Früher in Rente zu gehen, klingt zunächst nach gewonnener Lebenszeit. Doch jede Entscheidung, den Ruhestand vorzuziehen, ist untrennbar mit dauerhaften finanziellen Folgen verbunden.
In Deutschland ist der vorzeitige Rentenbezug grundsätzlich möglich – allerdings mit lebenslangen Kürzungen. Wie hoch diese ausfallen, hängt von der Rentenart und persönlichen Voraussetzungen wie langer Versicherungszeit oder einer anerkannten Schwerbehinderung ab. Maßgeblich ist immer: Die pro Monat des Vorziehens fälligen Abschläge reduzieren die Rente dauerhaft.
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Abschläge: 0,3 Prozent pro Monat – für immer
Der zentrale Hebel ist einfach: Für jeden Monat, den der Rentenbeginn vor die maßgebliche Altersgrenze gelegt wird, sinkt die Rente um 0,3 Prozent. Der Abzug summiert sich und gilt lebenslang. Bei 36 Monaten – also drei Jahren – sind das 10,8 Prozent. Diese Regel ist die Richtschnur für fast alle vorgezogenen Altersrenten und wird von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) so bestätigt.
Ein Beispiel: Wer eine rechnerische Bruttorente von 1.600 Euro erwarten dürfte, erhält bei drei Jahren Vorziehen 10,8 Prozent weniger. Das entspricht rund 172,80 Euro pro Monat; die Bruttorente läge dann bei etwa 1.427 Euro. Auf das Jahr gerechnet fehlen damit gut über 2.000 Euro – und zwar dauerhaft.
Die Nettowirkung kann aufgrund von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Einkommensteuer weiter abweichen; die prozentuale Kürzung bleibt jedoch gleich.
Fall 1 – Altersrente für langjährig Versicherte: Flexibel, aber mit spürbarem Preis
Die „Altersrente für langjährig Versicherte“ richtet sich an Menschen mit langen Versicherungsbiografien. Sie kann vorzeitig in Anspruch genommen werden, allerdings grundsätzlich nur mit Abschlägen.
Pro Monat Vorziehen werden 0,3 Prozent abgezogen, maximal 14,4 Prozent bei vier Jahren Vorlauf. Drei Jahre früher bedeuten hier stets 10,8 Prozent weniger Rente – genau wie im Beispiel oben. Die DRV beziffert diese Mechanik klar und verweist außerdem auf Rechner, mit denen sich persönliche Varianten durchspielen lassen.
In der Praxis ist diese Rentenart die Standard-Option für Menschen, die deutlich vor der Regelaltersgrenze in den Ruhestand möchten, ohne besondere Tatbestände wie Schwerbehinderung zu erfüllen. Der Preis ist kalkulierbar, aber dauerhaft.
Fall 2 – Altersrente für schwerbehinderte Menschen: Zwei Jahre „frei“, das dritte Jahr kostet
Anders stellt sich die Lage dar, wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vorliegt. Für die „Altersrente für schwerbehinderte Menschen“ gilt für Jahrgänge 1964 und jünger: abschlagsfrei mit 65, frühestmöglicher Beginn mit 62 – dann jedoch mit Abschlägen.
Wer also nicht von 67 auf 64, sondern innerhalb dieser speziellen Rentenart von 65 auf 64 vorzieht, reduziert die Rente nur um die Monate zwischen 65 und 64. Das sind 12 Monate, also 3,6 Prozent. Damit ist der finanzielle Effekt bei drei Jahren „früher als 67“ deutlich kleiner, weil für die ersten zwei Jahre bis 65 keine Kürzung anfällt.
In Zahlen ausgedrückt: Bei 1.600 Euro Bruttorente bedeutet ein Vorziehen von 65 auf 64 eine Minderung um rund 57,60 Euro im Monat. Die abschlagsfreie Möglichkeit mit 65 bleibt dabei der zentrale Vorteil dieser Rentenart.
Fall 3 – Altersrente für besonders langjährig Versicherte: Abschlagsfrei, aber nur bis zu zwei Jahre
Wer 45 Versicherungsjahre erreicht, kann die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ beziehen. Der große Pluspunkt: Sie ist abschlagsfrei – jedoch nicht unbegrenzt früh.
