Bürgergeld: Höhere Miete durch Gericht wegen Zugangshemmnisse beim Wohnungsmarkt zugesprochen

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Steigende Mieten treffen Menschen im Bürgergeld-Bezug besonders hart, weil sich die rechtliche Angemessenheitsprüfung der Unterkunftskosten an abstrakten Obergrenzen orientiert, während der Wohnungsmarkt vielerorts längst durch Knappheit, Konkurrenz und Vorbehalte geprägt ist. Das Sozialgericht Aurich hat mit Urteil (Az. S 55 AS 378/23) eine Entscheidung getroffen, die dieses Problem nicht wegdefiniert, sondern sie sozialrechtlich ernst nimmt. Das Gericht hat einer alleinerziehenden Bürgergeld-Bezieherin und ihrer schwerbehinderten Tochter höhere Leistungen für die Unterkunft zugesprochen, obwohl die Bruttokaltmiete die abstrakt angenommene Angemessenheitsgrenze deutlich überstieg.

Die Entscheidung ist deshalb berichtenswert, weil sie eine Linie aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts konsequent in die Praxis des Bürgergelds überträgt: Dort, wo Leistungsberechtigte aufgrund individuell geprägter, objektiv erkennbarer Zugangshemmnisse faktisch schlechtere Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben, darf das Jobcenter nicht so tun, als sei eine günstigere Wohnung ohne Weiteres erreichbar. Das ist kein Freifahrtschein für beliebig hohe Mieten. Es ist aber ein deutliches Signal, dass die Prüfung der Unterkunftskosten nicht in der Mathematik enden darf, wenn das Leben sichtbar komplizierter ist.

Worum ging es in Aurich?

Im Auricher Verfahren stritten die Beteiligten über die Höhe der zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft im Bürgergeld für zwei Monate im Herbst 2023. Die Klägerin zu 1 ist alleinerziehende Mutter, die Klägerin zu 2 ist ihre Tochter. Das Kind leidet an einem Rett-Syndrom; ein Pflegegrad 5 ist anerkannt. Die beiden befanden sich bereits länger im Leistungsbezug nach dem SGB II und lebten zu Beginn des Jahres 2023 noch beengt bei den Großeltern im Kinderzimmer der Mutter.

Ende Juli 2023 legte die Mutter ein Wohnungsangebot vor: 75 Quadratmeter, Kaltmiete 690 Euro, feste Nebenkosten 100 Euro, Heizkostenabschlag 100 Euro. Das Jobcenter lehnte zunächst die Zusicherung zur Kostenübernahme ab, weil die Unterkunftskosten nicht angemessen seien. Die Mutter unterschrieb den Mietvertrag dennoch und zog zum 1. Oktober 2023 ein. Für Oktober und November 2023 bewilligte der Leistungsträger Leistungen, berücksichtigte bei der Bruttokaltmiete aber nur 514,36 Euro. Im Widerspruchsverfahren blieb die Behörde bei dieser Linie, räumte allerdings einen erhöhten Wohnflächenbedarf ein und stellte für die Angemessenheitsprüfung auf 70 Quadratmeter ab.

Die Klägerinnen hielten dem entgegen, dass eine kostengünstigere Wohnung nicht erreichbar gewesen sei. Sie verwiesen auf die besondere Situation des Kindes, das aufgrund der Erkrankung im Alltag sehr laut sei, auch nachts, und auf Ablehnungen durch Vermieter. Das Sozialgericht gab der Klage statt und verpflichtete den Leistungsträger, für die Bruttokaltmiete die tatsächlichen 790 Euro anzuerkennen und nachzuzahlen.

Ausgangslage im Bürgergeld: tatsächliche Kosten und Angemessenheit

Rechtsgrundlage für die Übernahme von Unterkunftskosten im Bürgergeld ist § 22 SGB II. Die Norm arbeitet mit einem scheinbar klaren Grundsatz: Anerkannt werden die tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie angemessen sind. In der Praxis steckt die Schwierigkeit im Wort „angemessen“, weil die Angemessenheit nicht subjektiv empfunden, sondern anhand rechtlich entwickelter Prüfungsstufen bestimmt wird.

