Die Zahl der Menschen mit Schwerbehinderung, die arbeitslos sind, ist 2024 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – um sechs Prozent. Die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Schwerbehinderung betraf 183.000 Menschen.
Auch generell ist die Erwerbslosenquote bei Menschen mit Schwerbehinderung höher als bei Menschen ohne Behinderung. Sie pendelt im Jahresschnitt zwischen rund elf und 11, 6 Prozent, während sie bei Menschen ohne Behinderung bei rund sechs Prozent liegt.
Inhaltsverzeichnis
Rechtlicher Rahmen und Bevölkerungsentwicklung
Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen wird besonders durch die rechtlichen Bedingungen und die demografische Entwicklung beeinflusst. Doch auch die wirtschaftliche Situation spielt eine Rolle. So stieg 2020 wegen der Corona-Pandemie die Zahl der erwerbslosen mit Schwerbehinderung um fast neun Prozent, sank dann wieder und stieg ab Mitte 2023 erneut.
Alter und Schwerbehinderung
90 Prozent der Behinderungen sind nicht angeboren, sondern entstehen im Lauf des Lebens durch Krankheit oder Unfälle. Unter den Erwerbslosen mit Schwerbehinderungen waren 2024 fast die Hälfte älter als 55 Jahre, bei nicht schwerbehinderten Erwerbslosen sind es nur knapp ein Viertel.
Schwer, in den Arbeitsmarkt zu kommen
Schwerbehinderte Menschen verloren anteilig seltener eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt als nicht-schwerbehinderte Menschen. Zugleich gelang es Erwerbslosen mit Schwerbehinderung seltener als nicht-schwerbehinderten Erwerbslosen, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen.
Was sind die möglichen Gründe?
Mögliche Gründe dafür, dass schwerbehinderte Menschen am ersten Arbeitsmarkt seltener in Erwerbslosigkeit rutschen, könnten sein: Menschen mit Schwerbehinderung sind am Arbeitsplatz besonders geschützt.
Sie können einen besonderen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen, außerbetriebliche Weiterbildungen sind für sie erleichtert, und sie werden bei betrieblichen Weiterbildungen bevorzugt.
Sie können unterstützende Leistungen der Reha-Träger (Renten- und Krankenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Unfallversicherung / Berufsgenossenschaft) sowie des Integrationsamtes beanspruchen.
Eine Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber gut begründen und das Integrationsamt muss dieser zustimmen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zuvor Maßnahmen zu ergreifen, die eine Kündigung verhindern könnten.
Warum kommen schwerbehinderte Erwerbslose seltener in den ersten Arbeitsmarkt?
Viele Gründe sind möglich, warum Erwerbslose mit Schwerbehinderung seltener in den ersten Arbeitsmarkt kommen als Erwerbslose ohne Schwerbehinderung.
Viele Arbeitgeber haben nach wie vor unbegründete Vorurteile über die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen. Solche Unternehmen sehen dann nur Probleme, statt die Potenziale zu erkennen. Oft scheuen Arbeitgeber auch den Aufwand, Arbeitsplätze angepasst zu gestalten, oder die Arbeitsrechte für Menschen mit Schwerbehinderung sind ihnen ein Dorn im Auge.
Ein weiterer Aspekt sind die bürokratischen Hürden. Arbeitgeber können diverse Förderungen in Anspruch nehmen, wenn sie Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung beschäftigen, zum Beispiel das Budget für Arbeit und Ausbildung. Diese sind aber mit Anträgen verbunden, und die Verfahren sind oft zähflüssig.
Hinzu kommt das Alter. Erwerbslose mit Schwerbehinderung sind im Schnitt weit häufiger über 55 Jahre alt als Erwerbslose ohne Schwerbehinderung, und Arbeitgeber stellen generell ältere Bewerber seltener ein.
Oft hohe Motivation und Loyalität
Der Arbeitsschutz für Menschen mit Schwerbehinderung geht einher mit einer oft hohen Motivation der Betroffenen. Mitarbeiter mit Schwerbehinderung erweisen sich oft als überdurchschnittlich loyal gegenüber dem Unternehmen / dem Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz, der ihren Bedürfnissen gerecht wird.
Sie sind durch ihre Einschränkungen oft ortsgebunden und denken deshalb seltener an einen Jobwechsel und / oder Umzug nach als Arbeitnehmer ohne Behinderung.
Bildung schützt weniger als bei Menschen ohne Schwerbehinderung
Die Statistik zeigt zudem, dass berufliche Qualifikation Menschen mit Schwerbehinderung weniger vor Erwerbslosigkeit schützt als Menschen ohne Schwerbehinderung. So hatten 53 Prozent der Erwerbslosen mit Schwerbehinderung eine abgeschlossene Berufsausbildung, aber unter allen Erwerbslosen lag diese Quote nur bei 44 Prozent.
Ungenutztes Potenzial
Daniel Terzenbach, der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, sieht in diesen Tatsachen nicht nur eine Chance für die Betroffenen, sondern auch für den Arbeitsmarkt. Er sagt: „Menschen mit Behinderungen bringen vielfach wertvolle Qualifikationen mit und stellen ein gutes – bisher zu wenig genutztes – Potenzial dar.“
Ihm zufolge sind Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung nicht selten besser qualifiziert als Arbeitnehmer ohne Schwerbehinderung. Trotzdem kommen sie im Vergleich seltener in eine qualifizierte Beschäftigung.
Terzenbach empfiehlt eine engere Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagenturen, Jobcenter und Unternehmen, damit mehr Arbeitgeber dieses Potenzial auch nutzen.
Vorteile für Arbeitgeber
Viele Arbeitgeber sehen auch nicht die Förderungen, die sie bei der Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer erhalten können. Diese reichen von Lohnkostenzuschüssen über finanzierte Umbauten und die Übernahme der Kosten für entsprechende Technik, um Arbeitsplätze behindertengerecht zu gestalten. Die Bundesagentur für Arbeit, das Integrationsamt oder die Handelskammern beraten dazu ausführlich.




