Nach Kündigung darf das Arbeitslosengeld nicht 18 Monate ruhen

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Das Bayerische Landessozialgericht (L 10 AL 85/21) urteilte im Sinne einer Leistungsberechtigten: “Eine Kündigung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer ist durch Ziiffer 6 Abs 3 des Radolfzell II-Abkommens nicht ausgeschlossen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht damit nicht für 18 Monate.” (L 10 AL 85/21)

“Ruhen des Arbeitslosengeldes”

Im Berufungsverfahren ging es um das “Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 24.12.2019 bis 08.09.2020 im Hinblick auf die Gewährung einer Entlassungsentschädigung”.

“Keine betriebsbedingten Kündigungen”

Die Klägerin arbeitete ab 2016 als Senior Consultant/Projektmanagerin, laut Zwischenzeugnis und Information der Personalabteilung außertariflich.

In der Firma galten die “Grundsätze bei Restrukturierungen und Strukturänderungen” (sog. Radolfzell II-Abkommen). Darin steht, dass “betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgesprochen werden. Sollte es dennoch erforderlich sein, so kann dies nur einvernehmlich zwischen Firmenleitung, Gesamtbetriebsrat und IG Metall geschehen”.

Aufhebungsvereinbarung und Interessenausgleich

Die Klägerin verwies auf den zwischen Firmenleitung und Arbeitnehmervertretern vereinbarten Interessenausgleich und die Vereinbarung über betriebsbedingte personelle Anpassungsmaßnahmen aufgrund von Betriebsänderungen.

Darauf bezogen schloss sie eine Aufhebungsvereinbarung “aus betriebsbedingten Gründen” mit Ablauf des 30.09.2019 sowie eine Abfindung von insgesamt 452.169,70 Euro brutto. Ihr war bekannt, dass ihr Arbeitsplatz gestrichen sei und dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen beendet würde.

Antrag auf Arbeitslosengeld

Die Betroffene meldete sich persönlich arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Die Firma teilte mit, dass die Kündigungsfrist sieben Monate zum Monatsende betragen habe.

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Ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen

Eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber sei nicht ausgeschlossen gewesen, so die Firma. Sie sei auch nicht nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung zulässig gewesen.

“Arbeitslosengeld ruht”

Die Behörde teilte per Bescheid mit, dass das Arbeitslosengeld vom 09.10.2019 bis 08.09.2020 ruhe. Denn sie habe vom Arbeitgeber eine Leistung in Höhe von 452.169,70 Euro erhalten oder zu beanspruchen.

Ihr Arbeitgeber hätte nicht kündigen dürfen, daher werde sie behandelt, als hätte die Kündigungsfrist 18 Monate betragen. Erst nach dem Zeitraum, in das ALG ruhe, hätte sie einen Anspruch.

Die Agentur für Arbeit begründete dies folgendermaßen: “Der Zeitraum, für den der Anspruch ruhe, werde aus 25 % der Arbeitgeberleistungen berechnet. Der sich so ergebende Betrag werde durch das kalendertägliche Arbeitsentgelt der Klägerin geteilt. Hieraus ergebe sich die Zahl der Ruhenstage.”

Widerspruch: Ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen

Die Betroffene legte Widerspruch ein. Eine ordentliche Kündigung sei nicht ausgeschlossen gewesen, und die Kündigungsfrist habe sieben Monate betragen. Die Agentur für Arbeit lehnte dies als unbegründet zurück.

Klägerin war nicht an Manteltarif gebunden

In der zweiten Instanz gab das Landessozialgericht der Betroffenen Recht. Sie hätte Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 24.12.2019 bis 08.09.2020 (was die Agentur ablehnte). Ihr Anspruch ruhe in dieser Zeit nicht.

Im Gegensatz zur Einschätzung des Jobcenters war eine Kündigung der Klägerin nicht ausgeschlossen. Denn der Manteltarifvertrag (MTV) für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie hätte für ihr Arbeitsverhältnis nicht gegolten. Dieses sei nämlich außertariflich gewesen.

Da die Betroffene grundsätzlich ordentlich kündbar war, kam, so das Gericht, ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld von vornherein nicht in Betracht. Für die strittige Zeit hätte sie als Anspruch auf Arbeitslosengeld.

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