Regelmäßig wird zuerst abstrakt geprüft, welche Kosten im maßgeblichen Vergleichsraum für eine nach Größe und Standard angemessene Wohnung als akzeptabel gelten. Erst danach geht es um die konkrete Situation des Einzelfalls. Dazu kommt, dass die Vorschrift – in ihrer klassischen Lesart – auch ein Kostensenkungsverfahren kennt: Liegen die tatsächlichen Aufwendungen über dem angemessenen Umfang, werden sie zunächst weiter berücksichtigt, solange eine Senkung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, im Regelfall jedoch nur für eine Übergangszeit.

Das Auricher Urteil setzt genau an der Stelle an, an der diese Systematik in Konflikt mit der Realität gerät: Es rückt die konkrete Angemessenheit und die Frage der tatsächlichen Wohnungsalternativen in den Vordergrund, weil hier besondere Lebensumstände die normale Logik der Wohnungssuche verschieben.

Abstrakte Angemessenheit, „schlüssiges Konzept“ und die Grenzen von Tabellenwerten

In der Grundsicherung steht und fällt die abstrakte Angemessenheit häufig mit einem Instrument, das in vielen Kommunen zum Dauerstreit geworden ist: dem „schlüssigen Konzept“. Gemeint ist ein methodisch nachvollziehbares Vorgehen, mit dem ein Träger ermittelt, welche Mieten im Vergleichsraum für Leistungsberechtigte realistisch erreichbar sind, ohne dass sie in unzumutbare Wohnverhältnisse gedrängt werden. Fehlt ein solches Konzept oder ist es fehlerhaft, greifen Gerichte teilweise auf Hilfskonstruktionen zurück, etwa auf Werte aus dem Wohngeldrecht mit Sicherheitszuschlägen.

Das Sozialgericht Aurich weist in seinem Urteil ausdrücklich darauf hin, dass der Beklagte im Verfahren kein schlüssiges Konzept vorgetragen habe. Stattdessen sei der als abstrakt angemessen angenommene Preis „allein“ durch Rechenoperationen unter Rückgriff auf eine Bezugsgröße aus einer Tabelle zum Wohngeldgesetz ermittelt worden. Das Gericht betont zugleich, dass diese Feststellung im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich sei, weil die Entscheidung auf der konkreten Angemessenheit im Ausnahmefall beruht.
Gerade diese Kombination ist für die Praxis interessant.

Einerseits wird sichtbar, wie angreifbar viele Angemessenheitswerte bleiben, wenn sie lediglich tabellarisch hergeleitet werden. Andererseits macht das Urteil deutlich, dass selbst ein methodisch sauber ermittelter Grenzwert die Entscheidung nicht zwingend trägt, wenn der Einzelfall objektiv erkennbare Hürden auf dem Wohnungsmarkt aufweist.

Konkrete Angemessenheit: Wenn der Einzelfall mehr verlangt

Die Entscheidung folgt einer Leitidee, die das Bundessozialgericht in den letzten Jahren deutlicher herausgearbeitet hat: Neben der abstrakten Angemessenheit gibt es eine konkrete Angemessenheit, die durch außergewöhnliche Umstände geprägt sein kann. Das Sozialgericht Aurich formuliert es so, dass im Fall offenkundiger außergewöhnlicher Umstände tatsächliche Aufwendungen über das abstrakte Maß hinaus als angemessen angesehen werden können. Dann können Leistungsberechtigte dauerhaft in der Wohnung verbleiben, ohne aus dem Regelbedarf zuzahlen zu müssen.

Diese Sichtweise verschiebt den Blickwinkel. Es geht nicht nur darum, ob eine Miete oberhalb eines Grenzwertes liegt, sondern darum, ob es realistische Alternativen gibt, die der konkreten Lebenssituation gerecht werden. Der Wohnungsmarkt wird dabei nicht als abstrakte Angebotsmenge verstanden, sondern als sozialer Raum, in dem bestimmte Menschen faktisch schlechtere Chancen haben.

Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt: Was das Gericht darunter versteht

Das Urteil arbeitet mit dem Begriff der „individuellen und objektiv erkennbaren Zugangshemmnisse“. Damit sind nicht bloß subjektive Schwierigkeiten oder eine allgemein angespannte Marktlage gemeint. Es geht um Hürden, die an der Person oder an den Umständen der Bedarfsgemeinschaft anknüpfen und nach außen sichtbar sind, sodass sie typischerweise zu Zurückhaltung oder Ablehnung auf Vermieterseite führen können.

Das Sozialgericht Aurich ordnet Menschen mit erkennbaren körperlichen, geistigen, psychischen oder seelischen Behinderungen ausdrücklich in diesen Problemkreis ein und verweist auf Vorbehalte von Vermietern. Es stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das im Kontext der Sozialhilfe hervorgehoben hat, dass erkennbare Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten die Chancen auf angemessenen Wohnraum deutlich mindern können.

Entscheidend ist der Doppelschritt: Zuerst muss ein solches Hemmnis plausibel und nachweisbar sein, dann stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen daraus folgen. Genau dort setzt das Auricher Urteil an.

Die Behinderung als Zugangshemmnis in der Bedarfsgemeinschaft

Die Behörde argumentierte, die Behinderung des Kindes werde bereits dadurch berücksichtigt, dass man einen höheren Wohnflächenbedarf anerkenne. Das Sozialgericht lässt das nicht genügen. Es hält fest, dass die Mutter selbst keine Zugangshemmnisse aufweise. Gleichzeitig könne es nicht allein auf sie ankommen, weil die Bedarfsgemeinschaft gemeinsam zu betrachten sei und die Situation des Kindes zwingend in die Bewertung einfließen müsse.

Damit wird ein Punkt ausgesprochen, der im Verwaltungsalltag häufig unterschätzt wird: Die Zugangschancen am Wohnungsmarkt hängen nicht nur davon ab, ob ein Elternteil „gut vermittelbar“ erscheint, sondern auch davon, wie Vermieter die gesamte Haushaltskonstellation wahrnehmen. Im Auricher Verfahren wird dies sehr konkret, weil die Klägerinnen vortragen, das Kind sei aufgrund der Erkrankung auch nachts laut, und es habe Ablehnungen gegeben. Das Gericht nimmt diese Lebensrealität als relevanten Umstand ernst, statt sie als Randaspekt zu behandeln.

Alleinerziehend und pflegend: Zeit als knappes Gut

Einen zweiten, besonders alltagsnahen Akzent setzt das Urteil bei den zeitlichen Ressourcen der Mutter. Das Gericht betont, dass die schwerwiegende Behinderung des Kindes die Wohnungsnahme nicht nur wegen Vorbehalten von Vermietern erschwert, sondern auch deshalb, weil der umfassende Betreuungsaufwand die Kapazitäten der alleinerziehenden Mutter zur Wohnungssuche vermindert.

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Damit wird ein klassischer Erwartungskonflikt sichtbar: In Kostensenkungsverfahren verlangen Jobcenter regelmäßig dokumentierte Suchbemühungen. Bei Menschen, die rund um die Uhr pflegen, kann diese Erwartung in der Realität leer laufen. Das Urteil erkennt diesen Widerspruch an und zieht daraus eine rechtliche Konsequenz: Es komme nicht mehr darauf an, ob konkrete Wohnungssuchaktivitäten nachgewiesen werden können, weil die Betroffenen hierzu als nicht in der Lage anzusehen seien, wenn die Voraussetzungen der Zugangshemmnisse und der fehlenden Unterstützung durch den Träger vorliegen.

Kostensenkungsverfahren und Unterstützungsobliegenheiten der Jobcenter

Ein besonders praxisrelevanter Teil der Entscheidung liegt in der Frage, was ein Leistungsträger tun muss, bevor er die Kosten der Unterkunft absenkt. Das Sozialgericht Aurich verknüpft die Zugangshemmnisse mit einer Pflicht zu individuellen Hilfestellungen. Eine Absenkung wäre nach Auffassung des Gerichts nur dann rechtmäßig möglich gewesen, wenn der Beklagte im Kostensenkungsverfahren konkrete Unterstützung angeboten und bei Bedarf auch tatsächlich geleistet hätte, die objektiv geeignet gewesen wäre, eine andere Wohnungsnahme zu ermöglichen.

