Derzeit erhalten wir Anfragen, ob das Jobcenter die Kosten für einen Fernseher im Rahmen der Erstausstattung zahlen muss. Ein Portal, dass sich “Bürger & Geld” nennt und von einem “Verein” betrieben wird, hatte darüber berichtet.
Fakt ist: Ein Fernsehgerät kann gesellschaftliche Teilhabe unterstützen, daraus folgt im Bürgergeld aber nicht automatisch ein Anspruch auf Kostenübernahme als „Erstausstattung“. Die Rechtsprechung hat sich hier über die Jahre sichtbar verschoben – und diese Entwicklung ist für Betroffene entscheidend.
Was „soziokulturelles Existenzminimum“ im Recht bedeutet
Das deutsche Sozialrecht unterscheidet zwischen dem physischen Existenzminimum und dem, was Menschen braucht, um nicht vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten zu werden. Das Bundesverfassungsgericht beschreibt die staatliche Pflicht, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, ausdrücklich in einer Weise, die auch soziale und kulturelle Teilhabe einschließt. Das ist der verfassungsrechtliche Rahmen, in dem Regelbedarfe, Mehrbedarfe und Sonderleistungen überhaupt erst bewertet werden.
Aus diesem Rahmen ergibt sich selten ein Anspruch auf ein konkretes Produkt. Die Jobcenter arbeiten überwiegend mit Geldpauschalen. Teilhabe wird also meist nicht über die Finanzierung bestimmter Geräte „garantiert“, sondern über den monatlichen Regelbedarf, der unterschiedliche Bedarfsbereiche abdecken soll – darunter auch Kommunikation sowie Freizeit, Unterhaltung und Kultur.
Ob ein Fernseher daraus bezahlt werden muss oder ausnahmsweise zusätzlich übernommen wird, entscheidet sich deshalb weniger an der gesellschaftlichen Bedeutung des Mediums, sondern an der sozialrechtlichen Einordnung.
Bürgergeld: Regelbedarf und einmalige Leistungen passen nicht in dieselbe Schublade
Beim Bürgergeld nach dem SGB II ist der Regelbedarf als monatliche Pauschale angelegt. Er soll auch unregelmäßige Ausgaben ermöglichen, die nicht jeden Monat anfallen. Daneben gibt es ausdrücklich benannte „einmalige Bedarfe“, die gesondert erbracht werden können.
Dazu zählt die Erstausstattung einer Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten. Genau an dieser Stelle entzündet sich der Streit um den Fernseher: Ist er Teil dieser Erstausstattung oder fällt er in den Bereich der allgemeinen Lebensführung, der aus der Pauschale zu bestreiten ist?
Die Abgrenzung hat praktische Folgen. Erstausstattung bedeutet nicht „Ersatz“, nicht „Upgrade“ und in der Regel auch nicht „weil etwas alt ist“, sondern eine Ausgangssituation, in der wesentliche Gegenstände für das Wohnen ganz fehlen – etwa nach Wohnungslosigkeit, nach Trennung oder nach einem außergewöhnlichen Verlust.
Dann wird geprüft, was für ein an den üblichen Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen notwendig ist. Ob ein Fernseher darunter fällt, wurde von Gerichten unterschiedlich beantwortet.
Richtig ist, wie das Portal “Bürger & Geld” berichtet, dass das Sozialgericht Frankfurt am Main Leistungsberechtigten im Grundsatz zugesprach, dass ein Fernsehgerät im Rahmen der Wohnungserstausstattung zu berücksichtigen sein kann.
Die Überlegung war dabei sinngemäß: Wenn ein Gegenstand in einem sehr großen Teil der Haushalte vorhanden ist und gesellschaftlich zum Standard gehört, kann er zur Erstausstattung zählen – jedenfalls dann, wenn nur ein einfaches, kostengünstiges Gerät beansprucht wird, typischerweise gebraucht.
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Bescheid prüfenDiese Linie wurde in der Öffentlichkeit häufig als „Jobcenter muss Fernseher zahlen“ verkürzt. Schon damals war die Aussage enger: Es ging nicht um ein neues Gerät, nicht um beliebige Preisklassen und nicht um laufende Ersatzbeschaffungen, sondern um die erstmalige Grundausstattung in einer besonderen Bedarfslage.
