Ob es um Rente, Kranken oder Arbeitslosengeld, Bürgergeld oder um einen festgestellten Grad der Behinderung geht: Immer wieder geraten Leistungsberechtigte mit den Behörden aneinander. Wird Ihr Existenzminimum bedroht, weil das Jobcenter Leistungen verweigert oder die Deutsche Rentenversicherung hohe Summen zurückfordert, bleibt schließlich oft nur der Gang vor das Sozialgericht.
Inhaltsverzeichnis
Erst der Widerspruch, dann die Klage
Bevor überhaupt an eine Klage zu denken ist, müssen Sie gegen einen belastenden Bescheid Widerspruch einlegen. Die gesetzliche Frist beträgt einen Monat, gerechnet ab dem Tag, an dem der Bescheid als zugestellt gilt. Fehlt die – meist auf der Rückseite abgedruckte – Rechtsbehelfsbelehrung ganz oder teilweise, verlängert sich diese Frist auf ein Jahr.
Ihr Widerspruch kann schriftlich auf Papier, elektronisch mit qualifizierter Signatur (etwa über das besondere Anwaltspostfach, das EGVPPortal oder DeMail) oder zur Niederschrift direkt bei der Behörde eingelegt werden. Eine einfache, unsignierte EMail genügt nicht.
Hilft die Behörde Ihrem Widerspruch ab, erhalten Sie einen Abhilfebescheid, andernfalls einen Widerspruchsbescheid. Lehnt sie Ihr Begehren also endgültig ab, steht Ihnen wiederum ein Monat Zeit zur Verfügung, um Klage beim Sozialgericht zu erheben.
Eilrechtsschutz, wenn Sie nicht warten können
Besteht eine existenzielle Notlage – etwa weil die Miete oder der Stromabschlag unmittelbar fällig sind –, dürfen Sie nicht darauf hoffen, dass die Hauptsache in wenigen Wochen entschieden ist. Deshalb sieht das Sozialgerichtsgesetz mit der einstweiligen Anordnung nach § 86b Absatz 2 SGG einen schnellen Rechtsschutz vor.
Das Gericht prüft in diesem Verfahren zweierlei: Zum einen, ob Sie voraussichtlich einen Anspruch haben, zum anderen, ob aktuelle Umstände eine schnelle Entscheidung zwingend machen. Wird der Antrag bewilligt, stellt das Gericht die Leistungen vorläufig, also bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, sicher.
Die passende Klageart wählen
Im Sozialrecht gibt es mehrere Klagearten. Die Anfechtungsklage richtet sich gegen einen bestehenden Bescheid, etwa wenn die Rentenversicherung zu Unrecht Beiträge zurückfordert. Die Verpflichtungsklage hingegen zielt darauf ab, einen abgelehnten oder unterlassenen Bescheid zu erzwingen, zum Beispiel die erstmalige Bewilligung von Bürgergeld.
Häufig werden beide Ansprüche kombiniert, etwa wenn Sie zunächst den ablehnenden Bescheid aufheben und die Behörde zugleich zur Zahlung verpflichten lassen wollen. Wo gar kein Bescheid existiert, aber ein Rechtsverhältnis geklärt werden muss – zum Beispiel, ob Sie als versicherungspflichtig gelten – kommt die Feststellungsklage ins Spiel.
Welche Klageart sinnvoll ist, entscheidet letztlich über die Zulässigkeit Ihres Antrags; hier lohnt sich fachkundiger Rat.
Form, Inhalt und Einreichung der Klage
Eine Klage kann schriftlich, per Post, in der qualifiziert elektronischen Form oder mündlich zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts eingereicht werden. Notwendig sind die genaue Bezeichnung des Gerichts, Ihr Name und Ihre Anschrift, die zutreffende Benennung des Beklagten – dies ist nicht „das Jobcenter“, sondern der Träger, etwa der Landkreis oder die Arbeitsagentur –, das Datum des angefochtenen Bescheids samt Widerspruchsbescheid sowie ein klar formulierter Antrag, was das Gericht entscheiden soll. Kopien der Verwaltungsakten sind nicht zwingend, erleichtern aber die zügige Bearbeitung.