Diese Passage ist mehr als eine Mahnung zu „mehr Service“. Sie setzt einen Maßstab, der den Charakter des Kostensenkungsverfahrens verändert. Wo objektiv erkennbare Hemmnisse vorliegen, genügt es nicht, lediglich auf Angemessenheitswerte zu verweisen und die Wohnungssuche in die Verantwortung der Leistungsberechtigten zu legen. Der Leistungsträger muss sich mit der Frage befassen, wie die Betroffenen überhaupt eine Chance bekommen sollen, eine passende Wohnung zu finden. Bleibt diese Unterstützung aus, soll es bei den tatsächlichen Kosten als Maßstab bleiben.

Im Ergebnis entsteht eine klare Rechtsfolge: Die konkrete Angemessenheit der aktuell bewohnten Wohnung wird fortgeschrieben, statt die Leistungsberechtigten in eine Beweislastfalle zu drängen, in der sie das Nichtvorhandensein von Alternativen kaum seriös nachweisen können.

Verfassungsrechtliche Bezüge: Wohnungsnahme und familiäres Zusammenleben

Auffällig ist, dass das Sozialgericht Aurich ausdrücklich Art. 11 GG heranzieht und daraus ein Grundrecht auf Wohnungsnahme ableitet. Es verbindet dies mit dem Gedanken, dass die Klägerinnen als Familienmitglieder gemeinsam eine Wohnung beziehen dürfen. Dogmatisch wird in der verfassungsrechtlichen Diskussion häufig auch Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) als Anknüpfungspunkt genannt, wenn es um das Zusammenleben von Eltern und Kindern geht.

Das Auricher Urteil bleibt bei Art. 11 GG, nutzt die Grundrechtsdimension aber vor allem als argumentative Stütze dafür, dass die Bedarfsgemeinschaft gemeinsam zu betrachten ist und nicht künstlich auseinanderdividiert werden darf.

Für die Praxis bedeutet das: Das Gericht bewertet das gemeinsame Wohnen nicht nur als sozialpolitisch wünschenswert, sondern als rechtlich schutzwürdig. Damit gewinnt die Perspektive an Gewicht, dass die Angemessenheitsprüfung nicht dazu führen darf, dass Familien faktisch in eine unhaltbare Wohnsituation gedrängt werden oder nur um den Preis des Auseinanderreißens des Haushalts „angemessen“ wohnen könnten.

Welche Folgen das Urteil in der Praxis haben kann

Die Entscheidung dürfte vor allem in zwei Fallgruppen Wirkung entfalten. Zum einen betrifft sie Familien, in denen ein Kind oder ein anderer Angehöriger schwerbehindert ist und das nach außen erkennbar ist oder mit Verhaltensauffälligkeiten einhergeht, die auf dem Wohnungsmarkt zu Ablehnungen führen. Zum anderen betrifft sie Konstellationen, in denen Pflege- und Betreuungsaufwand die Wohnungssuche realistisch einschränkt, etwa bei Alleinerziehenden, die rund um die Uhr versorgen müssen.

Für Jobcenter wird das Urteil zu einer Zumutbarkeitsprüfung mit größerer Verantwortung. Ein Kostensenkungsverfahren, das in solchen Fällen lediglich standardisierte Schreiben versendet, ohne konkrete Hilfen anzubieten, trägt ein erhöhtes Prozessrisiko. Es geht dabei nicht zwingend um „mehr Geld“, sondern um eine saubere Abwägung und darum, welche Unterstützungsleistungen im Einzelfall erwartet werden können, wenn die Behörde zugleich verlangt, die Wohnkosten zu senken.

Für Leistungsberechtigte kann das Urteil ein Argumentationsmuster liefern, wenn die abstrakte Angemessenheitsgrenze den realen Zugang zu Wohnraum nicht abbildet. Es macht allerdings auch deutlich, dass die Hürden hoch bleiben: Es braucht außergewöhnliche Umstände, die offenkundig sind und sich anhand der Aktenlage und des Vortrags nachvollziehbar belegen lassen.

