Die Diskussion um den Führerscheinentzug im Alter hat in letzter Zeit für einige Diskussionen gesorgt. Dabei geht es häufig um die Frage, ob ältere Menschen ab einem bestimmten Lebensjahr tatsächlich zu alt sind, um ein Auto zu führen.
Die Debatte rührt von Plänen des Europäischen Parlaments her, das unter dem Motto „keine Unfalltoten“ über neue Regeln für den Führerschein in der EU beraten hat. Wie sich diese Ideen konkret auf Seniorinnen und Senioren auswirken könnten und welche Hintergründe die Diskussion hat, sorgt für Verunsicherung.
Inhaltsverzeichnis
Dr. Utz Anhalt: Müssen Rentner bald die Fahrerlaubnis abgeben?
Was steckt hinter der neuen EU-Richtlinie?
Es geht konkret um eine Richtlinie, die unlängst im Europäischen Parlament diskutiert wurde. Darin geht es darum, ältere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer stärker zu überprüfen, um die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen.
Im Gespräch war zum Beispiel die Forderung, dass Menschen über 75 Jahren den Führerschein nur noch für fünf Jahre gültig erhalten und über 80-Jährige den Führerschein sogar nur alle zwei Jahre neu ausgestellt bekommen sollen.
Ein fertiges Regelwerk existiert jedoch noch nicht. Da es sich um eine Richtlinie handelt, haben die EU-Mitgliedstaaten später bei der konkreten Umsetzung Gestaltungsspielräume.
Die derzeitige Debatte schürt bei vielen den Eindruck, ab einem bestimmten Alter automatisch auf den Führerschein verzichten zu müssen. Dabei sprechen Erfahrungen aus einigen europäischen Nachbarländern eine andere Sprache.
In der Schweiz ist beispielsweise ab dem 75. Lebensjahr regelmäßig eine medizinische Untersuchung bei der Hausärztin oder beim Hausarzt vorgeschrieben. In den Niederlanden gilt ähnliches ab dem 75. Lebensjahr, allerdings wird dort alle fünf Jahre geprüft. In Dänemark erfolgt die Überprüfung hingegen ab 80 Jahren und muss dann sogar jährlich wiederholt werden.
Warum kommt es zu dieser Diskussion?
Statistisch betrachtet verursachen ältere Menschen seltener Unfälle als jüngere, sind jedoch häufiger der Hauptverursacher, wenn es doch zu einem Unfall kommt. Über 65-Jährige sind in rund zwei Dritteln aller Unfälle, an denen sie beteiligt sind, hauptverantwortlich.
Ab 75 Jahren steigt dieser Anteil sogar auf etwa drei Viertel. Diese Zahlen führten zu Überlegungen, ob eine regelmäßige Kontrolle der Fahrtauglichkeit sinnvoll sein könnte, um sich den veränderten körperlichen und geistigen Fähigkeiten anzupassen.
Was erlaubt das geltende Recht in Deutschland?
Der Paragraf 4 des Straßenverkehrsgesetzes lässt keine Zweifel daran, dass ausschließlich die körperliche und geistige Eignung über das Fahren entscheidet.
Es ist somit nicht möglich, allein aufgrund des Alters den Führerschein zu entziehen. Allerdings betont das Gesetz auch, dass Personen, die nicht die notwendigen gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllen, kein Kraftfahrzeug führen dürfen. Theoretisch sind also durchaus regelmäßige Kontrollen denkbar, sofern ein konkretes Risiko besteht oder bestimmte Altersgrenzen in einer Verordnung festgeschrieben würden.
Dass Rentnerinnen und Rentner durch die neue EU-Richtlinie automatisch ihre Fahrerlaubnis verlieren, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist eine Lösung, bei der entweder regelmäßige medizinische Tests vorgeschrieben werden oder eine empfohlene, aber freiwillige Untersuchung eingeführt wird, um die Fahreignung zu prüfen.
Checks im Alter
Viele Befürworterinnen und Befürworter argumentieren, dass regelmäßige medizinische Untersuchungen eine Chance bieten, Risiken frühzeitig zu erkennen und so die eigene Mobilität sicher zu erhalten.
Dabei geht es primär um Hör- und Sehkraft, Beweglichkeit und Reaktionsvermögen, also jene Fähigkeiten, die ein sicheres Fahren gewährleisten. Gegnerinnen und Gegner warnen davor, dass ältere Menschen dadurch unter Generalverdacht gestellt und bevormundet werden könnten.
Führerschein abgeben und kostenlos Bahn fahren
Wer merkt, dass das Autofahren mit steigendem Alter zu anstrengend wird oder wer schlicht keine Lust mehr auf den eigenen Wagen hat, kann in vielen Regionen von attraktiven Angeboten profitieren.
Einige Kommunen bieten Seniorinnen und Senioren, die ihren Führerschein freiwillig abgeben, kostenfreie Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr an. In manchen Gegenden ist es sogar möglich, ein ganzes Jahr lang kostenlos mit dem Deutschlandticket zu fahren, wenn man sich dafür entscheidet, den Führerschein freiwillig aufzugeben.
Aber: Der Nachteil dabei ist allerdings, dass die Fahrerlaubnis dann für immer weg ist. Daher sollte man sich diesen Schritt genau überlegen.
Was sollten Rentnerinnen und Rentner jetzt beachten?
Es gibt also noch keine endgültige Einigung auf EU-Ebene gibt und dass ein pauschaler Entzug des Führerscheins allein wegen des Alters in Deutschland nicht vorgesehen ist.
Wie genau eine künftige Regelung aussehen könnte, hängt maßgeblich davon ab, wie die Richtlinie im Detail ausgestaltet wird und wie die Bundesrepublik sie dann umsetzt.
Eine medizinische Überprüfung mag zwar auf bestimmte körperliche und geistige Voraussetzungen abzielen, doch eine klassische Führerscheinprüfung wie in jungen Jahren ist damit in der Regel nicht gemeint.
Auch wenn das Autofahren für viele Seniorinnen und Senioren ein Stück Unabhängigkeit bedeutet, lohnt es sich, die eigene Fahrtüchtigkeit ehrlich zu reflektieren. Wer Probleme mit dem Sehen, Hören oder Reagieren hat, sollte rechtzeitig ärztlichen Rat suchen.
So bleibt die individuelle Mobilität erhalten, ohne sich oder andere zu gefährden. Die Debatte um eine striktere Kontrolle ist jedenfalls im vollen Gange, doch ein massenhafter Führerscheinentzug allein aufgrund des Alters steht derzeit nicht vor der Tür.