Hans-Werner Sinn: Aktuelles Hartz IV-System nicht zeitgemäß

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Der ehemalige Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, kritisiert die jetzige Konzeption des ALG II stark. Statt einer „passiv machenden Unterstützungsleistung“ sollten die Freibeträge auf erzieltes Einkommen erhöht und so eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt verstärkt gefördert werden.

Zuverdienste aus Erwerbseinkommen wenig attraktiv

Hans-Werner Sinn, Ökonom und vormals Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), äußerte starke Kritik am ALG II-System. Der Anreiz, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, würde durch die geringen Freibeträge auf Erwerbseinkommen untergraben. Zurzeit werden ALG II-Betroffenen bis zu 80 % des erzielten Erwerbseinkommens im Rahmen der Leistungsberechnung angerechnet.

Laut Sinn wäre jedoch eine Anrechnung bis maximal 50 % sinnvoll. Dies würde vor allem im Niedriglohnsektor und für geringer Qualifizierte die Motivation erhöhen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Liege nach allen Abzügen das Einkommen zusammen mit dem verbleibenden ALG II-Satz nur gering über den vollen Bezügen, die einem Betroffenen ohne eigenem Erwerbseinkommen zustehen, so handelt es sich bei ALG II um eine „passiv machende Unterstützungsleistung“ statt um eine Grundsicherung in Notfällen. Der durch Freizeit gewonnenen Mehrwert komme zu den ALG II-Regelsätzen hinzu und sei nicht zu unterschätzen.

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und Kritik am Mindestlohn

Würde der Kapitalwert der Arbeit nicht ausreichend hervorgehoben, erscheine Arbeit nicht mehr sinnvoll. Arbeitswille sollte auch gefördert werden, wenn er vorhanden ist. Hohe Abzüge über 50 % des Einkommens, stellen im Niedriglohnsektor eine kaum überwindbare Hemmschwelle der Arbeitsaufnahme dar. Andererseits, hob Sinn hervor, halte er die Einführung des Mindestlohns für eine Fehlentscheidung der Bundesregierung, der dem vom ALG II profitierenden Niedriglohnsektor und somit der Heranführung von Geringqualifizierten an den Arbeitsmarkt, unzeitgemäß die Luft aus den Segeln genommen hätte.

Überarbeitung notwendig

Sinn forderte, dass der Abstand des am Ende verbleibenden Betrags aus Erwerbseinkommen plus Bezügen aus ALG II zur Höhe reiner ALG II-Bezüge vergrößert werden müsse. Bestehe der monatlich verfügbare Betrag zu ausbalancierteren Teilen aus Lohn und ALG II (durch Absenkung der Anrechnungen des Einkommens auf den Regelsatz), würden die betroffenen Leistungsbezieher sowie die Unternehmen profitieren. Ein solches System würde eine „aktivierende Sozialhilfe“ begründen und den Verlust von Fachwissen und sozialer Kompetenzen im Markt verringern.

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