Jobcenter sind dazu verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass gegen Bescheide auch in elektronischer Form ein Widerspruch eingelegt werden kann. Fehlt dieser Hinweis, so ist Rechtsfolgebelehrung fehlerhaft und verstrichene Fristen für einen Widerspruch gelten nicht. Das urteilte das Bundessozialgericht in Kassel (Az: B 7 AS 10/22 R)
Kläger verpassten Widerspruchsfrist
Im Mittelpunkt des Falls stand eine Familie, die gegen die teilweise Aufhebung ihrer Leistungsbewilligungen nach dem SGB II (Bürgergeld) und die daraus resultierenden Erstattungsforderungen durch das Jobcenter vorgehen wollte. Da sie die Widerspruchsfrist überschritten hatten, standen sie vor der Herausforderung, die Rechtmäßigkeit der Forderung anzufechten.
Die Klagen der Kläger wurden in den Vorinstanzen zunächst abgewiesen. Das Gerichte argumentierten, dass die Widersprüche nicht fristgerecht erhoben wurden, da sie nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Bescheide erfolgten. Allerdings gelten in bestimmten Fällen längere Fristen, insbesondere wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig oder fehlerhaft ist.
Anforderung an eine vollständige Rechtsbehelfsbelehrung
Für die Gültigkeit eines Widerspruchs ist es ausschlaggebend, dass Betroffene korrekt über ihre Rechte und die notwendigen Schritte in der Rechtsbehelfsbelehrung informiert werden.
Die Familie argumentierte, dass die Belehrung in ihrem Fall unvollständig gewesen sei, da sie keinen Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung des Widerspruchs enthielt. Dies ist insbesondere deshalb relevant, da das Gesetz seit dem 1. Januar 2018 die elektronische Einreichung von Widersprüchen als gleichwertige Alternative zur schriftlichen Form anerkennt.
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Das Jobcenter hatte zwar seine E-Mail-Adresse im Briefkopf angegeben, jedoch ohne darauf hinzuweisen, dass Widersprüche auch elektronisch per Email eingereicht werden können.
Jobcenter gab Email-Adresse an, ohne elektronische Widersprüche zu bearbeiten
Das Gericht stellte fest, dass das Jobcenter zwar möglicherweise nicht in der Lage war, elektronische Widersprüche zu bearbeiten, als die Bescheide ergingen, aber dennoch eine E-Mail-Adresse im Bescheid angegeben hatte.
Dies wurde als “konklusive Eröffnung” eines elektronischen Zugangs gewertet. Es spielte keine Rolle, ob das Jobcenter technisch in der Lage war, die Formvorschriften für elektronische Widersprüche zu prüfen.
Dann gilt eine längere Widerspruchsfrist von 1 Jahr
Das Gericht stellte fest, dass die Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig war, da sie keinen Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Widerspruchseinlegung enthielt. Die Richter des BSG erklärten, dass die elektronische Einlegung des Widerspruchs neben der schriftlichen Form zulässig ist. Da die Belehrung dies nicht erwähnte, gilt die längere Frist von einem Jahr statt 4 Wochen.
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.