Grundrente ab 2026 gestrichen: Tausende Bescheide mit 0 Euro Grundrentenzuschlag

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Wenn in Gesprächen von „Grundrente“ die Rede ist, geht es in der Praxis fast immer um den Grundrentenzuschlag. Das ist keine eigene Rentenart, sondern ein Bestandteil der gesetzlichen Rente, der seit 2021 gezahlt werden kann.

Die Deutsche Rentenversicherung prüft den Anspruch automatisch und passt die Auszahlung an, ohne dass Rentnerinnen und Rentner einen Antrag stellen müssen. Dass der Zuschlag im Rentenbescheid auftaucht, bedeutet deshalb zunächst nur: Er wurde rechnerisch ermittelt und dem Rentenkonto zugeordnet. Ob er tatsächlich als Geldbetrag ankommt, entscheidet erst der zweite Schritt – die Einkommensanrechnung.

Diese Trennung zwischen rechnerischem Anspruch und tatsächlicher Auszahlung ist der Punkt, an dem viele Betroffene erstmals stutzen. Auf dem Papier entsteht ein Zuschlag, der Bescheid wirkt wie eine Anerkennung der Lebensleistung, und doch steht unter dem Strich manchmal ein Ergebnis, das sich wie eine Streichung anfühlt. Juristisch ist es keine „Aberkennung“ der Grundrente, sondern die gesetzlich vorgesehene Anrechnung von Einkommen auf genau diesen Rentenanteil.

Warum ein ausgewiesener Zuschlag auf 0 Euro fallen kann

Der Grundrentenzuschlag wird aus den Versicherungszeiten und den in diesen Zeiten erworbenen Entgeltpunkten berechnet. Wer lange versichert war und im Durchschnitt eher niedrige beitragspflichtige Einkommen hatte, kann dadurch einen Zuschlag bekommen.

Doch anschließend prüft die Rentenversicherung, ob Einkommen den Zuschlag mindert. Diese Einkommensanrechnung ist so geregelt, dass der Zuschlag nicht nur kleiner werden kann, sondern vollständig auf Null sinken darf. Die Rentenversicherung selbst weist darauf hin, dass es durch die Anrechnung zu einer teilweisen oder vollständigen Nichtzahlung kommen kann.

In der Wirkung entsteht damit ein irritierendes Bild: Der Zuschlag ist rechnerisch vorhanden, die Auszahlung aber beträgt 0 Euro.

Das wirkt wie ein Widerspruch, folgt aber einer Logik, die der Gesetzgeber bewusst gewählt hat: Der Zuschlag soll nicht allein an die Versicherungsbiografie anknüpfen, sondern zusätzlich daran, ob ein Haushalt – gemessen am steuerlich ermittelten Einkommen – noch in einem Bereich liegt, in dem der Zuschlag ausgezahlt werden soll.

Januar 2026: Warum jetzt neue Bescheide kommen und sich Beträge ändern

Zum 1. Januar wird der Grundrentenzuschlag jedes Jahr neu geprüft. Hintergrund ist nicht eine Neuberechnung der Versicherungszeiten, sondern die jährliche Einkommensüberprüfung. Die Daten kommen in einem automatisierten Verfahren aus der Finanzverwaltung.

Für die Anpassung ab Januar 2026 wird regelmäßig das Einkommen aus dem Jahr 2023 herangezogen. Wenn dafür noch keine Daten vorliegen, wird ersatzweise auf 2022 zurückgegriffen. Dies führt dazu, dass Veränderungen im Hier und Jetzt – etwa ein Wegfall von Nebeneinkünften – oft erst mit Verzögerung in der Auszahlung ankommen.

Für viele Rentnerinnen und Rentner bedeutet das, dass ein Bescheidwechsel nicht zwingend mit einer Änderung der eigenen Lebensumstände im Jahr 2026 zusammenhängt.

Der Auslöser kann vielmehr ein steuerlich auffälliges Jahr 2023 gewesen sein oder schlicht die Tatsache, dass das Finanzamt erst später vollständige Daten liefern konnte. Wer zum Jahresbeginn Post bekommt, erlebt deshalb häufig eine nachträgliche Korrektur der eigenen Erwartungen: Der Zuschlag steigt, bleibt gleich, sinkt – oder verschwindet in der Auszahlung vollständig.

Welche Einkünfte für die Anrechnung zählen – und warum das „zu versteuernde Einkommen“ so wichtig ist

Für die Einkommensanrechnung ist nicht entscheidend, wie viel Geld monatlich tatsächlich auf dem Konto verfügbar ist. Maßstab ist vor allem das zu versteuernde Einkommen, wie es steuerlich festgestellt wird.

