Krankengeld gilt als wichtiges soziales Sicherungsinstrument, das Beschรคftigte in Deutschland vor einem Einkommensausfall schรผtzt, sobald die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers nach sechs Wochen endet.
Doch wie jede Sozialleistung hat auch das Krankengeld Schattenseiten. Ein genauer Blick auf finanzielle, soziale und arbeitsrechtliche Konsequenzen zeigt, warum der Bezug nicht nur Entlastung, sondern mitunter auch Belastung bedeuten kann.
Inhaltsverzeichnis
Einbuรen trotz Absicherung
Der offensichtlichste Nachteil liegt in der Hรถhe der Leistung. Krankengeld ersetzt in der Regel 70 Prozent des Brutto- bzw. hรถchstens 90 Prozent des Nettogehalts.
Durch die Deckelung greift bei hรถheren Einkommen eine Beitragsbemessungsgrenze, sodass Besserverdienende spรผrbare Abschlรคge hinnehmen mรผssen. Zusรคtzlich entfallen Zuschlรคge fรผr รberstunden, Boni oder Schichtarbeit, die oft einen erheblichen Teil des gewohnten Einkommens ausmachen.
Besonders belastend ist, dass laufende Fixkosten โ von Miete bis Kreditraten โ unverรคndert weiterlaufen, wรคhrend die Liquiditรคt sinkt.
Fehlende Rentenanwartschaften und Beitragslรผcken
Wer Krankengeld bezieht, zahlt keine eigenen Beitrรคge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar fรผhrt die Krankenkasse pauschale Beitrรคge in Hรถhe von 80 Prozent des zuletzt versicherten Arbeitsentgelts ab, doch dadurch entstehen Lรผcken im Versicherungskonto.
Langfristig summieren sich diese Phasen zu niedrigeren Rentenpunkten, wodurch das Alterseinkommen sinkt. รhnliche Beitragsdefizite kรถnnen in der Arbeitslosenโ und Pflegeversicherung auftreten, was kรผnftige Leistungsansprรผche schmรคlert.
Steuerliche Auswirkungen und Progressionseffekte
Rein formell ist Krankengeld steuerfrei, doch es unterliegt dem Progressionsvorbehalt. Die Leistung erhรถht das zu versteuernde Einkommen fiktiv, sodass der persรถnliche Steuersatz auf das tatsรคchlich zu versteuernde Einkommen steigt.
Am Jahresende kann dadurch eine Nachzahlung fรคllig werden, auf die viele Betroffene nicht vorbereitet sind. Das Risiko wรคchst, je lรคnger der Krankengeldbezug dauert und je hรถher die รผbrigen Einkรผnfte aus etwaiger Nebentรคtigkeit oder Vermietung ausfallen.
Bรผrokratische Hรผrden und Dokumentationspflichten
Die Anspruchsprรผfung erfolgt streng: ArbeitsunfรคhigkeitsโBescheinigungen mรผssen lรผckenlos und fristgerecht eingereicht werden, sonst droht eine Kรผrzung oder Einstellung der Zahlung.
Schon eine eintรคgige Unterbrechung ohne gรผltige Bescheinigung kann dazu fรผhren, dass der Anspruch komplett erlischt und erst nach einer neuen VierโWochenโFrist der Entgeltfortzahlung erneut entsteht.
Hinzu kommt, dass Krankenkassen hรคufig medizinische Gutachten anfordern. Versicherte empfinden die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nicht selten als Misstrauensbeweis, der zusรคtzlichen psychischen Druck aufbaut.
Beschรคftigungsrisiko aus Sicht des Arbeitgebers
Auch wenn Kรผndigungen wรคhrend einer Krankheit rechtlich schwierig sind, verschlechtert sich die Stellung im Betrieb oft spรผrbar. Langzeitkranke fรผrchten, dass ihre Aufgaben umverteilt oder Stellen perspektivisch gestrichen werden.
Besonders problematisch wird es, wenn nach dem Ende des Krankengeldbezugs keine vollstรคndige Arbeitsfรคhigkeit besteht und eine Wiedereingliederung nach dem โHamburger Modellโ scheitert. In solchen Fรคllen droht das Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrags oder eine personenbedingte Kรผndigung.
RehaโDruck und Mitwirkungspflichten
Ab einer Bezugsdauer von 78 Wochen innerhalb von drei Jahren endet der Krankengeldanspruch. Um vorzeitig sogenannte Entgeltersatzleistungen wie รbergangsgeld zu vermeiden, drรคngen Krankenkassen oft schon nach einigen Monaten auf medizinische oder berufliche Rehabilitationsmaรnahmen.
Diese kรถnnen zwar sinnvoll sein, bedeuten aber auch terminlichen und organisatorischen Aufwand. Wer eine Maรnahme ohne triftigen Grund ablehnt, riskiert Leistungskรผrzungen.
Psychosoziale Belastung durch finanzielle Sorgen
Der Schritt vom regulรคren Gehalt zum Krankengeld geht hรคufig mit Existenzรคngsten einher. Die Sorge, Rechnungen nicht mehr bezahlen zu kรถnnen, erschwert die Genesung. Hinzu kommen Schuldgefรผhle gegenรผber Kolleginnen und Kollegen, die die Arbeitslast tragen mรผssen, sowie das Gefรผhl, bei Vorgesetzten in Ungnade zu fallen.
Diese psychosozialen Effekte kรถnnen den Heilungsprozess verzรถgern oder gar neue Krankheitsbilder wie Depressionen oder Angststรถrungen begรผnstigen.
Wechsel in die private Krankenversicherung als Falle
Privatversicherte erhalten anstelle des gesetzlichen Krankengeldes ein Krankentagegeld, dessen Hรถhe frei vereinbart wird. Wer jedoch frรผh im Berufsleben einen niedrigen Tagessatz gewรคhlt hat, stellt im Ernstfall fest, dass die Leistung nicht annรคhernd kostendeckend ist.
Eine nachtrรคgliche Erhรถhung ist aufgrund von Alter oder Vorerkrankungen oft unbezahlbar oder wird abgelehnt. Damit kann eine ursprรผnglich vorteilhafte Privatversicherung zur finanziellen Falle werden.
Fazit: Doppelte Achtsamkeit โ prรคventiv und im Akutfall
Krankengeld ist ein unverzichtbarer Baustein des sozialen Sicherungssystems, doch es ersetzt nicht das volle Einkommen und kann langfristige Folgen haben. Beschรคftigte sollten frรผhzeitig private Rรผcklagen bilden und ihre Versicherungen รผberprรผfen, um finanzielle Engpรคsse und Beitragslรผcken abzufedern.
Wer bereits Krankengeld bezieht, tut gut daran, Fristen akribisch einzuhalten, die steuerlichen Effekte im Blick zu behalten und sich mรถglichst eng mit Arbeitgeber, รrztinnen und Krankenkasse abzustimmen. Nur so lรคsst sich die Kehrseite dieser wichtigen Leistung in einem vertretbaren Rahmen halten.