Die letzten fünf Jahre vor der Rente sind wichtig

Lesedauer 3 Minuten

In der gesetzlichen Rentenversicherung zählen alle Jahre. Die Rentenhöhe folgt einer klaren Formel aus Entgeltpunkten, Zugangsfaktor, aktuellem Rentenwert und Rentenartfaktor. Entgeltpunkte entstehen Jahr für Jahr, indem Ihr individuelles Bruttoeinkommen mit dem Durchschnittsentgelt verglichen wird – ein „Sondergewicht“ für die letzten fünf Jahre gibt es nicht.

Gerade diese Schlussphase ist dennoch strategisch wichtig, weil Sie hier Abschläge vermeiden oder ausgleichen, Lücken schließen, Voraussetzungen für frühere Rentenarten erfüllen und steuerliche sowie krankenversicherungsrechtliche Weichen stellen können.

Der gesetzliche Rahmen 2025: Rentenwert, Alter, Niveau

Seit 1. Juli 2025 beträgt der aktuelle Rentenwert 40,79 Euro pro Entgeltpunkt; damit sind die Renten um 3,74 Prozent gestiegen. Die Regelaltersgrenze steigt weiterhin stufenweise bis 67 Jahre (ab Jahrgang 1964).

Politisch wurde zudem festgelegt, das Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 abzusichern („Rentenpaket II“). Für Ihre Planung bedeutet das: Die Spielregeln sind stabil, die Bewertung jedes zusätzlichen Entgeltpunkts ist transparent.

Vorzeitiger Ruhestand: Abschläge verstehen, Ausgleich nutzen

Wer früher in Altersrente geht, erhält dauerhaft einen Abschlag von 0,3 Prozent je Monat (maximal 14,4 Prozent bei vier Jahren). Umgekehrt erhöht ein späterer Rentenbeginn den Zahlbetrag um 0,5 Prozent je Monat, zusätzlich zu weiter erworbenen Entgeltpunkten.

Schon ab 50 können Sie künftige Abschläge ganz oder teilweise durch gezielte Sonderzahlungen ausgleichen (Formular V0210). Seit 1. Januar 2023 sind die Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten vollständig entfallen – Zuverdienst führt also nicht mehr zur Kürzung. Das eröffnet neue Flexibilität, etwa für gleitende Übergänge.

Die 45-Jahre-Hürde: Was in den letzten 24 Monaten zählt – und was nicht

Besonders sensibel ist die „abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte“ nach 45 Versicherungsjahren. Zeiten mit Arbeitslosengeld I zählen grundsätzlich mit, aber in den letzten 24 Monaten vor Rentenbeginn werden ALG-I-Monate nicht angerechnet – außer, die Arbeitslosigkeit beruht auf Insolvenz oder vollständiger Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers.

Diese Regel hat die Rechtsprechung bestätigt. Wer die 45 Jahre knapp verfehlt, sollte in den letzten zwei Jahren daher Arbeitslosigkeit möglichst vermeiden oder Alternativen planen.

Krankenversicherung im Ruhestand: Die 9/10-Regel im Blick behalten

Ob Sie in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert sind, prüft die Kasse über die sogenannte 9/10-Regel: In der zweiten Hälfte Ihres Erwerbslebens müssen Sie zu mindestens 90 Prozent gesetzlich (auch familienversichert) gewesen sein.

Wer knapp darunter liegt, kann die Bilanz in den letzten Jahren vor Rentenbeginn noch verbessern, etwa durch versicherungspflichtige Beschäftigung. Gelingt der Sprung in die KVdR nicht, bleibt oft nur die teurere freiwillige Mitgliedschaft.

Einkommen und Beschäftigung feinjustieren: Midijobs, Pflege und Lücken

Gerade in den Schlussjahren lohnt es sich, Erwerbseinkommen und Versicherungszeiten gezielt zu strukturieren. Im Midijob-Übergangsbereich von 556,01 bis 2.000 Euro monatlich fallen geringere Arbeitnehmerbeiträge an, Entgeltpunkte werden dennoch erworben – ein Instrument für Menschen, die vor dem Ruhestand stundenreduziert arbeiten möchten.