Hinzu kommen nach den Informationen der Rentenversicherung weitere Bestandteile wie der steuerfreie Teil der Rente sowie Kapitalerträge, wobei es bei Kapitalerträgen Besonderheiten geben kann, wenn diese bereits pauschal versteuert wurden und nicht mehr in der Steuererklärung auftauchen.

Die Rentenversicherung rechnet dabei mit Jahreswerten, die auf Monatsbeträge umgelegt werden. Das ist ein Detail, das in der öffentlichen Debatte oft untergeht, aber für die Wirkung entscheidend ist: Ein höheres Jahreseinkommen wird rechnerisch in Zwölftel aufgeteilt und drückt dann Monat für Monat den Grundrentenzuschlag.

Dadurch kann ein einmaliges Ereignis – etwa ein größerer steuerpflichtiger Zufluss – im Folgezeitraum eine dauerhafte Kürzung auslösen, obwohl es sich subjektiv um eine Ausnahmesituation gehandelt hat.

Ehegatten- und Partnereinkommen: Wenn der Zuschlag am Einkommen des anderen hängt

Besonders konfliktreich ist die Regel, dass bei Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften das Einkommen beider Partner zusammen betrachtet wird. Das führt in der Praxis zu Fällen, in denen eine Person mit sehr niedriger Rente den Zuschlag rechnerisch „verdient“, die Auszahlung aber scheitert, weil das Einkommen des Partners die relevanten Grenzen überschreitet. In nichtehelichen Lebensgemeinschaften gilt diese Zusammenrechnung nicht in gleicher Weise – ein Unterschied, der immer wieder als Ungleichbehandlung kritisiert wird und nun höchstrichterlich überprüft wurde.

Für Betroffene ist das oft schwer zu akzeptieren, weil die Rentenbiografie eine individuelle Leistung ist, die Anrechnung aber auf den Haushalt abstellt. In der Lebenswirklichkeit bedeutet das: Wer verheiratet ist, kann seinen Zuschlag verlieren, obwohl sich an der eigenen Rente nichts ändert. Umgekehrt kann sich der Zuschlag erhöhen, wenn das Einkommen des Partners in einem späteren Prüfjahr sinkt – nur eben zeitversetzt.

Neue Einkommensgrenzen ab Januar 2026: mehr Spielraum, trotzdem klare Kappung

Die Einkommensgrenzen, bis zu denen keine Anrechnung erfolgt, werden regelmäßig fortgeschrieben und orientieren sich an der Rentenentwicklung. Ab Januar 2026 nennt die Rentenversicherung für Unverheiratete einen Bereich bis 1.492 Euro monatlich, in dem keine Anrechnung erfolgt.

Oberhalb dieser Grenze bis 1.909 Euro monatlich wird Einkommen zu 60 Prozent angerechnet. Alles, was darüber liegt, wird voll angerechnet. Für Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften arbeitet das System mit höheren Beträgen: Bis 2.327 Euro monatlich bleibt es ohne Anrechnung, zwischen 2.327 Euro und 2.744 Euro wird zu 60 Prozent angerechnet, darüber vollständig.

Damit ist auch erklärt, warum der Schritt von „ein bisschen weniger Zuschlag“ zu „0 Euro Auszahlung“ manchmal überraschend abrupt wirkt. Wer über die Zone der teilweisen Anrechnung hinauskommt, rutscht in eine Logik, in der der Zuschlag sehr schnell vollständig aufgezehrt werden kann – je nach Höhe des ursprünglichen Anspruchs und je nach Abstand zur jeweiligen Einkommensgrenze.

BSG-Entscheidung vom 27. November 2025: Anrechnung des Ehegatteneinkommens bleibt zulässig

Am 27. November 2025 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die Anrechnung des zu versteuernden Einkommens des Ehegatten beim Grundrentenzuschlag nicht gegen Verfassungsrecht verstößt.

Das Gericht sieht sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft. In der Begründung spielt die gegenseitige Unterhaltspflicht von Ehegatten eine wichtige Rolle.

Zudem betont das Gericht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei aus Bundesmitteln gewährten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und das Ziel, den Zuschlag am „Bedarf“ auszurichten, ohne eine klassische Bedürftigkeitsprüfung wie in der Grundsicherung einzuführen.

Für die Praxis bedeutet das vor allem eines: Wer gehofft hatte, dass die Zusammenrechnung von Ehegatteneinkommen kurzfristig kippt und dadurch die Auszahlung wieder möglich wird, muss nach dieser Entscheidung mit unveränderten Regeln rechnen. Streitfälle werden sich daher in vielen Fällen nicht um das Prinzip drehen, sondern um die Frage, ob die zugrunde gelegten Einkommensdaten richtig und vollständig sind.

