden Menschen zusätzlich ihrer Grundrechte. Menschen, die sich in einer Situation befinden, in der – eindeutig belegt – das Risiko, sich das Leben zu nehmen, enorm steigt, werden durch die Jobcenter zusätzlich tyrannisiert, unterdrückt und einem Terror gegen ihre bloße Existenz ausgesetzt.
Ein Schluss aus der Studie, die belegt, dass Arbeitslosigkeit die Suizidgefahr erhöht, kann deshalb nur lauten: Hartz-IV treibt Menschen nicht nur in einen Alptraum, sondern auch in den Tod. (Dr. Utz Anhalt)
Bild: Andrey Burmakin – fotolia
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