Schwerbehinderung: Behindertes Kind aus der Ukraine hat auch Anspruch auf Förderung

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Benötigt ein aus der Ukraine geflüchtetes behindertes Kind für den erforderlichen Besuch einer heilpädagogischen Tagesstätte Leistungen der Eingliederungshilfe, sind diese regelmäßig zu gewähren.

Denn es ist davon auszugehen, dass sich ukrainische Flüchtlinge voraussichtlich dauerhaft in Deutschland aufhalten werden, so dass nötige heilpädagogische oder sonstige Maßnahmen zur Unterstützung schulischer Ganztagsangebote nicht verweigert werden dürfen, entschied das Sozialgericht Nürnberg in einem am Dienstag, 2. April 2024, veröffentlichten Beschluss (Az.: S 13 SO 166/23 ER).

Im konkreten Fall ging es um eine ukrainische Mutter mit ihren beiden Töchter. Sie waren wegen des russischen Angriffskriegs am 13. März 2022 nach Deutschland geflohen.

Antrag auf Förderung einer heilpädagogischen Tagesstätte gestellt

Bei der Antragstellerin, der jüngeren Tochter, besteht eine Trisomie 21. Vormittags besucht das Kind wegen seiner geistigen Behinderung eine Förderschule. Im Mai 2023 beantragte es beim zuständigen Eingliederungshilfeträger die Kostenerstattung für den nachmittäglichen Besuch der an der Schule angeschlossenen heilpädagogischen Tagesstätte.

Ein sonderpädagogisches Gutachten hatte bei dem Kind einen „erhöhten sonderpädagogischen Förderbedarf“ festgestellt. Dem folgte auch der sozialmedizinische Dienst, auch wenn kein „außerordentlich hoher Hilfebedarf“ vorliege.

Eingliederungshilfeträger lehnt trotz Bedarf die Kostenerstattung ab

Dennoch lehnte der Eingliederungshilfeträger die Kostenerstattung ab. Denn bei der Mutter und ihren Töchtern sei nur von einem vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland auszugehen.

Ausländer könnten dann aber nur im Einzelfall Eingliederungshilfe erhalten. Hier sei der Förderbedarf des Kindes durch den Schulbesuch gedeckt. Ein außerordentlich hoher Hilfebedarf liege nicht vor.

Ohne Erfolg wies die Mutter darauf hin, dass sie langfristig in Deutschland bleiben und arbeiten wolle. Sie habe Deutsch studiert und sei derzeit halbtags als Dolmetscherin tätig.

Sollte die Eingliederungshilfe nicht gewährt werden, sei eine vollständige soziale Integration ihrer behinderten Tochter gefährdet. Per einstweiliger Anordnung sollte der Eingliederungshilfeträger zur Kostenerstattung verpflichtet werden.

Behindertes ukrainisches Flüchtlingskind hat Anspruch auf Förderung

Das Sozialgericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 1. Dezember 2023 statt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen könnten Ausländer in Deutschland Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt sei. Keine Einschränkung bestehe aber für Ausländer mit einer Niederlassungserlaubnis oder einem befristeten Aufenthaltstitel, sofern sie sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten.

Letzteres sei bei der Tochter der Fall. Angesichts des ungewissen Endes des Russland-Ukrainekrieges sei mit einem dauerhaften Aufenthalt der Familie in Deutschland zu rechnen.

Sozialgericht Nürnberg geht von dauerhaftem Aufenthalt aus

Dieser Prognose stehe auch nicht entgegen, dass Mutter und Töchter nur über einen befristeten Aufenthaltstitel verfügen. Hinzu komme, dass die Mutter angesichts ihrer sehr guten Deutschkenntnisse und ihrer beruflichen Qualifizierung einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit anstrebe.

Der Eingliederungshilfeträger sei daher verpflichtet, die erforderlichen Hilfen zur Teilhabe an Bildung zu gewähren. Dazu gehörten auch heilpädagogische Maßnahmen, die den Schulbesuch ermöglichen oder erleichtern. fle

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