Keine Hauszwangsversteigerung wegen Bafög-Antrag

Lesedauer 2 Minuten

Erbt ein Student einen Anteil an einem von seiner Mutter und seinen Geschwistern bewohnten Einfamilienhaus, muss er seinen Erbanteil nicht um jeden Preis veräußern, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Es verstößt gegen das Willkürverbot und stellt eine unbillige Härte dar, wenn das Studentenwerk den Bafög-Antrag des Studenten ablehnt und ihm die Zwangsversteigerung und damit eine unwirtschaftliche Verwertung des geerbten Hausanteils nahelegt, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 3. Mai 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 1620/22).

Bundesverfassungsgericht: Student muss Erbanteil nicht verwerten

Im Streitfall hatte ein Student im November 2020 beim Studentenwerk Frankfurt am Main einen Antrag auf Bafög gestellt. Die Behörde lehnte diesen ab und verwies auf das vorhandene Vermögen des Studenten. Dieser hatte von seinem verstorbenen Vater ein Zwölftel des von ihm, seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern bewohnten Einfamilienhauses geerbt.

Sein Miteigentumsanteil an der Erbengemeinschaft betrage 26.219 Euro und müsse zur Sicherung des Lebensunterhalts veräußert, notfalls zwangsversteigert werden. Erst nach Einsatz des Vermögens zur Existenzsicherung könne Bafög bezogen werden.

Der Student erhob dagegen Klage. Seine Mutter und seine Geschwister könnten ihm seinen Erbteil nicht auszahlen und seien auch nicht bereit, einer Versteigerung zuzustimmen. Andernfalls stünden sie ohne Wohnung da. Eine Zwangsversteigerung würde den Familienfrieden zerstören.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auch wenn die Miterben den Verkauf als „seelische Härte“ empfanden, sei dies noch keine unbillige Härte. Dies bestätigte auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel.

Verfassungsbeschwerde ist begründet

Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde sei „offensichtlich begründet“, entschied das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 21. März 2023. Die Gerichte hätten gegen das Willkürverbot verstoßen. Es stelle eine „unbillige Härte“ dar, wenn eine Zwangsversteigerung angeordnet werden müsse, die regelmäßig zu einem erheblichen wirtschaftlichen Verlust führe. Damit hätten sich die Vorinstanzen nicht auseinandergesetzt, so die Verfassungsrichter.

Auch sei nicht berücksichtigt worden, „dass die Mutter und die beiden Brüder des Beschwerdeführers gezwungen wären, ihren Anteil an dem gemeinsam bewohnten Hausgrundstück voraussichtlich unwirtschaftlich zu verwerten, obwohl sie nicht verpflichtet sind, ihr Vermögen einzusetzen, um dem Beschwerdeführer ein Studium zu ermöglichen“, heißt es in dem Beschluss weiter. fle/mwo