Schwerbehinderung: Betroffener klagte erfolgreich auf Entschädigung nach Jobablehnung

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Das Verwaltungsgericht Sigmaringen setzte sich mit folgender Frage auseinander: Reicht es aus, einen schwerbehinderten Bewerber in einem Vorauswahlverfahren zum Vorstellungsgespräch für eine Stelle im öffentlichen Dienst zu laden? (VG Sigmaringen, Urteil AZ: 2023 – 7 K 4878/20)

Sind darauf folgende Auswahlgespräche, zu denen der Betroffene nicht geladen wird möglicherweise eine Diskriminierung/Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung mit einem Anspruch auf Regress (§ 15 Abs. 2 AGG)?

Der Fall

Der betroffene Kläger ist schwerbehindert (mit GdB 60 v.H.) und hat einen Abschluss für den gehobenen Verwaltungsdienst. Er klagte gegen die zuständige Gemeinde, nachdem er eine ausgeschriebene Stelle als stellvertretender Hauptamtsleiter nicht bekommen hatte und forderte Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Fristgerechte Bewerbung

Der Betroffene hatte sich innerhalb der gesetzten Frist auf die ausgeschriebene Stelle beworben, Unterlagen mit seinem Werdegang geschickt und auf seine Schwerbehinderung hingewiesen.

Zum Vorstellungsgespräch geladen

Zusammen mit sechs anderen Bewerbern wurde er in das Rathaus zum Vorstellungsgespräch geladen, das der Bürgermeister mit der Hauptamtsleiterin führte. Nach dem ersten Gespräch wurde er nicht mehr berücksichtigt.

Vier der weiteren Bewerber wurden zu einem zweiten Gespräch mit den Amtsleitern gebracht, welche zwei davon einluden, sich dem Gemeinderat vorzustellen. Einer von diesen wurde genommen. Der Betroffene erhielt nur eine Mitteilung, dass ein Mitbewerber die Stelle erhalten habe.

Was war der Grund für die Klage?

Der Kläger verlangte per E-Mail eine Begründung für die Ablehnung und Einsicht in das Bewerbungsverfahren. Er erhob Widerspruch gegen die Ablehnung, forderte Entschädigung und Schadensersatz nach dem AGG wegen Verletzung seines Bewerberverfahrensanspruchs.

Später forderte er dann schriftlich eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern. Er begründete dies mit

  • einer fehlenden Stellenausschreibung bei der Agentur für Arbeit,
  • dem vorzeitigen Ausschluss aus dem Auswahlverfahren und
  • somit unzureichender Einladung zum Vorstellungsgespräch
  • sowie einer mangelhaften Begründung der Ablehnung.

Um dies zu erreichen, erhob er Klage beim VG Sigmaringen.

Wie argumentiert die Gemeinde?

Die Beklagte führte aus, die Schwerbehinderung habe beim Vorstellungsgespräch keine Rolle gespielt, die Ablehnung habe auf dem Eindruck der Leistung, Eignung und Befähigung im ersten Vorstellungsgespräch basiert. Dieses sei sehr umfangreich gewesen und nicht protokolliert worden.

Das Gericht entscheidet für die Klage

Das Gericht stimmte der Begründung des Klägers zu und verurteilte die Gemeinde gem. § 15 Abs. 2 AGG zur Zahlung immateriellen Schadensersatzes in der Höhe von drei Monatsgehältern, also zur Zahlung von 8.449,05 EUR verurteilt.

Wie begründete das Gericht das Urteil?

Laut Gericht ginge aus dem § 165 S. 3 SGB IX hervor, dass schwerbehinderte Bewerber auf eine Stelle im öffentlichen Dienst Anspruch hätten, so lange im Auswahlverfahren zu bleiben, bis die internen Entscheider (hier der Gemeinderat) einen persönlichen Eindruck von ihnen gewinnen könnten. Das sei in diesem Fall nicht erfüllt worden.

Anders liege der Fall nur, wenn die fachliche Eignung offensichtlich nicht vorhanden sei und dies hinreichend dokumentiert werde. Beides hätte hier nicht zugetroffen.

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