Was Leistungsberechtigte aus dem Verfahren lernen können

Das Auricher Verfahren zeigt, dass es rechtlich nicht reicht, eine allgemeine Wohnungsnot zu schildern. Erfolgversprechend wird ein Vortrag dort, wo die besondere Lage konkret beschrieben wird und nachvollziehbar erklärt, weshalb gerade diese Bedarfsgemeinschaft am Wohnungsmarkt regelmäßig auf Ablehnung stößt oder die Wohnungssuche praktisch nicht leisten kann.

Im Urteil spielen die schwere Behinderung, die damit einhergehende Geräusch- und Belastungssituation sowie der Pflege- und Betreuungsaufwand eine erkennbare Rolle.

Das Gericht machte die Rechtsfolgen davon abhängig, ob es im Kostensenkungsverfahren individuelle Hilfen gab. Wer in einer vergleichbaren Lage frühzeitig schriftlich um Unterstützung bittet und dokumentiert, was angeboten wurde oder gerade nicht angeboten wurde, schafft damit eine Grundlage, die später im Streitfall eine erhebliche Rolle spielen kann.

Gleichzeitig bleibt die Warnung vor einem verbreiteten Risiko bestehen: Ein Umzug ohne Zusicherung kann im Einzelfall zu finanziellen Konflikten führen, weil Jobcenter häufig nur bis zur Angemessenheitsgrenze zahlen wollen. Das Auricher Urteil zeigt zwar, dass Gerichte in Ausnahmefällen korrigierend eingreifen. Es zeigt aber auch, wie belastend und langwierig der Weg bis zur gerichtlichen Klärung sein kann.

Offene Fragen: Berufung und künftige Linie der Sozialgerichte

Das Sozialgericht Aurich hat die Berufung zugelassen und dies mit der grundsätzlichen Bedeutung der Sache begründet, unter anderem mit dem Hinweis, dass ihm keine Entscheidungen aus dem Bereich des Bürgergeldes bekannt seien, in denen die Behinderung eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft in dieser Weise entscheidungserheblich gewesen wäre. Damit ist das Urteil nicht nur Einzelfallrechtsprechung, sondern ein bewusst gesetzter Impuls in Richtung obergerichtlicher Klärung.

Ob und wie die Landessozialgerichtsbarkeit diese Linie fortführt, bleibt der spannende Teil der nächsten Jahre. Die Grundfrage lautet, wie weit die Pflichten der Leistungsträger reichen, wenn Zugangshemmnisse nicht nur behauptet, sondern tatsächlich objektiv erkennbar sind, und wie konkret Hilfsangebote ausgestaltet sein müssen, um eine Absenkung rechtlich zu tragen.

Fazit

Das Urteil des Sozialgerichts Aurich ist eine Entscheidung mit deutlichem Realitätsbezug. Es anerkennt, dass „Angemessenheit“ nicht allein eine Zahl ist, sondern auch eine Frage von Zugangschancen, Zumutbarkeit und Unterstützung. Wo eine schwerwiegende Behinderung, Verhaltensauffälligkeiten und ein hoher Pflegebedarf den Wohnungsmarkt faktisch verengen und die Wohnungssuche zusätzlich zeitlich überfordern, darf der Leistungsträger nicht auf Standardschreiben und Tabellenwerte vertrauen.

Das Gericht verlangt eine individuelle Betrachtung und knüpft daran klare Rechtsfolgen: Bleibt bedarfsgerechte Hilfe im Kostensenkungsverfahren aus, sind die tatsächlichen Kosten im Ausnahmefall als konkret angemessen zu tragen.

Quellen

Sozialgericht Aurich, Urteil vom 25.02.2025, Az. S 55 AS 378/23 (NI-VORIS/WKRS 2025, 15410), Bundessozialgericht, Urteil vom 06.10.2022, Az. B 8 SO 7/21 R (Leitsätze zu individuellen Zugangshemmnissen und Unterstützungsobliegenheit).