Wer Angehörige pflegt, kann unter Voraussetzungen rentenrechtlich gut gesicherte Zeiten mit Beiträgen erhalten. Ebenso lassen sich durch Kontenklärung fehlende Zeiten nachtragen; jedes beitragsfähige oder anrechenbare Monat bringt Sie bei 35- bzw. 45-Jahre-Wartezeiten voran.

Freiwillige Beiträge und Nachzahlungen: Kleine Beträge, große Wirkung

Freiwillige Beiträge können helfen, die 35-Jahre-Wartezeit zu erreichen oder Lücken zu schließen. Unter bestimmten Bedingungen werden freiwillige Beiträge sogar bei den 45 Jahren mitgezählt, sofern mindestens 18 Jahre Pflichtbeiträge vorliegen.

Nachzahlungen – etwa für Schul- und Ausbildungszeiten – sind ebenfalls möglich. In den letzten fünf Jahren lassen sich so Rentenzugang und -höhe noch spürbar beeinflussen.

Steuern rechtzeitig mitdenken: Langsamer Anstieg bis 2058

Seit 2023 steigt der steuerpflichtige Anteil der neu beginnenden Renten nur noch um 0,5 Punkte pro Jahr; die Vollbesteuerung wird erst 2058 erreicht. Für einen Rentenbeginn 2025 bedeutet das einen Besteuerungsanteil von 83,5 Prozent und einen Rentenfreibetrag von 16,5 Prozent auf die erste volle Jahresrente.

Beiträge zur gesetzlichen Rente sind seit 2023 vollständig als Vorsorgeaufwendungen absetzbar. Wer in den letzten fünf Jahren noch ausgleicht, umschichtet oder bAV/privat vorsorgt, sollte die Steuerwirkung in die Rechnung einbeziehen.

Realistische Erwartungen: Was ein Entgeltpunkt heute wert ist

Planung braucht Größenordnungen. Ein Entgeltpunkt bringt seit 1. Juli 2025 monatlich 40,79 Euro brutto.

Wer seine letzten Berufsjahre mit überdurchschnittlichem Einkommen, Beiträgen aus Midijob oder freiwilligen Zahlungen füllt, erhöht die Entgeltpunkte und damit die Ausgangsrente. Allerdings wirkt jeder zusätzliche Punkt „nur“ linear – Wunder sind in fünf Jahren nicht zu erwarten, kluge Optimierung schon.

Praktische Roadmap für die letzten fünf Jahre

Fünf Jahre vor dem gewünschten Ruhestand lohnt eine Kontenklärung und die Prüfung, welche Rentenart realistisch ist.

Drei bis vier Jahre vorher wird die Weiche zwischen „früher starten mit Abschlag“ oder „später starten mit Zuschlag“ gestellt; eventuelle Ausgleichszahlungen sollten dann zeitlich und steuerlich geplant werden. In den letzten 24 Monaten ist bei der 45-Jahre-Rente besondere Vorsicht gegenüber ALG-I-Phasen geboten.

Zwölf Monate vor dem Zieltermin sollten Versicherungsverlauf, KVdR-Voraussetzungen und der konkrete Rentenantrag festgezurrt sein; wer länger arbeiten möchte, profitiert jeden Monat vom Zuschlag und von weiteren Entgeltpunkten.

Fazit: Die letzten fünf Jahre sind das Scharnier

Für die Rentenhöhe zählt das Lebensarbeitsentgelt, nicht ein „Endspurt-Bonus“. Dennoch sind die letzten fünf Jahre das Scharnier zwischen Erwerbs- und Ruhestandsphase: Hier entscheiden Sie über Abschläge oder Zuschläge, sichern mit sauberem Versicherungskonto und KVdR-Status finanzielle Stabilität, vermeiden die 24-Monats-Falle beim ALG I und nutzen steuerliche Spielräume. Wer diese Phase aktiv gestaltet, bekommt nicht automatisch eine hohe Rente – aber verlässlich die beste Rente, die die eigene Biografie hergibt.