Warum gerade das Jahr 2023 vielen erst 2026 „auf die Füße fällt“

Der Zeitversatz ist der stille Treiber vieler Überraschungen. Für Januar 2026 zählt regelmäßig das Einkommen aus 2023. Das kann Rentnerinnen und Rentner treffen, die damals noch gearbeitet haben, eine einmalige Zahlung erhalten haben oder steuerlich relevante Einkünfte hatten, die im Alltag längst keine Rolle mehr spielen.

Auch bei Ehepaaren kann 2023 ein Jahr gewesen sein, in dem ein Partner besonders gut verdient hat, während sich die Situation inzwischen deutlich verändert hat. Trotzdem wirkt dieser Betrag, weil er durch das System der jährlichen Überprüfung erst später in die Rentenauszahlung übersetzt wird.

Steuererklärung, Steuerdaten, Schätzungen: Warum die Datengrundlage über Geld entscheidet

Weil das steuerliche Einkommen die Messlatte ist, spielt die Datenlage des Finanzamts eine große Rolle. Die Rentenversicherung beschreibt den jährlichen Datenaustausch mit den Finanzbehörden als Regelfall. Sie weist zugleich darauf hin, dass es Sonderkonstellationen gibt, etwa bei Kapitalerträgen, die nicht mehr in der Steuererklärung auftauchen, weil bereits Abgeltungsteuer gezahlt wurde oder eine Nichtveranlagungsbescheinigung vorliegt. In solchen Fällen kann eine Mitteilung an die Rentenversicherung erforderlich sein.

Aus Sicht von Lohnsteuerhilfevereinen ist außerdem wichtig, dass eine Steuererklärung die steuerliche Bemessungsgrundlage präzisieren kann, weil sie Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abbildet, die in einer bloßen Datenlage ohne Erklärung nicht automatisch sichtbar werden.

Daraus entsteht der Rat, den man in der Praxis häufig hört: Wer knapp über einer Grenze liegt, sollte prüfen lassen, ob die eigene steuerliche Situation korrekt erfasst ist. Das ist keine Garantie für einen höheren Zuschlag, kann aber im Einzelfall die maßgebliche Rechengröße verändern – und damit die Frage, ob der Zuschlag teilweise, vollständig oder gar nicht ausgezahlt wird.

Was ein neuer Bescheid ab 2026 für Betroffene bedeutet

Ein neuer Bescheid ist nicht automatisch ein Fehler, sondern häufig das Ergebnis der turnusmäßigen Einkommensüberprüfung. Trotzdem lohnt der zweite Blick, weil die Anrechnung auf Daten basiert, die nicht jeder Rentner im Alltag präsent hat.

Wer plötzlich 0 Euro Grundrentenzuschlag ausgezahlt bekommt, obwohl zuvor ein Betrag floss, sollte zunächst verstehen, welches Kalenderjahr zugrunde gelegt wurde und welches Einkommen die Rentenversicherung dafür verwendet hat. Genau dort liegen die typischen Ursachen: ein höheres Einkommen im maßgeblichen Jahr, die Zusammenrechnung in der Ehe oder unvollständige beziehungsweise anders ermittelte Steuerdaten.

Wenn der Eindruck entsteht, dass die Datengrundlage nicht stimmt, ist der formale Weg über eine Überprüfung des Bescheids naheliegend. In Deutschland sind Bescheide in der Regel mit Rechtsbehelfsfristen versehen, die man ernst nehmen sollte.

Ob ein Vorgehen Aussicht auf Erfolg hat, hängt dabei weniger von Gerechtigkeitsargumenten ab als von der Frage, ob sich Einkommen, Zuordnung oder Datenübermittlung objektiv falsch darstellen. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts ist zudem klarer denn je: Die grundsätzliche Anrechnung des Ehegatteneinkommens ist politisch gewollt und rechtlich abgesichert, sodass im Streit meist nur die konkrete Berechnung offen ist.

Quellen

Deutsche Rentenversicherung: „Fragen und Antworten zum Grundrentenzuschlag“ (u. a. zu automatischer Prüfung, Zahl der ausgezahlten Zuschläge Ende 2024, Einkommensbestandteilen, Zeitversatz und Einkommensgrenzen ab Januar 2026). Deutsche Rentenversicherung+1
Deutsche Rentenversicherung: „Jährliche Neuberechnung des Grundrentenzuschlags“ (u. a. zur Einkommensprüfung zum 1. Januar, zu den Daten aus 2023 für Januar 2026 und zu Freibeträgen). Bundessozialgericht (Pressemitteilung Nr. 27/2025 vom 27.11.2025): „Einkommensanrechnung des Ehepartners bei der Grundrente nicht verfassungswidrig“ (Az. B 5 R 9/24 R). Bundessozialgericht