Bürgergeld: Geld von Dritten zur Überbrückung darf das Jobcenter nicht anrechnen

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Das Jobcenter darf Überbrückungsgeld in von Höhe 2000 EUR der Mutter beim Bürgergeld beziehenden Sohn nicht anrechnen

Zuwendungen Dritter, die eine nicht rechtzeitig erbrachte oder – gegebenenfalls auch nur vermeintlich rechtswidrig vom Jobcenter verweigerte Leistung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes substituieren und nur für den Fall des Obsiegens zurückgezahlt werden sollen, darf das Jobcenter – nicht als Einkommen anrechnen, denn es handelt sich um ein Darlehen zur Überbrückung einer Notlage im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).

Bei den Zuwendungen der Mutter in Höhe von 2000, 00 Euro handelte es sich – um vorläufige, substituierende Zahlungen und nicht um anrechenbares Einkommen.

Mit wegweisendem Urteil gibt das Landessozialgericht bekannt, dass die Überweisungen der Mutter in Höhe von 2000,00 Euro an ihren Bürgergeld bedürftigen Sohn kein anrechenbares Einkommen sind.

Es handelt sich um ein Darlehen der Mutter, welches sie ihrem krankem Sohn in einer Notsituation gewährt habe, wie zum Beispiel zur Bezahlung seiner Miete und Krankenkassenbeiträge, denn das Jobcenter hatte ihm sein Bürgergeld wegen stationärem Aufenthalt im Krankenhaus versagt.

Bei diesen Zuwendungen handelte es sich nicht um Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sondern um ein Darlehen unter Verwandten für eine Notüberbrückung

Als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einnahmen hat. Der Zuwachs muss dem Leistungsberechtigten zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er die Hilfebedürftigkeit in Höhe der Zuwendungen dauerhaft entfallen. Eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kann demzufolge nicht als Einkommen qualifiziert werden (BSG, Urteil vom 6.10.2011 – B 14 AS 66/11 R).

Zu unterscheiden ist zwischen Geldzahlungen (oder Sachleistungen)

Die einem nach dem SGB II Leistungsberechtigten zum endgültigen Verbleib zugewendet werden, einem Darlehen, das mit einer Rückzahlungsverpflichtung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegenüber dem Darlehensgeber belastet ist.

Und Zuwendungen Dritter, die eine nicht rechtzeitig erbrachte oder – ggf. auch nur vermeintlich rechtswidrig vom Jobcenter verweigerte Leistung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes substituieren und nur für den Fall des Obsiegens zurückgezahlt werden sollen, kein Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II dar.

Solche Zuwendungen, mit denen der Dritte vorläufig – gleichsam anstelle des Jobcenters und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens – einspringt, weil das Jobcenter nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat, die also in Erwartung der Rückzahlung und im Vertrauen auf einen bestehenden, lediglich noch nicht erfüllten Alg II-Anspruchs erfolgen, entbinden das Jobcenter nicht von seiner Leistungsverpflichtung.

Für die positive Feststellung der Substituierungsabsicht ist entscheidend

Ob die Zuwendung subjektiv tatsächlich im Vorgriff auf einen angenommenen, noch nicht erfüllten Leistungsanspruch erfolgt ist und einer Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der Herstellung des vermeintlich rechtmäßigen Zustands durch das Jobcenter unterliegt.

Welche Vereinbarungen zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Dritten für den Fall getroffen worden sind, dass ein Anspruch gegenüber dem Leistungsträger im Ergebnis eines Widerspruchs- und Klageverfahrens nicht besteht, ist unerheblich.

Bei den erfolgten Zuwendungen der Mutter des Klägers handelte es sich um Darlehen

Ein Darlehen bewirkt per saldo keine endgültige Veränderung der Vermögenslage des Darlehensnehmers im Sinne eines wertmäßigen Zuwachses. Denn es wird diesem lediglich vorübergehend und gegen die Verpflichtung zur Rückgewähr im Sinne von § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Verfügung gestellt (BSG, Urteil vom 17.6.2010 – B 14 AS 46/09 R -).

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Bei der Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog. Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles miteingestellt werden.

Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten weiteren Vertragspflichten) kann dabei als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist.

Was spricht gegen einen Darlehensvertrag

Demgegenüber spricht es etwa gegen einen Darlehensvertrag, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann.

Es ist aber nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung (z. B. Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkt dem zwischen Fremden – insbesondere mit einem Kreditinstitut – Üblichen entspricht (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.9.2020 – L 2 AS 788/14).

Fazit

Bei den erfolgten Zuwendungen der Mutter in Höhe von 2000, 00 Euro des Klägers handelte es sich um Darlehen

1. Die Mutter hat bestätigt, dass sich ihr Sohn aufgrund seiner schwierigen finanziellen Situation bei ihr gemeldet hat und um Hilfe in Form eines Überbrückungsdarlehens gebeten habe.

2. Kläger und Zeugin waren danach übereingekommen, dass es sich in keinem Fall um freiwillige Unterhaltszahlungen bzw. Schenkungen der Mutter handeln, sondern dass der Kläger vielmehr zur Rückzahlung des Geldes verpflichtet sein sollte.

3. Der Umstand, dass Kläger und Zeugin vor der Überweisung der insgesamt 2.000 Euro keine schriftliche Abrede zur Überlassung des Geldes getroffen hatten, steht der Einordnung als darlehensweise Zuwendung in der Gesamtschau aller Umstände hier ebenso wenig entgegen wie die fehlende Vereinbarung von Zinsen, die unter Verwandten ohnehin nicht den Regelfall darstellt.

4. Die Mutter hat auch schlüssig erklärt, dass sie dem Kläger deshalb eine mehrjährige Frist zur Rückzahlung eingeräumt habe, da sie seinerzeit davon ausgegangen sei, dass er bis dahin seinen Masterabschluss schaffen und sodann als Ingenieur arbeiten werde.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Bei den Zuwendungen der Mutter handelte es sich – um vorläufige, substituierende Zahlungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Lesetipp

Auch Zweckschenkungen der Kinder für Tilgungsraten sind Einkommen der Mutter, so entschieden aktuell von einem Landessozialgericht .

Bei den Zuwendungen der Kinder handelte es sich auch nicht um vorläufige, substituierende Zahlungen – Sondern um anrechenbares Einkommen.