Erwerbsminderung kann vor Abschlag in der Rente schützen

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Die Frage, ob die Erwerbsminderungsrente gekürzt wird und unter welchen Voraussetzungen Abschläge entfallen, fragen viele, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können.

Gerade weil niemand freiwillig in die Erwerbsminderungsrente geht, wirkt die Kürzung der Rente für Betroffene oft unverständlich und unfair. Doch das Rentenrecht sieht klare Regeln vor – mit einigen wichtigen Ausnahmen.

Warum es zu Abschlägen kommt

Im deutschen Rentenrecht sind Abschläge in erster Linie mit der vorgezogenen Altersrente verbunden. Wer früher in den Ruhestand geht, erhält dauerhaft weniger Rente, da die Rentenzahlungen länger fließen.

Für die Altersrente ist dieses Prinzip nachvollziehbar: Wer sich bewusst für den vorzeitigen Rentenbeginn entscheidet, akzeptiert damit Abschläge.

Bei der Erwerbsminderungsrente verhält es sich jedoch anders. Hier entscheidet nicht der eigene Wille, sondern der gesundheitliche Zustand. Viele Betroffene beantragen diese Leistung, weil sie aufgrund schwerer Erkrankungen oder nach Druck durch die Krankenkassen gezwungen sind.

Dennoch sieht das Gesetz auch hier Abschläge vor, was für viele ein zusätzliches Belastungsmoment darstellt.

Die Kürzung beläuft sich auf maximal 10,8 Prozent. Grundlage ist die Differenz zum 65. Lebensjahr: Für jeden Monat, den die Rente davor beginnt, werden 0,3 Prozent abgezogen. Wer also Anfang 60 eine Erwerbsminderungsrente beantragen muss, erreicht schnell den Höchstabzug.

Ausnahme: Keine Abschläge ab 63 mit 40 Versicherungsjahren

Eine Ausnahme bringt Erleichterung für langjährig Versicherte: Wer mit 63 Jahren oder später eine Erwerbsminderungsrente beantragt und mindestens 40 Versicherungsjahre nachweisen kann, bleibt von Abschlägen verschont. Zu diesen Versicherungszeiten zählen nicht nur Beitragsjahre durch Beschäftigung, sondern auch weitere Zeiten wie Kindererziehung oder bestimmte Phasen der Arbeitslosigkeit.

Dieses Privileg greift jedoch ausschließlich ab dem 63. Geburtstag. Wer bereits vorher auf die Erwerbsminderungsrente angewiesen ist, kann die Kürzungen nicht verhindern.

Damit wird deutlich: Der Zeitpunkt der Erwerbsminderung ist entscheidend dafür, ob die Rente gekürzt wird oder nicht.

Ein Rechenbeispiel aus der Praxis

Nehmen wir an, eine Versicherte hätte eigentlich Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 1.200 Euro monatlich. Sie ist zum Zeitpunkt des Antrags 60 Jahre alt. Damit liegt sie fünf Jahre (60 Monate) unter der Grenze von 65 Jahren.

Für jeden Monat werden 0,3 Prozent Abschlag berechnet. Bei 60 Monaten ergibt das 18 Prozent. Da die Kürzung aber gesetzlich auf maximal 10,8 Prozent gedeckelt ist, greift dieser Höchstwert.

Das bedeutet: Statt 1.200 Euro erhält die Versicherte nur noch 1.070 Euro. Monat für Monat fehlen also 130 Euro – auf das Jahr gerechnet rund 1.560 Euro.

Wer hingegen erst mit 63 Jahren in die Erwerbsminderungsrente eintritt und mindestens 40 Versicherungsjahre vorweisen kann, bleibt von dieser Kürzung verschont. In unserem Beispiel würden also weiterhin die vollen 1.200 Euro ausgezahlt.

Vom Übergang in die Altersrente und der Bedeutung des Bestandsschutzes

Spätestens mit Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze endet die Erwerbsminderungsrente automatisch. Dann wird sie in eine Altersrente umgewandelt. Für Betroffene bedeutet das zwar einen formalen Antrag, die Berechnung erfolgt jedoch vereinfacht.

Entscheidend ist hierbei der sogenannte Bestandsschutz: Die Altersrente darf nicht niedriger ausfallen als die vorherige Erwerbsminderungsrente, sofern der Übergang innerhalb von 24 Monaten erfolgt.

Dieser Schutz ist wichtig, weil die Erwerbsminderungsrente durch die sogenannte Zurechnungszeit aufgewertet wird. Diese Zeit rechnet fiktive Arbeitsjahre bis zum gesetzlichen Rentenalter an und führt so oft zu höheren Ansprüchen, als es die tatsächlichen Rentenpunkte erlauben würden. Im Gegensatz dazu kennt die Altersrente keine solche Aufwertung.

Ohne Bestandsschutz bestünde daher die Gefahr, dass beim Übergang plötzlich eine deutlich niedrigere Rente gezahlt würde.

Vorteil für Versicherte mit 35 oder 45 Jahren Wartezeit

Besonders interessant wird der Bestandsschutz für diejenigen, die aus der Erwerbsminderungsrente vorzeitig in die Altersrente wechseln möchten. Normalerweise wären in solchen Fällen erhebliche Abschläge fällig.

Doch durch den Schutz bleibt die Höhe der Altersrente mindestens auf dem Niveau der Erwerbsminderungsrente.

Wer also die Wartezeiten von 35 oder 45 Jahren erfüllt, kann den Wechsel in die Altersrente vorziehen – ohne zusätzliche Einbußen.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Die Regelungen zur Erwerbsminderungsrente verdeutlichen ein Spannungsfeld im Rentenrecht. Einerseits sollen Abschläge finanzielle Belastungen für die Rentenkasse ausgleichen, wenn Leistungen früher beginnen. Andererseits trifft dies Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Wahl haben. Der Bestandsschutz und die Ausnahme ab 63 Jahren sind wichtige Entlastungen, können aber die grundlegende Problematik nicht auflösen.

Für viele bleibt die Erwerbsminderungsrente trotz aller Regelungen ein schwieriges Kapitel. Wer betroffen ist, sollte sich frühzeitig über die individuellen Auswirkungen informieren und gegebenenfalls Beratung in Anspruch nehmen. Denn kleine Details wie Wartezeiten oder der Zeitpunkt des Rentenbeginns können erhebliche Unterschiede in der Rentenhöhe ausmachen.