Was kostet das Ganze?
In der ersten Instanz fallen vor dem Sozialgericht keine Gerichtsgebühren an. Kostenlos ist das Verfahren damit allerdings nicht zwangsläufig; Anwalts-, Gutachten- oder Reisekosten können entstehen. Bedürftige erhalten Prozesskostenhilfe, sofern ihre Klage nicht von vornherein aussichtslos oder mutwillig ist.
Wer mutwillig klagt – also ersichtlich ein Gerichtsverfahren anzettelt, um sich zu „rächen“ oder Zeit zu gewinnen, ohne dass echte Erfolgsaussichten bestehen –, läuft Gefahr, dass das Gericht nicht nur die Prozesskostenhilfe verweigert, sondern nach § 192 SGG ausnahmsweise auch die eigenen Kosten auferlegt. Ab der zweiten Instanz – Landessozialgericht und Bundessozialgericht – kommen reguläre Gerichtsgebühren hinzu.
In vielen Fällen springt eine Rechtsschutzversicherung ein; auch Sozial- und Wohlfahrtsverbände wie VdK oder SoVD bieten Mitgliedern kostengünstigen Rechtsbeistand.
So läuft das Verfahren ab
Nachdem die Klage eingegangen ist, prüft das Gericht zunächst die formale Zulässigkeit und Fristen. Ist alles in Ordnung, ermittelt es von Amts wegen des Sachverhalts. Es kann Unterlagen sowohl von Ihnen als auch von der Behörde anfordern oder medizinische und berufskundliche Gutachten in Auftrag geben.
Sie oder Ihr Anwalt dürfen jederzeit Akteneinsicht nehmen und Stellung beziehen. Häufig gibt es eine mündliche Verhandlung, weil Argumente im direkten Gespräch besser geklärt werden können; beide Seiten können sich aber auch auf ein schriftliches Verfahren einigen.
Ein sozialgerichtliches Verfahren endet entweder mit einem Urteil, mit einem Vergleich zwischen den Parteien, durch Anerkenntnis der Behörde oder durch Rücknahme der Klage, falls sich etwa die Sach- oder Rechtslage zwischenzeitlich zu Ihren Ungunsten geändert hat.
Wann lohnt sich der Gang zum Gericht?
Eine Klage ist dann aussichtsreich, wenn die geltende Rechtsprechung – etwa Entscheidungen des Bundessozialgerichts – Ihr Anliegen stützt und wenn Sie belastbare Beweise vorlegen können. Ohne lückenlose Nachweise, seien es medizinische Befunde, Versicherungsverläufe oder Einkommens und Mietunterlagen, nützen selbst gute juristische Argumente wenig.
Ebenso wichtig ist eine Abwägung von Zeit, Nervenkraft und möglichem Kostenrisiko in den höheren Instanzen. Bei komplexen Fällen empfiehlt es sich, frühzeitig eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Sozialrecht oder eine kompetente Verbandsvertretung einzuschalten. Diese können nicht nur den Klageerfolg realistischer beurteilen, sondern auch mögliche Beweis und Formallücken rechtzeitig schließen.
Fazit
Strenge Fristen, die richtige Klageart und eine solide Beweisführung sind die drei Grundpfeiler eines erfolgreichen sozialgerichtlichen Verfahrens. Wer in einer akuten Notlage steckt, sollte den Eilrechtsschutz nicht aus den Augen verlieren. Kostenrisiken bleiben in der ersten Instanz überschaubar, wachsen aber in der Berufung.
Gute Vorbereitung und rechtzeitige Beratung helfen, aussichtslose oder mutwillige Verfahren zu vermeiden und die eigenen Erfolgschancen deutlich zu erhöhen.