Zum 1. Januar 2026 verschwindet in Deutschland ein Verfahren, das vielen kaum bekannt ist, für einige Tausend Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger jedoch existenziell war: Die Postbank nimmt bundesweit keine Zahlungsanweisungen zur Verrechnung (ZzV) mehr an.
Wer bislang mit dem papiernen Auszahlungsbeleg zur nächsten Filiale ging, um dort seine monatliche Leistung in bar zu bekommen, muss sich spätestens ab dem Jahreswechsel auf neue Wege einstellen.
Die Entscheidung erfolgte im Zuge der IT-Migration der Postbank in das System der Deutschen Bank, das klassische Scheckprozesse nicht mehr unterstützt.
Wie die ZzV funktionierte – und warum sie verschwindet
Seit vielen Jahren griffen Jobcenter auf die ZzV zurück, wenn Leistungsberechtigte kein Konto angeben konnten.
Das Verfahren ähnelte einem Scheck: Das Amt ließ den Beleg per Post zustellen; in der Filiale der Postbank wurde das Dokument geprüft und der Betrag bar ausgezahlt.
Drei Monate lang blieb das Papier gültig, doch mit jeder Filialschließung schrumpfte das Netz der Einlösestellen. Spätestens Ende September 2025 stellen die meisten Jobcenter den Versand ein, weil ein später eingereichter Schein die Jahresfrist nicht mehr überlebt.
Wer ist besonders betroffen?
Genaue Zahlen zu kontolosen Erwachsenen liegen nicht vor, doch Studien der Bundesbank zeigen: Selbst im Hochtechnologieland Deutschland gibt es weiterhin einen – wenn auch kleinen – Anteil von Menschen, die vollständig außerhalb des bargeldlosen Zahlungsverkehrs stehen.
Besonders häufig sind wohnungslose oder hoch verschuldete Personen betroffen, die weder über eine feste Anschrift noch über eine unbelastete Schufa-Auskunft verfügen.
Sie können schon heute vielerorts nur noch stundenlang entfernte Postbank-Filialen erreichen; ab 2026 entfällt diese Option ganz.
Anspruch auf ein Basiskonto mit Hürden
Seit Inkrafttreten des Zahlungskontengesetzes (ZKG) am 19. Juni 2016 hat jede in der EU rechtmäßig aufhältige Person einen Rechtsanspruch auf ein Basiskonto. Das gilt ausdrücklich auch für Menschen ohne festen Wohnsitz, Asylsuchende und Geduldete.
Die Institute müssen solche Guthabenkonten eröffnen, dürfen sie aber mit Gebühren belegen, die in der Praxis bis zu zweistelligen Monatsbeträgen reichen. Wer keine Ausweisdokumente oder keine ladungsfähige Adresse vorlegen kann, scheitert oft trotzdem an formalen Vorgaben.
Was die Jobcenter jetzt tun (müssen)
Die Bundesagentur für Arbeit hat ihre gemeinsamen Einrichtungen und die kommunalen Jobcenter bereits angewiesen, betroffene Leistungsbeziehende schriftlich über das Ende der ZzV zu informieren und aktiv bei der Kontoeröffnung zu unterstützen.
Viele Einrichtungen planen Informations- und Beratungstage, einige kooperieren mit Schuldner- und Migrationsberatungen, um Ausweisdokumente oder Meldeadressen zu klären.
Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.
Bescheid prüfenDer Deutsche Landkreistag empfiehlt zudem, Betroffene frühzeitig auf den gesetzlichen Anspruch hinzuweisen, um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen.
Welche Alternativen diskutiert werden
Politik und Verwaltung arbeiten an mehreren Ersatzmodellen. Am weitesten gediehen ist das Barcodeverfahren: Statt eines Schecks verschickt das Jobcenter einen QR- oder Strichcode, der an der Supermarkt-Kasse eingescannt wird; das Bargeld kommt direkt aus der Ladenkasse.
In Wittenberg, Nürnberg und einzelnen Kreisen in Sachsen-Anhalt läuft das System bereits im Regelbetrieb.
Eine zweite Spur verfolgt die sogenannte Bezahlkarte, eine guthabenbasierte Debitkarte, die mehrere Länder seit 2024 zunächst für Schutzsuchende eingeführt haben.
Für Bürgergeld ist sie bisher nur Pilotprojekt, Kritiker*innen warnen vor Stigmatisierung und hohen Gebühren. Als Notlösung bleibt die klassische Barauszahlung in der Behörde selbst – eine Option, die aber hohe Sicherheits- und Personalkosten verursacht und deshalb kaum flächendeckend kommen dürfte.
Zwischen Selbstbestimmung und Fürsorgepflicht
Die Umstellung berührt Grundsatzfragen sozialer Teilhabe. Ohne Konto lässt sich heute kaum eine Wohnung mieten, kein Mobilfunkvertrag abschließen, kein digitales Ticket kaufen.
Zugleich kann ein teures oder restriktives Konto Menschen in prekären Lagen weiter unter Druck setzen. Sozialverbände fordern deshalb, die Basiskonto-Entgelte gesetzlich zu deckeln und bürokratische Zugangshürden abzubauen.
Die Bundesregierung prüft laut Arbeitsministerium, ob hierfür eine Novelle des ZKG nötig wird; konkrete Gesetzesentwürfe liegen noch nicht vor.
Fahrplan bis 2026 – und was Betroffene jetzt tun sollten
Bis Ende September 2025 müssen Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger ohne Konto eine Lösung gefunden haben, sonst kann der Regelsatz im neuen Jahr nicht mehr ausgezahlt werden.
Wer Hilfe braucht, sollte sein Jobcenter unmittelbar ansprechen: Dort lassen sich Beratungstermine vereinbaren, um Unterlagen zusammenzustellen, Gebührenbefreiungen zu beantragen oder kurzfristige Überbrückungsleistungen zu erörtern.
Gemeinnützige Schuldner- und Sozialberatungen können zusätzlich bei der Kontoeröffnung unterstützen. Wer bereits eine schriftliche Ankündigung zur Einstellung der ZzV erhalten hat, sollte die darin gesetzten Fristen ernst nehmen, denn rückwirkend lassen sich Leistungen nur beschränkt nachzahlen.
Fazit
Das Aus für die ZzV ist mehr als eine technische Anpassung: Es zwingt Staat, Banken und Zivilgesellschaft, über einen barrierefreien Zugang zum Zahlungsverkehr neu nachzudenken. Gelingt es, kostengünstige Basiskonten wirklich flächendeckend bereitzustellen und diskriminierungsfreie Übergangslösungen wie Barcodes auszubauen, könnte die Reform langfristig sogar soziale Teilhabe stärken.
Scheitert dieser Kraftakt, droht jedoch ein neuer Ausschluss jener Menschen, die schon heute am Rand des Systems stehen. Die kommenden 17 Monate entscheiden darüber, welche dieser beiden Geschichten wir am 1. Januar 2026 lesen werden.