120 Euro mehr Rente durch Kindererziehungszeiten – So einfach ist es nicht

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Bei der gesetzlichen Rentenversicherung besteht fรผr Eltern grundsรคtzlich die Mรถglichkeit, Kindererziehungszeiten auf ihre Rente anrechnen zu lassen. Diese Zeiten werden vom Gesetzgeber als beitragsrelevante Zeitrรคume eingestuft und kรถnnen die Rente um bis zu drei Entgeltpunkte erhรถhen.

Im besten Fall entspricht dies einer Steigerung von etwa 120 Euro im Monat. Allerdings gibt es dafรผr klare Voraussetzungen und Fristen, die in ยงโ€ฏ56 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) verankert sind.

Trotz zahlreicher Gerรผchte und kursierender Videos in sozialen Netzwerken existiert kein allgemeiner Anspruch, der sich einfach per Formular โ€žv0800โ€œ durchsetzen lรคsst. Um eine Anrechnung fรผr Vรคter sicherzustellen, mรผssen bestimmte Bedingungen nachweislich erfรผllt sein.

Kindererziehungszeiten: Was Mรผtter und Vรคter wissen mรผssen

1. Zuordnung der Erziehungszeiten
Grundsรคtzlich werden Kindererziehungszeiten zunรคchst der Mutter angerechnet. Mรถchte der Vater davon profitieren, bedarf es einer eindeutigen Regelung:

Entweder er weist nach, dass er das Kind รผberwiegend allein betreut hat, oder beide Eltern reichen eine gemeinsame Erklรคrung bei der Rentenversicherung ein.

2. Ausschlaggebende Fristen
Erfolgt die Kindererziehung durch den Vater รผberwiegend allein, kann rรผckwirkend eine Anerkennung stattfinden, sofern entsprechende Nachweise vorgelegt werden.

Bei gemeinsamer Betreuung mรผssen beide Elternteile innerhalb enger Fristen eine รผbereinstimmende Erklรคrung einreichen. Diese Erklรคrung wirkt nur fรผr die Zukunft und maximal zwei Monate rรผckwirkend ab Abgabezeitpunkt. Fรผr Kinder, die bereits mehrere Jahre alt sind, lรคsst sich diese Frist meist nicht mehr einhalten.

Wer erhรคlt die Erziehungszeit? Alleinerziehung versus gemeinsame Betreuung

Kommt es zu einer alleinigen oder รผberwiegenden Erziehung des Kindes durch den Vater, kann eine rรผckwirkende Anerkennung fรผr die gesamte Kindererziehungszeit erfolgen. Hierzu bedarf es allerdings stichhaltiger Belege.

Beispiele hierfรผr sind:

  • Keine gemeinsame Haushaltsfรผhrung mit der Mutter wรคhrend des Erziehungszeitraums.
  • Lรคngere Abwesenheit der Mutter (z.โ€ฏB. Auslandsaufenthalt, Inhaftierung).

In solchen Fรคllen prรผft der Rentenversicherungstrรคger genau, ob tatsรคchlich eine รผberwiegende Betreuung durch den Vater stattgefunden hat.

Gemeinsame Betreuung und schriftliche Erklรคrung

Bei etwa gleichmรครŸiger Erziehung muss eine gemeinsame schriftliche Erklรคrung beider Eltern eingereicht werden, um die Kindererziehungszeiten dem Vater zuzuteilen. Diese Erklรคrung kann zwar abgegeben werden, solange das Kind noch sehr jung ist, doch die Frist fรผr eine rรผckwirkende Geltung ist stark begrenzt (hรถchstens zwei Monate rรผckwirkend).

Ist das Kind beispielsweise schon drei oder vier Jahre alt, lรคsst sich mit groรŸer Wahrscheinlichkeit keine entsprechende Erklรคrung mehr wirksam einreichen.

Klare Gesetzeslage statt Internet-Mythen

Besonders auf Plattformen wie TikTok oder YouTube werden hรคufig vermeintlich schnelle Lรถsungen verbreitet, die eine automatische Erhรถhung der Rente fรผr Vรคter in Aussicht stellen. In vielen Fรคllen wird suggeriert, es genรผge, ein bestimmtes Formular einzureichen, um rund 120 Euro pro Monat zusรคtzlich zu erhalten. Diese Darstellung ignoriert jedoch die eindeutigen gesetzlichen Vorgaben zu Fristen und Nachweisen.

Wichtig ist, die reale Rechtslage im Blick zu behalten: Ein genereller Automatismus fรผr alle Vรคter, die Kinder erzogen haben, existiert nicht. Selbst wenn beide Elternteile sich einig sind, kann der Antrag nur mit Blick in die Zukunft oder unter Beachtung der kurzen rรผckwirkenden Frist erfolgreich sein.

Hรคufig unterschรคtzt: Die Rolle der Nachweise und die Haltung der Mรผtter

Auch wenn eine Mutter laut Gesetz auf die Kindererziehungszeiten verzichten kann, geschieht dies in der Praxis kaum. Mรผtter profitieren in der Regel selbst von dieser Anrechnung, weshalb ein freiwilliger Verzicht kaum stattfindet. Die Rentenversicherung prรผft zudem die Versicherungsverlรคufe beider Elternteile. Dabei wird schnell ersichtlich, wer in welcher Form berufstรคtig war und wie die Betreuung des Kindes real aufgeteilt wurde.

Konkrete Tipps zur Vorgehensweise

Eine frรผhzeitige Klรคrung empfiehlt sich bereits kurz nach der Geburt, um festzustellen, welcher Elternteil Anspruch auf die Kindererziehungszeiten geltend machen mรถchte. Dabei gilt es, die gesetzlichen Fristen sorgfรคltig zu beachten, da insbesondere die gemeinsame Erklรคrung beider Eltern rechtzeitig eingereicht werden muss, um die Kindererziehungszeiten zugunsten des Vaters zu sichern.

Wenn Unsicherheit besteht, lohnt es sich in jedem Fall, eine professionelle Rechts- oder Rentenberatung in Anspruch zu nehmen, um alle Ansprรผche korrekt geltend machen zu kรถnnen.

Keine Versprechungen ohne Grundlage

Die weitverbreiteten Angaben รผber ein angeblich allgemeines Recht auf 120 Euro mehr Rente fuรŸen oft auf einer unvollstรคndigen Betrachtung. Wer sich auf pauschale OnlineTipps verlรคsst, riskiert Enttรคuschungen und mรถglichen finanziellen Schaden.