Für Jahrgänge ab 1964 liegt die Altersgrenze bei 65 Jahren. Wer also regulär mit 67 in Rente ginge, kann mit 45 Jahren Wartezeit ohne Abzug maximal zwei Jahre früher mit 65 starten.
Wer darüber hinaus – also drei Jahre früher – in den Ruhestand möchte, muss auf die Rentenart für langjährig Versicherte ausweichen und sich deren Abschlägen stellen. Das erklärt, warum trotz 45 Versicherungsjahren bei „drei Jahren früher“ dennoch 10,8 Prozent Abzug fällig werden.
Tabelle: Wann in Rente mit welchen Abschlägen
Jahrgang / Rentenart | Frühester Rentenbeginn und Abschläge |
---|---|
1964 und jünger – Altersrente für langjährig Versicherte | Frühester Beginn: 63 Jahre (max. 4 Jahre früher); Abschlag: 0,3 % pro Monat, max. 14,4 % |
1964 und jünger – Altersrente für schwerbehinderte Menschen | Frühester Beginn: 62 Jahre; Abschlag: 0,3 % pro Monat zwischen 65 und 62, max. 10,8 % |
1964 und jünger – Altersrente für besonders langjährig Versicherte (45 Jahre) | Frühester Beginn: 65 Jahre; Abschlag: keiner, max. 2 Jahre früher möglich |
Warum die persönliche Lage wichtiger ist als eine Prozentzahl
Die Entscheidung für einen vorgezogenen Ruhestand lässt sich nicht auf eine Rechenformel reduzieren. Gesundheitliche Situation, familiäre Planung, der Rentenbeginn der Partnerin oder des Partners und die Frage, wie hoch die laufenden Ausgaben im Alter sind, spielen eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Aus arbeitspsychologischer Sicht wiegt Lebenszeit und -qualität für viele schwerer als der nominale Abzug.
Umgekehrt kann ein dauerhaft reduziertes Einkommen die finanzielle Bewegungsfreiheit langfristig einschränken. Wer knapp kalkulieren muss, sollte die Kürzung sehr genau gegen die gewonnenen Monate aufrechnen – und dabei nicht vergessen, dass Sonderausgaben oder unvorhergesehene Kosten im Ruhestand auftreten können.
Abschläge ausgleichen: Sonderzahlungen ab 50
Eine Besonderheit, die häufig übersehen wird: Abschläge lassen sich ganz oder teilweise durch freiwillige zusätzliche Beiträge ausgleichen. Möglich ist das bereits ab dem 50. Lebensjahr.
Die DRV erstellt auf Antrag eine Auskunft über die maximal mögliche Sonderzahlung, mit der ein geplanter Vorruhestand ohne spätere Kürzung finanziert werden kann.
Grundlage ist das Formular V0210; die Berechnung orientiert sich an den jeweils gültigen Rechengrößen. Diese Option verlangt liquide Mittel, schafft aber Planungssicherheit für alle, die den vorgezogenen Ruhestand fest anvisieren.
Fazit: Drei Wege, drei Preisschilder – und ein klarer Auftrag zur Planung
„Drei Jahre früher“ können sehr Unterschiedliches bedeuten. Bei der Altersrente für langjährig Versicherte kostet es 10,8 Prozent – dauerhaft. Mit anerkannter Schwerbehinderung reduziert sich der Abschlag bei einem Rentenbeginn mit 64 auf 3,6 Prozent, weil die abschlagsfreie Grenze schon bei 65 liegt. Und wer 45 Versicherungsjahre erreicht, kann zwar ohne Abschläge vorzeitig gehen, jedoch maximal zwei Jahre früher – für das dritte Jahr führt kein Weg an der abschlagsbehafteten Rentenart vorbei.
Wer den Schritt erwägt, sollte die Zahlen mit der DRV durchrechnen, die persönliche Lebensplanung einbeziehen und die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen prüfen. So wird aus der verlockenden Idee ein tragfähiger Plan für den eigenen Ruhestand.