Bundessozialgericht: Kein Anspruch auf TV als Erstausstattung
Spätestens mit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Februar 2011 (Az. B 14 AS 75/10 R) hat sich die Richtung jedoch deutlich verändert. Das höchste deutsche Fachgericht für die Sozialgerichtsbarkeit hat entschieden, dass ein Fernsehgerät nicht zur Erstausstattung der Wohnung im Sinne des SGB II gehört.
Die Begründung: Zur Erstausstattung zählen „wohnraumbezogene“ Gegenstände, die eine geordnete Haushaltsführung und das Wohnen ermöglichen. Ein Fernseher diene zwar Information und Unterhaltung, sei aber weder klassischer Einrichtungsgegenstand noch Haushaltsgerät in diesem rechtlichen Sinn und gehöre daher nicht in die Sonderleistung „Erstausstattung“.
Damit wurde nicht bestritten, dass Fernsehen gesellschaftlich relevant sein kann. Sozialrechtlich wurde es nur einem anderen Bereich zugeordnet: nicht dem „Wohnen“, sondern dem Teil der Lebensführung, der über die Pauschalen des Regelbedarfs abgedeckt werden soll.
Wer also heute beim Jobcenter einen Fernseher als Teil der Erstausstattung beantragt, wird eine Abfuhr erteilt bekommen, weil die höchstrichterliche Linie gegen einen Anspruch spricht. Der Begriff „Anspruch“ ist hier das entscheidende Wort – freiwillige Lösungen vor Ort, etwa über gebrauchte Sachleistungen in Einzelfällen, sind davon zu trennen, aber rechtlich nicht erzwingbar wie eine gebundene Leistung.
Wenn der Fernseher kaputtgeht: Warum Ersatz nicht übernommen wird
Geht ein vorhandenes Gerät später defekt, wird das Jobcenter regelmäßig auf den Regelbedarf verweisen. Reparatur oder Ersatzbeschaffung gelten grundsätzlich als Teil der laufenden Lebensführung. Eine Sonderleistung ist für Ausnahmesituationen gedacht, nicht für den Verschleiß normaler Haushalts- und Gebrauchsgegenstände.
Es gibt im SGB II zwar Instrumente für atypische Bedarfslagen, etwa darlehensweise Leistungen bei einem unabweisbaren Bedarf. In der Praxis ist die Hürde aber hoch, und gerade beim Fernseher wird häufig argumentiert, dass andere Informationswege zur Verfügung stehen oder dass der Bedarf nicht existenziell sei.
Wer betroffen ist, sollte sich deshalb darauf einstellen, dass ein „Neukauf auf Kosten des Jobcenters“ abgelehnt wird und eher über Gebrauchtkauf, Reparatur oder Unterstützung durch soziale Träger gelöst werden muss.
Anspruchserzählung und Rechtslage passen nicht mehr zusammen
Die Meldung von dem Portal “Bürger & Geld” ist also eine “Ente”. Zwar lässt sich aus älteren sozialgerichtlichen Entscheidungen eine Erzählung bauen: Der Fernseher sei verbreitet, er ermögliche Zugang zu Informationen, daher müsse er als Erstausstattung übernommen werden – zumindest gebraucht und günstig. Diese Erzählung ist heute rechtlich nicht haltbar und führt Bürgergeld-Bezieher in die Irre, um Klicks zu generieren.
Das Bundessozialgericht hat nämlich einen Anspruch auf ein Fernsehgerät als Teil der Wohnungserstausstattung im SGB II verneint. Damit ist die Linie „Jobcenter muss Fernseher zahlen“ in dieser Allgemeinheit nicht mehr korrekt und vermittelt falsche Eindrücke.
Quellen: Rechtsrahmen zum menschenwürdigen Existenzminimum und zur soziokulturellen Dimension: Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) sowie Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12). Gesetzliche Grundlage der einmaligen Bedarfe im Bürgergeld: § 24 SGB II. Höchstrichterliche Entscheidung zur Frage des Fernsehers als Erstausstattung im SGB II: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.02.2011 (B 14 AS 75/10 R). Ältere, abweichende instanzgerichtliche Entscheidungen: Sozialgericht Frankfurt am Main, Urteile vom 28.05.2009 (S 17 AS 388/06 und S 17 AS 87/08).




